Kapitel 2 -Pancakes

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Leise schließe ich die Tür zur Wohnung meiner Gastfamilie auf und lege den Haustürschlüssel dann auf eine Ablage im Flur. Sorgfältig, wie ich es gelernt hatte, stelle ich Schuhe und Jacke in der Schrank und mache mir in der Küche das Essen war, dass mir Ann, meine Gastmutter, extra zurückgelegt hat, in der Mikrowelle warm. Mit Essen beladen setze ich mich auf die Couch und mache den Fernseher an. Das hier ist echt zu meinem Zuhause geworden. Mit dem Gedanken, dass ich nächste Woche wieder zurück muss, kann ich noch nicht ganz so viel anfangen.

"Liv?" Erschrocken sehe ich auf und erkenne die Silhouette von Ann im Türrahmen.

"Oh, habe ich dich geweckt?", flüstere ich entschuldigend.

"Nein. Ich hab auf dich gewartet. Deine Mutter hat angerufen." Als sie näher kommt sieht ihr Gesicht im flimmernden Licht des Fernsehers verschlafen aus. "Sie sagte sie freue sich auf dich und wollte wissen, wann dein Flug ginge." Ich nicke. Meine Mutter ruft seit zwei Wochen jeden zweiten Tag hier an und hat immer wieder eine neue Ausrede. Komischerweise fragt sie aber zum zweiten Mal nach meinem Flug.

"Ich schreib ihr nachher", sage ich lächelnd. "Danke." Ann nickt und verlässt dann wieder das Wohnzimmer.  Ich starre auf den Fernseher und lasse der vergangen Tag noch einmal vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Bei dem Gedanken an die vier Jungs muss ich unwillkürlich grinsen. Ich habe schon einige solcher Bekanntschaften hier in London gemacht, aber noch nie so eine. Außerdem würde es mich echt mal interessieren, was die mit diesen Kameras wollten. Klar. Als Tourist photographiert man halt alles, aber da reicht doch auch eine normale Kamera, oder? Ich muss ehrlich gestehen, dass ich in letzter Zeit keine Ahnung habe was in Deutschland und außerhalb von London abgeht, denn das hier ist schon fast ein eigener Kontinent. Es hat lange gedauert mich hier einzufinden und nach den ersten drei, vier Monaten wollte ich hier auch nicht mehr weg. Ich liebe London über alles und hier wieder weg zu müssen bricht mir das Herz. Hier sind alle so freundlich, jeder endschuldigt sich sofort, wenn man ihn anrempelt und man hat keinen Grund deprimiert durch die Straßen zu laufen, denn von allen Seiten strahlen dich Menschen an, die nur wollen, dass es dir gut geht, obwohl sie keine Ahnung haben, wer du bist. Klar vermisse ich meine Familie und Freunde in Deutschland, aber die hier, dann wäre ich glücklich.

Ich merke gar nicht wie mir die Augen zu fallen.

Als ich hochschrecke ist es kurz vor neun. Erleichtert lasse ich mich zurück ins Kissen sinken. Es ist Samstag und eine Woche her, dass ich Sam, Julian, Tobi und Luke getroffen habe. Heute ist mein letzter, voller Tag hier und den muss ich unbedingt nutzen! Als ich aus dem Fenster sehe stöhne ich auf. Regen. Das einzige, wofür ich England hasse. Schwerfällig hieve ich mich aus meinem Bett und schlürfe ins Badezimmer- bzw. versuche ich es, denn die Tür ist abgeschlossen.

"Sorry Liv!", ruft Liane von innen. Sie ist meine Gast- Schwester und irgendwie zu einer richtigen Schwester für mich geworden. Lili ist neuzehn, also ein Jahr älter als ich führt sich aber manchmal auf, als wäre sie um einiges jünger.

"Och komm schon!", dränge ich. Ich hatte mich so auf eine warme Dusche gefreut.

"Nope! Der frühe Vogel fängt den Wurm!"

"Das ist mein Spruch!"

"Zu spät." Während wir beide uns durch die Badezimmertür streiten kommt Ann aus ihrem Schlafzimmer. Sie trägt nur ein altes Hemd, was darauf zu schließen ist, dass sie wieder ihren Freund im Bett hinter sich liegen hat.

"Morgen", murmelt sie verschlafen und lächelt mich an.

"Morgen", sage ich genauso verschlafen.

"Ist heute nicht dein letzter Tag, Liv?" Thomas taucht hinter Ann auf. Ich nicke. Lilis Eltern sind getrennt. Während ihr Vater eine neue Familie gegründet hat nutzt ihre Mutter das ganze frei sein vollkommen aus. "Dann genieß den. Ich denke wir sehen uns ja heute Abend nochmal." Ich liebe seinen Optimismus und kann vollkommen verstehen, dass sich Ann in ihn verlieben musste.

"Lili hau rein!", brülle ich ein weites Mal ins Badezimmer und genau in dem Moment öffnet sich die Tür.

"Jetzt mach mal halb lang", brummt die nur mit einem Handtuch bekleidete Liane und stapft an mir vorbei. Bevor sich irgendjemand anders an mir vorbeischieben kann- und dass wäre echt nichts neues- verschwinde ich schnell im Bad und schließe die Tür hinter mir ab.

Als ich wie Lili nur mit einem Handtuch um meinen Körper geschlungen das Bad wieder verlasse kommt schon der Geruch von frisch gebackenen Pancakes aus der Küche. So schnell ich kann schlüpfe ich in frische Klamotten und renne in die Küche, wo Thomas nur mit Unterhose und Kochschürze bekleidet am Herd steht und die Pfannkuchen wendet. Ich setzt mich neben Lili auf meinen Stammplatz und packe mir den Teller voll.

"Also Liv, was hast du heute vor?", fragt Ann gespannt.

Zwischen zwei Bissen erkläre ich: "Joanna ist auf die tolle Idee gekommen zum Abschluss noch eine Stadtrundfahrt zu machen." Lili lacht. Sie kennt Joanna schon ein ganzes Stück länger als ich und weiß wie verrückt sie sein kann. Das ich hier sozusagen die Freundin ausgespannt habe stört sie überhaupt nicht, denn das, was zwischen den beiden läuft ist mehr als nur Freundschaft.

"So richtig in mitten von Touris?", fragt Thomas von der Küche aus. Ich nicke.

"Na dann viel Spaß" Ann lacht kopfschüttelnd.

Two confused heartsWhere stories live. Discover now