@annabeyou // misanthrope, grievance, brave

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Hey ihr, frisch aus der Versenkung hab ich hier ein bisschen Lesestoff für euch, besonders für annabeyou, die mir die drei heutigen Prompts Misanthrop, Missstand und mutig mitgegeben hat.

Sind gut 900 Wörter geworden und ich habe nicht viel Planung reinfließen lassen. Die Charaktere sind mir aber diesmal nicht ganz zugeflogen. Ich beschäftige mich in meiner Freizeit hin und wieder mit Astrologie und würde irgendwann gern zwölf Kurzgeschichten schreiben. Eine, die die Essenz jedes Tierkreiszeichens einfangen soll. Aber das ist ferne Zukunftsmusik ... Für diejenigen, die es interessiert, und die sich vielleicht ein wenig auskennen: Die Zwillinge in dieser Story sind intendiert gewesen als der Widder-Archetyp. Allerdings mit einem anderen Handlungsrahmen.

Ich hatte überlegt, Anna, ob ich hier über Nate schreiben soll. Hat sich nicht richtig angefühlt. Aber das mach ich irgendwann nochmal ;)

Wer Anna noch nicht kennt, muss dringend reinschauen bei ihren Geschichten. Ich weiß, das sag ich bei allen, aber ehrlich: Es lohnt sich. Ich bin sicher, dass du nochmal dein Debüt auf dem Markt feiern wirst, meine Liebe, auch wenn es dauern kann <3

So, jetzt hab ich hier schon so viel gelabert, da schreib ich nix mehr unter diesen Oneshot xD Ihr kennt's, euer positives oder negatives Feedback sehr gern in die Kommentare :3

P.S.: Die Songzitate zu Beginn in französischen Anführungszeichen sind von Timi Hendrix (Misanthrop) und Kummer (Okay). Liebe geht raus.

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ

»Egal, ob gelb, rot, schwarz oder weiß: Ich bin Misanthrop, Bitch, ich hasse euch alle gleich ...«

Es war immer derselbe Scheiß.

»Ich bin ein Misanthrop. Ich hasse alle Menschen gleich. Egal, ob schwarz oder weiß. Egal, ob arm oder reich ...«

Rafael hielt sich die Ohren zu. Die Musik, die aus dem Zimmer seiner Schwester dröhnte, machte ihn krank. Er ignorierte ihre schlechte Laune seit Tagen. Aber tatsächlich, gestand er sich ein, marterte es ihn, dass es seinem Zwilling so schlecht ging. Dieser Link, den sie hatten, war auch zu nichts nütze. Und obwohl sie in den letzten zwei Jahren nur das Nötigste besprochen hatte, war diese dämliche Verbindung weiter aktiv.

Wenn sie wenigstens auf Künstler stehen würde, die nicht solche Loser waren, dass sie von morgens bis abends in Selbstmitleid badeten. Dieses Rumgeheule wurde ihr anscheinend auch nie langweilig.

Er drückte sich sein Kissen aufs Gesicht, atmete den orientalischen Duft des Wäscheparfüms ein, das seine Mutter benutzte, und wünschte sich für einen kurzen Moment zu ersticken. Erschrocken fuhr er hoch, saß kerzengerade auf seinem Bett und hielt die Luft an. Moment mal ... Sowas wünschte er sich doch gar nicht wirklich. Als er blinzelte, klebten seine Augenlieder kurz zusammen. Wie war er eingeschlafen bei dem Lärm? Ein Blick auf seinen Wecker verriet es ihm: 2.30 Uhr. Vor Erschöpfung also.

Vorsichtig streckte er sich. Hatte er geträumt? So fern von allem hatte er sich noch nie gefühlt, nach dem Aufwachen. Er hörte sein Herz heftig klopfen. Sein eigenes Zimmer kam ihm fremd vor. Noch immer benommen schwang er die Beine über die Bettkante. Vielleicht war es an der Zeit, Rommi drauf anzusprechen, was mit ihr los war. Er sah schon öfter sie im Spiegel als sich selbst, wenn er nur flüchtig hineinschaute. Wobei das sicher auch der Tatsache geschuldet war, dass er dringend wieder zum Friseur musste. So war das leider, wenn etwas im Argen bei ihr lag. Irgendwie spürte er das. Umso krampfhafter er es zu unterdrücken versuchte, desto mehr Feuer spuckte der Vulkan.

Seine Füße waren wie aus Blei, er schlurfte über den Teppich. Diese Nacht war skurril. Entschieden stieß seine Zimmertür auf und sofort sah er das Logo auf ihrer Tür gegenüber. Der selbstgemalte Schriftzug in roter Glitzerfarbe: MissStand.

Warum schrieb sie sich so einen Scheiß auf die Fahnen? Hatte er noch nie verstanden. Romina Stand, das hätte sie doch hinpinseln können. Ihren richtigen Namen. Oder einfach Rommi.

Rafaels Fingerknöchel berührten bereits das Holz, doch er zögerte zu klopfen. Für gewöhnlich ging er seiner Zwillingsschwester aus dem Weg. Da hatte er gute Gründe für. Ständig gerieten sie aneinander und er verabscheute den Streit mit ihr, der immer laut war, und bei dem keiner je gewann. Er wusste, er war kein Unschuldslamm, wenn sie Krieg führten. Aber sie rastete immer als Erste aus! Schnaubend ließ er seine Hand sinken. Er hatte sich bereits zur Seite abgewandt, als er seine Faust doch mutig gegen ihre Tür donnern ließ. Es musste sein.

Die Musik ging aus. Seine Schwester öffnete in Jogginghose und Sport-BH.

„Was willst du?", fragte sie ihn brüsk. Ihr Kopf war hochrot, sie musste ein Mitternachts-Workout eingelegt haben. Aber geheult hatte sie auch. Wie ein Schlosshund. Das sah er sofort. Ihre Augen waren verquollen und ihre Wangen noch nass.

„Du erklärst mir jetzt, was letzte Woche mit dir passiert ist", forderte er sie auf. Rommi hob trotzig das Kinn.
„Mein Leben geht dich nix an", wollte sie ihn abblitzen lassen und schubste ihn. Er schubste zurück, drängelte sich in ihr Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Romina bewarf ihn mit einem Schulhefter. Er hob ihn vom Boden auf und hielt ihn ihr hin. Ein Friedensangebot. Seine Schwester starrte die Papp-Mappe an, ehe sie einen Schritt zurücktrat und auf ihr Bett sank.

„Nils hat Schluss gemacht", offenbarte sie, und auf einmal trat ein Ausdruck in ihre Augen, den Rafael zuvor noch nie bei ihr gesehen hatte. Seine eigenen Augen wuchsen derweil auf die Größe zweier Untertassen an. Nils hatte ... Schluss gemacht?
„Das ergibt keinen Sinn", kommentierte er es fassungslos. Seine Schwester nickte und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
„Ich weiß", nuschelte sie. Raphael schluckte. Etwas unbeholfen schlang er einen Arm um ihre Schultern. Sie zitterte am ganzen Körper.

„Wichser", murmelte er. Romina lachte erstickt.
„Wenn du das sagst, klingt das echt witzig", flüsterte sie.
„Warum hast du denn nix gesagt?"
„Ich wollte nicht, dass du Stress mit ihm anfängst."
„Wieso nicht? Er hat dir wehgetan."
„Ich ihm bestimmt auch, sonst hätte er mich wohl kaum abserviert."

Rafael zupfte gedankenverloren an einer ihrer Haarsträhnen. Sie schnalzte genervt mit der Zunge und schlug seine Hand weg. „Ich hasse es, wenn du das machst."
„Und ich hasse Nils, verdammt. Warum tut er dir das an?"

Sie seufzte.
„Keine Ahnung. Weil ich ich bin. Weil ich seine Mutter angebrüllt habe, als ich mit ihr shoppen war. Sie hat mir ein Kleid gekauft, von dem ich dreimal gesagt habe, dass ich es scheußlich finde. Ich bin ausgetickt, diese Frau hört nie zu. Ihm ja auch nicht. Nils hat mir dann am Telefon später um die Ohren geknallt, ich würde mich wie eine Fünfjährige benehmen. Andauernd."

Er schwieg bedröppelt.
„Das muss ja ein richtig hässliches Kleid gewesen sein." Und sofort brach seine Zwillingsschwester wieder in Tränen aus.
„Ich hab dich lieb, Raffi", brach es auf einmal aus ihr heraus und er drückte sie an sich.
„Ich dich auch", erwiderte er es und küsste sie auf den Haaransatz.

Nichts wichtigesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt