Kapitel 33 -Verrückt geworden

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Über den Parkplatz hinweg sehe ich schon Sams Mustang und den Besitzer lässig an der Motorhaube lehnen. Um ihn herum werfen ihm die Leute ständig Blicke zu, doch keiner scheint sich zu trauen ihn anzusprechen.

Eigentlich sieht er ja immer gut aus, aber heute scheint er dich extra rausgeputzt zu haben. Er trägt dunkelbraune Lederschuhe, braune Shorts, ein weiß- blau gestreiftes Shirt und einen Pilotensonnebrille. Als ich sehe, dass auf seinem Kopf der Hut sitzt muss ich unwillkürlich grinsen. Ich hab diesen Hut bei ihm im Schrank gefunden und gefragt, warum er den noch nie getragen hat. Er meinte das wäre ein Mitbringsel von seiner Schwester aus Barcelona und er würde ihn nie tragen, weil es scheiße aussähe. Auch nachdem ich ihm einenTag lang damit in den Ohren lag hat er ihn nicht aufgesetzt. Jetzt muss ich sagen, das er hundertprozentig falsch lag.

Ich sehe Madelene an, die schüchtern zwischen ihm und mir hin und her sieht und lächle sie an. Schon den ganzen Tag über ist sie total hibbelig und hat von nichts anderem mehr gesprochen. Jetzt allerdings bekommt sie den Mund nicht auf. Brian neben ihr grinst mich vielsagend an.

"Du musst mir nachher erzählen, wie sie reagiert hat", lacht er und ich nicke. Dann drückt er mir und Madelene einen Kuss auf die Wange und verschwindet, allerdings nicht ohne ihr noch "Er wird dich schon nicht fressen, Maddy" ins Ohr zu flüstern. Sie sieht ihm ängstlich hinterher.

"Vielleicht sollte ich Brian doch bitten mir mitzunehmen", murmelt sie, aber noch bevor sie es sich anders überlegen kann ziehe ich sie quer über den Parkplatz. Sam sieht uns schon erwartungsvoll an. Als ich ihn zur Begrüßung küssen will, weicht er aus und ich sehe ihn verwirrt an.

"Wer war der Kerl da vorhin?" Seine Stimme hat einen drohenden Unterton und auch ansonsten wirkt er total angespannt. Das letzte Mal, als ich ihn so erlebt habe war, als er Ju geschlagen hatte, und diese Tatsache macht mir etwas Angst.

"Brian. Sam beruhig dich." Doch auch als ich endlich meine Lippen auf seine lege, bleibt er genauso starr wie vorher.

"Mmh. Und was gibt ihm das Recht dich zu küssen", knurrt er jetzt gegen meine Lippen.

"Er ist ein Freund", versuche ich ihn zu beruhigen und küsse ihn nochmal auf seine zusammengepressten Lippen. Doch wieder regt er sich nicht. "Sam er ist schwul", seufze ich und jetzt endlich löst er sich aus seiner Starre. Der Kuss, den er mir dann schenkt, ist für diesen kurzen Moment so intensiv, das ich das Gefühl habe er hätte damit vor allen um uns herum klar zu machen, das ich ihm gehöre. Und ich erwiderte den Kuss, weil ich ihm nicht zu widersprechen brauche. Dann endlich ist er wieder der, den ich kenne und liebe und ich drehe mich zu Madelene um, die mit mit gesenktem Kopf hinter mir steht und der das ganze sichtbar unangenehm ist.

"Sam, das ist Maddy", stelle ich sie ihn vor und sie sieht schüchtern auf. Mein Freund hat ein breites Grinsen auf den Lippen und reicht ihr die Hand.

"Schön dich kennenzulernen", sagt er fröhlich und fast habe ich den Eindruck er wäre stolz- nur worauf bin ich mir nicht ganz sicher. Madelene lächelt nur und wirft mir einen flüchtigen Blick zu. Sie hat die gesamte Szene vorhin mitbekommen, das spüre ich.

"Ich hab angeboten sie mitzunehmen", sage ich und sehe Sam erwartungsvoll an. Er verdreht gespielt genervt die Augen.

"Wenn's sein muss", seufzt er. Und zwinkert ihr zu.

"Wenn du nicht willst kann ich auch fahren", schlage ich vor.

"Oh Gott nein!", ruft er aus und sitzt blitzschnell hinterm Lenker. Ich sehe wie Maddy sich ein Lachen verkneift und funkle Sam wütend an.

"So schlecht fahre ich gar nicht!", schimpfe ich und lasse mich neben ihn fallen.

"Ansichtssache."

"Hey!"

"Was?! Glaubst du wirklich ich lasse dich ans Steuer dieses kostbaren Schatzes?" Dabei streicht er liebevoll über das Armaturenbrett und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.

"Gut. Ich oder das Auto." Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe Maddy durch den Rückspiegel an. Die erwidert meine Blick vollkommen ernst. Anscheinend hat die sich gefangen. Sam sieht erst mich und dann Maddy an und scheint verwirrt.

"Habt ihr euch jetzt gegen mich verschworen?" Wir nicken nur synchron. Er seufzt. "Ich darf jetzt nichts falsches sagen, stimmt's?"

"Das rate ich dir", stimme ich ihm zu.

Er überlegt eine Weile dann sagt er: "Das Auto", wirft den Motor an Hbf fährt los. Für eine Augenblick frage ich mich ob er das jetzt ernst meint- vielleicht einen Augenblick zu lang. Doch dann sehe ich ihn von der Seite an und lächle. Und wenn er es ernst gemeint hat, verübeln kann ich es ihm nicht. Er hat einfach ein geiles Auto.

Die nächste Minuten vergehen im Schweigen. Ich schaue einfach auf die Straße und gehen meinen Gedanken nach. Ich denke über die letzten Wochen nach, die einfach so an mir vorbeigezogen sind und frage mich ob ich die Zeit anhalten kann um das alles zu verarbeiten. An Tagen wir heute habe ich das Gefühl alles verginge viel zu schnell. Es ist fast so, als gäbe das Leben mir nur eine kurzen Augenblick um auf das Geschehen zu blicken und zieht dann weiter, dabei ist es doch mein Leben, oder? Ich frage mich wo die Tage geblieben sind und warum ich so vieles vergessen und ignorieren konnte. Und trotz all fühlt es sich an, als wären Monate seit London vergangen. Manchmal glaube ich fast das ganze wäre nur ein Traum gewesen, ein schöner, langer Traum. Und ich möchte mich umdrehen und weiterschlafen um zu sehen wie der Traum zu Ende geht. Ich möchte ein Happy End, das ich nicht bekommen habe.

Ich beobachte Maddy durch den Rückspiegel, wie sie Streifen des Panzertapes anschneidet und daraus Figuren formt. Sie sagt, das sie das beruhigt. Glaubt nicht, das man irgendetwas in diesen Figuren erkennt, denn für mich sieht das Ganze einfach aus wie ein grauer Haufen Klebeband. Aber sie ist sich sicher, dass die irgendwann mal richtig gut darin werden wird.

"Kamele haben wie viele Höcker?"

"Glaub zwei", sage ich.

"Mmh", macht sie und schaut weiter auf ihr Kunstwerk, dass sich in ihren Händen langsam entfaltet.
Es dauert etwas, dann sagt sie: "mein Vater kommt morgen wieder."

"Mmh", mache ich.

"Bringt Kuchen mit."

"Welchen?"

"Irgendwas mit Rosinen."

"Kriegen wieder die Kaninchen?"

"Mmh." Sie nickt, ohne auch nur einmal aufgeblickt zu haben.

"Wollt ihr mich verarschen?!" Sam sieht mich entsetzt an.

"Was ist?", frage ich.

"Seit ihr irgendwie verrückt geworden?"

Ich sehe Maddy durch den Rückspiegel an und schüttle den Kopf. "Eigentlich nicht", sage ich monoton. Er reißt die Augen auf und sein Unterkiefer klappt herunter. Und dann brechen Maddy und ich gleichzeitig in schallendes Gelächter aus.

Two confused heartsWhere stories live. Discover now