Kapitel 22

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"Mum, Holly ist krank", begrüße ich meine Mutter, die ganz allein am Frühstückstisch sitzt.

"Was soll das denn jetzt heißen?" Sie blickt von ihrer Zeitung auf und mich verwirrt an.

"Ihr geht's einfach nicht gut." Ich schnappe mir einen Apfel und verlasse ohne ein weiteres Wort das Haus. Ja, ich nehme meine Schwester in Schutz. Dieses Schulgefühl von gestern Abend will einfach nicht verschwinden.

Nina betrachtet mich nachdenklich von der Seite, während ich vor mir auf die Straße starre.

"Irgendwas stimmt hier nicht", stellt sie nach einigen Minuten des Beobachtens fest. "Was ist los?"

Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass ich es ihr nicht sagen werde. Wenn sie eine Ahnung hätte, was in den letzten Tagen passiert ist, wird sie wahrscheinlich echt wütend sein. Schließlich ist sie meine beste Freundin und sie hat keinen blassen Schimmer. Noch. Irgendwann wird sie's eh erfahren.

"Mir geht's heute morgen nicht so gut", versuche ich es ohne sie anzusehen.

"Das ist es nicht..." Sie beugt sich ein wenig nach vorn um mich besser betrachten zu können. "Hast du Liebeskummer oder so?" Ihre Stirn runzelt sich. Liebeskummer? Eher nicht, eher Kumpelkummer... Gibt's sowas überhaupt? Wenn das mal laut ausspricht hört sich das bestimmt voll witzig an.

Werd ich aber nicht.

Niemals.

"Kumpelkummer" Das ist es.

"Was ist das?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Muss aber wohl nicht ganz unbedeutend sein." Sie zieht eine Augenbraue hoch. Ich bleibe stumm. "Man Liv! Ich weiß echt nicht was momentan eigentlich mit dir los ist! Hab ich irgendwas gemacht, dass du so scheiße zu mir bist? Ständig gehst du mir aus dem Weg und wenn ich dich was frage, zuckst du nur mit den Schultern. Und verheimlichen tust du mir auch was!" Jetzt ist sie wütend. Was habe ich denn gemacht? Ja, vielleicht bin ich morgens schlecht drauf, aber das war's.

"Nichts hast du gemacht!", schimpfe ich- mehr wütend auf mich selbst als auf sie. "Es ist einfach kacke hier!" Da ist es. Ja, ich will zurück nach England. Ich will weg hier, von den ganzen Menschen, die sich so verändert haben. Ich kenne diese Welt nicht mehr und kaum bin ich eine Woche hier schon muss sich noch mehr ändern. Mir fehlt der Abstand, etwas Zeit um mir erstmal einen Überblick zu verschaffen. Um mich daran zu gewöhnen, dass es nicht das schönen London ist, dass mir überall Türen offen hält. Ich will einfach dahin zurück, wo jeder gelacht hat, nur weil ich da bin. Dahin, wo alles noch einfach war.

"Was soll das denn jetzt?", schnauzt sie. "Fehlt der Queen etwa ihr Buckingham Palast oder was?"

"Ja Nina, mehr als deine scheuerte Fragerei. Das geht mich echt auf den Keks!" Ich funkle sie böse an.

"Ach fick dich doch!" Damit reißt sie Autotür auf und flüchtet auf den Bürgersteig. Gut das die Ampel erst jetzt grün würd. Obwohl. Hätte mir auch nichts ausgemacht, wenn sie aus dem fahrenden Wagen gesprungen wäre. Wütend trete ich aufs Gaspedal und umklammere den Lenker bis meine Fingerknöchel weiß werden. Wie kann sie es wagen mich so zu beleidigen? Was kann ich dafür, dass mein Austausch besser war als ihrer? Soll sie doch allein laufen und zu spät kommen, wenn sie mir das nicht einmal gönnen kann.

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"Ist er weg?" Ich sehe meinen Freund hoffnungsvoll an, doch dieser nickt nur betrübt mit dem Kopf und ich trete wütend mit dem Fuß gegen eine Hauswand. Schlechte Idee, denn jetzt brennt mein Zeh wie hölle. Fluchend springe ich auf einem Bein herum und versuche nicht umzukippen. Wäre die Stimmung nicht so grausam bedrückend sähe das hier sicherlich echt witzig aus.

"Was denkt der eigentlich?", brüllt Ju und schlägt mit der Faust gegen die selbe Hauswand. Genau, mach den selben dummen Fehler, den ich vor zwei Sekunden auch gemacht habe! Allerdings scheint es ihm nicht so weh zu tun wie mir. Mein Zeh pocht immer noch. "Nicht mal verabschiedet hat er sich! Einfach abgehauen!" Jus Gesicht ist rot vor Wut und an einem Hals pulsiert eine Ader sichtbar blau im viel zu schnellen Schlags seines Herzens.

"Ju beruhig dich", versucht es Tobi. Er legt seinem Kumpel eine Hand auf die Schulter, die dieser aber direkt wegschlägt.

"Ich werd mich nicht beruhigen!", schreit er und beginnt auf und ab zu laufen. "Wir hatten alles geplant und jetzt haut er einfach ab. Was ist das für ein Arsch?!" Langsam beginnt er mir Angst zu machen.

"Ju jetzt halt mal den Rand!", brüllt Sam plötzlich. Ich sehe ihn erschrocken an. Auch Tobis Aufmerksamkeit erlangt er. Ju allerdings läuft immer noch auf und ab und murmelt Beleidigungen vor sich her. Dann stürmt Sam auf ihn zu und drückt den um einen Kopf kleineren Ju gegen die nächste Hauswand. "Er ist weg und du bist jetzt wütend. Aber daran können wir jetzt nun mal nichts ändern also hör auf die aufzuführen als wärst du seine Mutter. Luke ist vielleicht ein Arsch, ja. Aber ihn jetzt hier zu verfluchen bringt keinen von uns weiter!" Ich habe ihn noch nie so erlebt. Vielleicht kenne ich ihn erst seit ein paar Wochen, aber ich hatte gedacht da gäb es nur den Sam, der freundlich und lieb versucht alles mit einem Lächeln zu klären. Das er jemals so aggressiv auf seinen besten Freund losgehen würde hätte ich nie gedacht. Damit bin ich aber wohl nicht die einzige, denn auch Tobi starrt ihn entgeistert an.

"Ich will diesen Namen nicht mehr hören", zischt Ju unter seinem Griff. Ein seltsam sarkastisches Lachen kommt aus Sams Kehle.

"Glaubst du dadurch würde sich irgendetwas ändern?" Er lockert seinen Griff sichtbar. Ju bleibt stumm, bis Sam schließlich von ihm ablässt und sich abwendet.

"Nimmst du ihn etwa in Schutz?" Sam hält in der Bewegung inne. "Was war das? Suke? Ihr wart doch in letzter Zeit eh sehr dicke." Ich hätte dazwischen gehen sollen. Echt. Bevor doch noch was passiert, aber leider kommt mir diese Erkenntnis erst nachdem Sam Faust mit voller Wucht Jus Auge trifft und dessen Hinterkopf schwungvoll gegen die Mauer hinter ihm knallt. Entsetzt sauge ich die Luft ein und starre auf das Geschehen.

"Wag es nicht-", knurrt Sam und hebt seine Faust zu weiteren Schlag. Doch bevor dieser fallen kann trete ich zwischen die beiden und sehe Sam direkt in die wütenden Augen. Er sieht so vollkommen anders aus, als ich ihn kenne. Was ist nur passiert? Eine Träne rinnt meine Wange herunter und ich lege eine Hand auf Sams erhobene Faust. Doch er reagiert nicht und scheint fast durch mich hindurch zu sehen, auf den nun am Boden liegenden Ju, der jetzt von Tobi zur Seite gezogen wird. Aber meine Aufmerksamkeit gilt jetzt nicht ihnen.

"Sam bitte", flüstere ich und sehe weiter zu ihm hoch. Sein ganzer Körper ist angespannt. Beide Hände zu Fäusten geballt steht er breitbeinig vor mir. Die Zähne fest aufeinander gepresst und die Lippen zu einem schmalen Strich gezogen. Die Lippen, die noch vor kurzem so gut auf meine gepasst hatten und ein so wundervolles Gefühl in mir ausgelöst hatten. Und die Lippen, die ich nun voller liebe küsse um ihn endlich aus seiner Starre zu reißen. Doch er erwidert nicht. Langsam löse ich mich von ihm und sehe ihn wieder an. Als seine Augen meine treffen läuft eine weitere Träne über meine Wange und ich lege meine Lippen wieder auf seine um ihr spüren zu können, um einfach nur zu wissen, dass er da ist. Und dann endlich erwidert er.

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Hi,

vielleicht ein bisschen zu viel Wut und streit? Kleiner, sehr extremer Stimmungswechsel, aber es kann ja nicht immer alles friede- freude- Eierkuchen sein, oder?

Aber ich glaube wenn jetzt in mein Zimmer käme um mich irgendwie reizen, hätte das kein schönes ende...

Naja,

Endlich Ferien! Jetzt wird erstmal schlaf nachgeholt!

Alles liebe und schlaft gut

Karla

Two confused heartsWhere stories live. Discover now