expectations // what I can't keep to myself

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Wenn meine Deutschhausaufgaben eine Person wären, würde ich nicht zögern, sie auf der Stelle zu erwürgen. "Ja, selbst schuld, wer Deutsch-Leistungskurs wählt! *smirk*" - Ja, du mich auch, Arschloch. Eigentlich bin ich gut in der Schule. (Sehen wir mal von Mathe und Naturwissenschaften ab, denn da bin ich normal bis schlecht.) Ich war auch fast immer gut in der Schule. Anscheinend fällt es mir leicht, auf diese Weise zu arbeiten. Mündlich bin ich aktiv, schriftlich bin ich noch besser. Das war so, das ist so, das wird immer so bleiben. Wieso? Weil ich festgestellt habe, dass ich machen kann, was ich will, weil die Lehrer mich anscheinend feiern. Hausaufgaben, die ich nicht gewissenhaft erledige, werden trotzdem mit Zweien benotet. Und hier beginnt mein Problem. Dadurch, dass ich mich ständig in einer Riege von 1 - 3 bewege, zensurentechnisch, verliert alles, was keine 1 ist, an Wert, und unterschreitet meine Erwartungen an mich selbst. Mein Ehrgeiz, sagt meine Schulleiterin, wird mich eines Tages vieles kosten. Sie hat keine Ahnung, dass sie damit eine längst erfüllte Prophezeiung ausgesprochen hat. Ich leide unter enormem Leistungsdruck und das schlimmste ist, dass dieser Leistungsdruck von mir kommt und ich ihn nicht abschalten kann. Permanent möchte ich Sachen schreiben, mit denen ich zufrieden bin. Wenn ich, wie jetzt bei meinen Hausaufgaben für Deutsch, nicht zufrieden bin, frustriert mich das. Ich will doch nicht, dass irgendjemand fremdes aka meine Lehrerin etwas liest, mit dem ich unzufrieden bin. Niemand soll etwas lesen, von dem ich nicht möchte, dass es gelesen wird. Aber es ist nunmal meine Hausaufgabe und ich kann mich nicht hinstellen und sagen: "Oh, entschuldigen Sie vielmals, aber ich habe meine Hausaufgaben nicht gemacht, weil ich mich nicht kreativ genug gefühlt habe und mit allem unzufrieden war, was ich geschrieben habe. Aber hey, ich hab's versucht, ehrlich." Darauf bekäme ich nämlich eine 6. Das liegt nichtmal mehr in der unteren Liga der Noten, die ich sonst einfahre. Also mache ich meine Hausaufgaben und gebe sie ab, obwohl ich damit unzufrieden bin und es mich frustriert. Weil man das von mir erwartet und ich diesen Erwartungen zwingend gerecht werden muss, wenn ich mein Abitur schaffen will. Klar, ich könnte es sein lassen. Einmal. Die 6 kassieren, damit leben. Das hab ich auch schon. Und es hat mich nicht umgebracht. Aber am Ende bleibt die Frage: Was macht mich unzufriedener? Eine 3, weil ich weiß, dass der Text, den ich geschrieben habe für meine Verhältnisse schlecht ist, oder eine 6, weil ich gar nicht erst abgegeben habe? Da nehm ich doch lieber die 3. Trotzdem kann das nicht die Lösung sein. Nach diesem Muster weiterzumachen, spitzt meine Frustration nur zu und meine Frustration begünstigt die Hemmung meiner Kreativität. Es ist ein Teufelskreis.

Ich bin diesem Teufelskreis erlegen, ich hasse ihn wie die Pest, ich kann nicht ausbrechen, weil ich mir selbst im Weg stehe. Meine Eltern sagen, ich soll es locker nehmen. Das tu ich auch. Viel mehr als früher. Aber es ist noch immer nicht genug. Unser Schulsystem erzieht Menschen ohne Ehrgeiz, es ist marode in jeder Hinsicht und braucht eine Reform von Grund auf, damit nicht jeder Vierte schon im Alter von zehn Jahren unter Stress leidet. (Das ist keine echte Statistik, bloß eine meiner Schätzungen.) Eines Tages, schreibe ich eine Utopie darüber. Ich schreibe auf, wie Schulen aufgebaut sein sollten, damit sie ihren Sinn und Zweck erfüllen. Vielleicht schenkt dem ja dann endlich mal jemand Gehör, denn ich bin absolut nicht die Erste, der die unerträglichen Zustände auffallen.

Das nur als kleiner Exkurs von mir. Und jetzt muss ich weiter meine Deutschhausaufgaben machen.

Nichts wichtigesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt