Kapitel 40 -Eine Phase des tiefen Selbsthasses

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"Mum ich kann da nicht raus", schreie ich. Sie sieht mich geschockt an.

"Liv, alles ok?", fragt sie besorgt

"Nein verdammt!", schimpfe ich und stampfe aus der Küche. Auf dem Weg nach oben kommt mir Holly entgegen, die mich nicht mal eines Blickes würdigt. Sie ist enttäuscht, wie alle anderen. Mein Handy habe ich seit über einer Woche nicht mehr in die Hand genommen. Das Haus habe ich seit diesem einen Samstag nicht mehr verlassen und nach dem Telefonat mit Sam habe ich auch nichts mehr von ihm gehört. Ich habe einen Hülle aus Enttäuschung und Selbsthass um mich gezogen und pendle nur noch zwischen Kühlschrank, Bett und Sofa hin und her. Und zur Schule kriegt mich eh keiner. Mum hatte mir schon gedroht mich aus dem Haus zu schmeißen, aber als ich ihr dann endlich erzählt habe, was passiert ist- natürlich nur das, was sie hören sollte- hat sie ruhe gegeben. Ab und zu kriege ich Besuch von Brian oder Maddy, die nicht mal ansatzweise versuchen mich zu trösten. Layla hat einmal angerufen und gefragt ob sie irgendetwas für mich tun könnte und Ethan hat mal bei mir ins Zimmer geguckt, als er mit Drue unterwegs war. Ansonsten verliere ich mich in Selbsthass und Schweigen.

Am liebsten würde ich Sam alles erzählen, ihm erklären, dass es ein Ausrutscher war und hoffen, dass er die Entschuldigung annimmt, aber nocheinmal von ihm beschimpft zu werden halte ich nicht durch. Immer wieder gehe ich das Telefonat durch und breche in Tränen aus. Und dann kommt mir der Gedanke an den Kuss und mein Herz setzt für einen Augenblick aus. Ich weiß nicht ob ich es bereue. Ich will es bereuen können um Sam zurückzubekommen, aber ich will diesen Kuss nicht vergessen. Er war unvergesslich, etwas besonderes.

Somit führt mein Gewissen einen Krieg mit sich selbst und ich stehe daneben und wünsche mir es würde ein schönes Ende geben.

Heute ist Mittwoch. In vier Stunden kommt Sam wieder. Bis dahin muss ich diesen Kampf gewonnen haben. Bis dahin muss ich mir sicher sein, dass ich Paul vergessen habe und ihn nicht mehr zurück will. Bis dahin muss mir klar werden, dass das alles falsch war. Und dann muss ich es schaffen ihm gegenüber zu stehen.

Ich schmeiße mich auf mein Bett und schließe die Augen. Ich möchte einfach nur hier liegen bleiben und verrecken. Leider geht mein Plan nicht auf. Unten klingelt es an der Tür und weil Mum Holly wegbringt und Drue eh nie da ist stehe ich auf um eine laut bellende Coco von der Tür zu schieben und diese dann zu öffnen. Ich sehe ihn einen Moment lang an und schließe die Tür wieder, drehe mich um und gehe die Treppe wieder hoch. Gleich darauf klingelt es wieder.

"Verschwinde Paul!", rufe ich und bleibe auf der Treppe stehen, in der Hoffnung er würde nicht noch einmal klingeln. Doch er tut es nochmal. Ich lasse mich auf die Treppenstufe falle und stütze den Kopf auf den Händen ab. "Ich ab gesagt verschwinde." So wie ich unsere super toll schallisolierte Haustür kenne- man beachte die Ironie- wird er mich verstanden haben.

"Ich verschwinde erst, wenn wir geredet haben", ruft er zurück.

"Ich will aber nicht mir dir reden!", schnauze ich.

"Scheiße Liv mach einfach auf. Ich will mich nicht durch die Tür mit dir streiten." Er hämmert jetzt mit den Fingerknöcheln gegen die Tür.

"Ist mir doch egal. Wegen dir hasst mich halb Köln", schreie ich wütend und stehe wieder auf.

"Wegen mir? Du solltest mich doch küssen! Du hättest auf einfach gehen können. Dann wäre das ganze nie passiert!" Damit hat er leider recht.

"Ich-" Mir fällt nichts ein, was ich erwidern könnte. Wütend schlage ich mit der Faust gegen das Treppengeländer und gehe wieder zur Haustür. "Wehe du versucht auch nur mein Leben noch mehr in die Scheiße reinzureiten", drohe ich ihm, als ich die Tür zum zweiten Mal öffne. Ich verdreht die Augen und tritt ein. Coco sieht einen Moment fragend an, als suche sie nach Erinnerungen an ihn. Im nächsten Moment springt sie ihm schwanzwedelnd um die Füße und bellt fröhlich.

Two confused heartsWhere stories live. Discover now