Kapitel 4 -Kalte Nudeln

4.2K 158 4
                                    


"Was glaubst du denn, was ich für ein Mensch bin?!", ruft Ann entsetzt. Ich lache nur kopfschüttelnd und wende mich meinem Essen zu. Wir sitzen in einem noblen Restaurant. Mit wir meine ich Ann, Thomas, Joanna, Lili und ich. Abschiedsessen hatte Ann es genannt. Die Abschiedsparty habe ich schon hinter mir...

"Liv hat da vier Typen kennengerlernt", sagt Joanna plötzlich. Ich sehe sie entsetzt an.

"Wie kommst du denn jetzt darauf?", frage ich sie verwirrt. Sie sieht mich an und dann zum Eingang. Ich folge ihrem Blick und verschlucke mich an meinen Nudeln. Hustend lasse ich die Gabel klirrend fallen und Tränen schießen mir in die Augen.

"Nicht inhalieren, Liv. Sowas isst man!", lacht Lili und schlagt mir einige Male auf den Rücken, bis es wieder geht.

"Danke, Lil, da wäre ich jetzt nicht drauf gekommen", brumme ich und verdrehe die Augen.

"Du scheinst dich aber echt zu freuen sie wiederzusehen", stellt Joanna lachend fest und beobachtet die Jungen, die uns noch immer nicht gesehen haben. Mal wieder hat jeder von ihnen eine dieser Kameras in der Hand und während die Kellnerin sie zu ihrem Platz führt plappert Sam ungestört drauf los.

"Sind das YouTuber?", fragt Lili neugierig.

"Was?"

"Von welchem Planeten kommst du bitte?" Sie sie sieht mich verstört an. "YouTuber, Leute die Videos drehen und sie auf YouTube stellen." Nie was von gehört. Ich zucke mit den Schultern und nehme einen Schluck Wasser aus meinem Gras. Ich hab das Gefühl, dass die Nudel immer noch in meine Luftröhre steckt.

"Woher kennst du die?", fragt Ann nun neugierig.

"Hab sie bedient, letzten Samstag", sage ich und werfe noch einen Blick zu ihnen rüber, etwas unauffälliger als Joannas.

"Sind sie nett?" Ein Grund, warum ich mich auf zu Hause freue: Diesen ganzen Fragen endlich aus dem Weg gehen zu können.

"Scheint nicht so, wenn sie bei ihrem Anblick gerade fast erstickt wäre", meint Lili amüsiert.

"Sie sind ok", erkläre ich schnell, bevor sich noch wer über mich lustig machen kann. Das kann ich nämlich blöderweise überhaupt nicht haben.

"Was habe ich über deinen Optimismus gesagt?", meckert Joanna.

"Ach nerv doch bitte Lil anstatt mir damit in den Ohren zu liegen", brumme ich.

"Also mich würde es nicht nerven, wenn sie mal mit mir reden würde", sagt diese grinsend. Joanna lächelt sie fröhlich an und erntet dafür einen Kuss von ihr. Damit können wir die beiden jetzt vergessen. Also nichts gegen sie als Paar, aber sobald sie sich auch nur einmal küssen, sind die für die nächsten Stunden nur mich miteinander beschäftigt. Ich wende meinen Blick von ihnen ab und sehe Thomas an.

"Nervt dich diese ganze Fragerei auch so wie mich?" Er lacht.

"Ich hab lange gebraucht mich dran zu gewöhnen, aber jetzt ist es nichts neues mehr."

"Komisch, ich gebe mich schon länger mit ihnen ab und werde bei jedem Wort hysterisch." Ich lächle Ann süß an, die mich nur kopfschüttelnd ansieht.

"Also manchmal gefallen mir die Fragen sogar", erklärt Thomas grinsen und Ann lacht triumphierend. Und als sich ihre Blicke treffen, haben sie beide diesen verliebten Gesichtsausdruck drauf, der momentan auch nicht von Joannas und Lilis Gesichtern weicht. Ich seufze genervt und fühle mich etwas fehl am Platz.

"Ich geh mir dann mal neue Freund suchen", erkläre ich, lächle einmal in die Runde, die nur noch aus Verliebten besteht und stehe mit meinem Glas in der Hand auf. Als ich meinen Stuhl laut zurück schiebe, schaut Lili für einen Augenblick auf, vergisst mich aber anscheinend ganz schnell wieder. Ich kenne diese Situation und weiß, dass es jetzt nichts bringen würde, daneben zu sitzen und darauf zu warten, dass die vier sich wieder zusammenreißen. Und um nicht wie ein Opfer allein dazwischen zu sitzen gehe ich jetzt auf den Tisch der Jungs zu. Ohne ein Wort zu sagen schiebe ich mich neben Sam auf die Bank.

"Hallöchen", begrüße ich die Runde. Alle sehen mich verwundert an.

"Olivia?", fragt Julian.

"Meine Freunde lassen mich gerade etwas im Stich und da hab ich mir gedacht, ich leiste euch Gesellschaft, wenn's euch nicht stört." Ich weise hinter mich zu meinem 'alten' Tisch, wo sich noch immer nichts verändert hat.

"Ouh", macht Tobi grinsen und sieht mich kurz an. "Du hast keinen Freund, mit dem du dich dazu setzten könntest?"

"Oder eine Freundin", wirft Sam ein, bei dem Blick auf Joanna und Lili. Ich lache.

"Nope." Für einen Moment sagt keiner etwas, bis die Kellnerin kommt und die Bestellung aufnehmen will. Nachdem die Jungs bestellt haben sieht sie mich fragend an, aber ich schüttle nur den Kopf. Sie nickt und geht wieder.

"Also, was macht ihr hier?", frage ich endlich. Diese Frage brennt mir schon ziemlich lange auf den Lippen.

"Urlaub?" Das hört sich irgendwie wie eine Frage, als eine Aussage an und Tobi sieht auch etwas fragend in die Runde.

"Nen Zwischending", erklärt Julian schließlich. "Arbeit und Urlaub." Ich nicke. Mehr muss ich nicht wissen. So gut kennen wir uns ja noch gar nicht und nach diese Treffen sehen wir uns ja wahrscheinlich eh nie wieder.

"Und wie lange bist du noch hier?", fragt Luke. Ich sehe ihn nachdenklich an. Heute scheint er genauso schlecht gelaunt wie letzte Woche. Ist er immer so?

"Nicht mehr lange", erkläre ich. Das mein Flieger morgen früh geht muss ja keiner wissen.

"Wir auch nicht", erklärt Tobi völlig offen.

"Wie lange wart ihr hier?"

"Zwei Wochen. Viel zu wenig Zeit für eine ganze Rundreise." Ich nicke zustimmend.

"Liv, deine Nudeln werden kalt!" Ich blicke auf und in Joannas Gesicht. "Oh, hi Jungs." Ich habe ihr ein wenig Deutsch beigebracht und für diesen nicht mal vollständigen Satz scheint es gereicht zu haben. Die Jungs lächeln sie an, sagen Hi oder heben einfach nur die Hand. Ich stehe auf, verabschiede mich von ihnen und folge Joanna dann wieder zurück.

"Also nur 'ok' können sie dann ja auch nicht gewesen sein", stellt Ann fest, als ich wieder auf meinem Platz sitzt. Ich zucke nur mit den Schultern und widme mich wieder meinem wirklich kalt gewordenen Essen.

Two confused heartsDonde viven las historias. Descúbrelo ahora