Kapitel 3 -Optimismus

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Nach dem Frühstück entscheide ich mich, doch noch etwas anderes anzuziehen. Gerade als ich mir in Hotpants und Tank- Top ein Bandana- Band in den Haaren zurechtsetzte, klingelt es an der Tür. Ich will schon loslaufen, als ich Lili an meinem Zimmer vorbeirennen sehe. Erst jetzt fällt mir ein, wie lange sie Joanna nicht mehr gesehen hatte. Sie war gestern von ihrem Urlaub in Thailand zurückgekehrt.

"Lil!", höre ich Joanna im Hausflur glücklich quieken und sehe die beiden sich um den Hals fallen. In diesem Moment will ich vielleicht nicht unbedingt dazwischen gehen. Anfangs war es etwas seltsam für mich, doch allmählich habe ich mich dran gewöhnt.

Beim Taschepacken lasse ich mir Zeit, suche in aller Ruhe mein Handy und schmeiße nutzlose Kassenbons in den Müll. Als ich dann im Flur erscheine stehen Lili und Joanna immer noch im Flur.

"Jetzt reicht's aber!", bemerke ich und die beiden fahren auseinander.

"Sorry", murmelt Lili verlegen und verschwindet in der Küche.

"Können wir?", fragt Joanna grinsend. Ich nicke, schnappe mir mein Longboard aus der Ecke und folge ihr raus auf die Straße. Ich habe echt keine Ahnung, warum sie mir das antut. Ich hab, als ich hier ankam eine solche Tour gemacht und das hat vollkommen gereicht. Ich hasse es. Ich habe es immer gehasst. Joanna läuft neben mir her, währen ich mich an ihrer Schulter ziehen lasse. Eigentlich ist sie einen Kopf größer als ich, aber jetzt kann ich ihr fast auf den Kopf spucken. Schade für die schönen blonden Haare...

"Ich muss dich aber unbedingt besuchen kommen!", versichert sie mir, während wir um eine Ecke biegen. Ich lache.

"Weißt du, wie oft du mir das schon gesagt hast?", frage ich neckend. Sie sieht mich kurz aus großen, blauen Augen an und ich muss wieder lachen.

"Ich kann's ja nur noch mal unterstreichen", sagt sie lächelnd. Für meine Verhältnisse ist sie viel zu hübsch. Kein Wunder, dass sie Freundschaft zwischen ihr und Lili schnell nicht mehr gereicht hat. Ich beneide die beiden echt für ihr Glück. Oh Gott, jetzt höre ich mich an, wie der größte Trottel. Vergesst das gerade schnell wieder!

"Deutschland ist echt nicht spektakulär", erkläre ich ihr zum hundertsten Mal.

"Na und? Lass mich doch ein eigenes Bild davon machen. Dann können wir gerne weiterreden." Kopfschüttelnd springe ich vom Board und hebe es auf. Wir stehen vor unserem Lieblingscafé. Der Gedanke daran, dass ich mir hier vielleicht das letzt Mal einen Kaffe bestelle treibt mir die Tränen in die Augen.

"Jetzt werd nicht gleich sentimental! Das war doch nett gemeint!", klagt Joanna erschrocken und wischt mir eine Träne von der Wange.

"Sorry", lächle ich und blinzle um die restlichen Tränen aufzuhalten. "Ist der Abschied." Sie nickt wohlwissend und wir setzt uns an einen freien Tisch. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick auf die Themse- mein absoluter Lieblingsfluss. Keine Ahnung warum. Vielleicht weil er durch London fließt...

"Ich werd dich echt vermissen", meint Joanna plötzlich. Ich sehe sie grinsend an.

"Kannst dir ja n Bild von mir in den Spint hängen. Am besten direkt neben das von Lili. Die wird sich freuen."

"Vielleicht mach ich das", überlegt sie laut und ich muss lachen. Der Gedanke, dass meine grausame Visage neben diesem wundervollen Bild von Lili hängt ist echt zum Schießen. "Am besten dass von Ostern", überlegt sie weiter und ich kann mich kaum noch halten. Ihr Gesichtsausdruck steuert dazu bei, aber viel mehr das Bild, dass mir durch den Kopf schießt. Vollkommen von der Rolle schaue ich in die Kamera, die mir irgendwer ins Gesicht hält. Das Top habe ich irgendwie nur halb an und der pinke BH ist deutlich zu sehen. Im Hintergrund knutscht irgendein Paar in er Dunkelheit und der Blitz der Kamera lässt mein Gesicht was von nem Vampir haben. "Ich mag Vampire", hatte Joanna gesagt, als ich ihr von meiner Analyse dieses Bildes erzähle. "Ich nicht", hatte ich knapp meinen Senf dazugegeben.

"Wenn du dass machst!", bringe ich japsend zu Stande. Nun lacht auch sie und wir merken gar nicht, wie die Bedienung uns zwei Cafe to go auf die Theke stellt. Erst als sie sich räuspert blicke ich auf bedanke mich und verlasse dann mit der immer noch lachenden Joanna das Café wieder. "Wolltest du das Foto nicht mal gelöscht haben?", frage ich sie, als sie sich gerade wieder eingekriegt hat.

"Ups", macht sie nur und verschluckt sich fast an ihrem Kaffe. Warum wir im Hochsommer um zehn Uhr morgens Kaffe trinken? Weils schmeckt! Ich schüttle nur lachend den Kopf und lehne mich an das Geländer der Brücke. "Cheese!", ruft Joanna plötzlich und ich blicke etwas verdutzt in die Kamera. "Also echt! Liv, ich glaub ich hab noch kein Foto, auf dem du einigermaßen akzeptabel guckst!" Ich weiß dass sie das nicht erst meint, siehe trotzdem eine Schnute und ernte einen Wangenkuss von ihr. "Zweiter Versuch." Diesmal grinse ich in die Kamera.

Hundert Fotos später stellt Joanna fest, dass wir eigentlich schon viel zu spät dran sind. "Schade aber auch", sage ich schief grinsen, während sie mich hinter sich her zieht.

"Jetzt für dich nicht auf wie ein kleines Kind! Du willst das doch auch!" Sie blickt mich streng über die Schulter an und mal wieder fange ich an zu lachen.

"Klar!" Als wir an dem Platz ankommen, wo die Touribusse losfahren, steht unser leider doch noch da. Etwas betrübt folge ich Joanna nach oben auf die obere Etage des Doppeldeckerbusses.

Wie ich es schon erwähnt hatte wird die Rundfahrt echt langweilig. Die meiste Zeit verbringen wir damit, irgendwelchen vorbeilaufenden Leuten Grimassen zu ziehen und uns über ihre Reaktionen lustig zu machen. Ich schieße noch einige Fotos und danke dem Typen, der für das Wetter zuständig ist, dass der Regen sich verzogen hat. Als wir endlich wieder aussteigen ist es schon halb zwei und ich habe einen riesen Hunger. Lieb wie sie nun mal ist, lädt mich Joanna zu Fish und Chips ein, was ich natürlich dankend annehme. Gegen vier sitzen wir dann mi vollen Bäumen auf irgendeiner Parkbank und reden über belangloses Zeug, als sie plötzlich das Thema wechselt.

"Hast du diese vier Typen eigentlich mal wiedergesehen?" Ich sehe sie verwundert an. Das sie sich da noch dran erinnert.

"Nope."

"Schade."

"London ist gigantisch. Unwahrscheinlich, dass ich sie je wiedersehe."

"Hey! Wo ist dein Optimismus geblieben?"

"Ich hatte nie einen?", scherze ich und ernte dafür einen Schlag gegen den Arm. "Schon gut!"

"Na siehst du. Aber du willst sie doch wiedersehen, hab ich recht?" Ihre Augen durchbohren mich. Obwohl sie seit über vier Jahren keinen Freund mehr gehabt hat, scheint sie sich ziemlich sicher zu sein, dass sie weiß, wie Jungs ticken. Leider tut sie das auch. Glaub ich zumindest.

"Was soll mir das bringen?"

"Jetzt hör auf so pessimistisch zu sein, Liv! Das ist ja unerträglich!" Und damit ist dieses Thema abgehakt.

Two confused heartsWhere stories live. Discover now