Kapitel 1

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Ich sitze erneut in meinem Sessel im Erker und halte nun das dritte kleine Büchlein in der Hand. Ich weiß immer noch nicht, was ich von den Geschichten halten soll. Einerseits waren sie so unglaublich realistisch und doch wieder utopisch. Wie soll sich jemand in einen Drachen verwandeln können oder magische Kräfte besitzen? Doch genau diese Ungewissheit macht das ganze wieder interessant. Ich wünsche mir, eine Erklärung für das alles zu bekommen.

Auch dieses dritte Büchlein sieht genauso aus, wie die anderen. Ich wollte eine längere Pause einlegen, weil ich nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit hier sitze und lese. Ich habe meine Glieder nur notdürftig bewegen können, sie kribbeln noch immer und mein Hintern tut mir weh vom vielen Sitzen. Aber die Neugier hat mich schon wieder gepackt.

Die beiden Geschichten, die ich bisher gelesen habe, waren so fesselnd, dass ich es nie übers Herz gebracht hätte, eine Pause einzulegen. Noch nie habe ich so tief in eine Geschichte, ja sogar in eine mir völlig fremde Welt, eintauchen können. Es war so unglaublich realistisch, dass ich den Eindruck hatte, selbst Teil des Geschehens zu sein. Ich war Aurora, ich war Serena und in diesem Buch, wer werde ich dieses Mal sein?

Der Titel dieses Buches spricht mich diesmal besonders an. „Legenda Major – Aurorae mundi" lautet er bei diesem dritten Teil. Da ich selbst ja auch Aurora heiße, spricht mich das natürlich besonders an. Einen Moment flackert erneut die Frage bei mir auf, warum die Prinzessin im ersten Band denselben Namen trug, wie ich, Aurora Simons.

Moment! Da gab es doch noch eine Aurora Simons. Am Ende des zweiten Buches brachte Königin Serena ein Mädchen zur Welt und hat ihm den Namen Aurora gegeben. Sie wollte damit der früheren Aurora auf diese Weise die Ehre erweisen und da sie den Namen ihres Vaters angenommen hatte, hieß auch dieses Kind nun Aurora Simons. Zufall?

Spätestens nach dieser Erkenntnis hat es mich gepackt, ich will nun definitiv wissen, ob und was ich mit dieser Königsfamilie zu tun habe. Erst jetzt wird mir richtig bewusst, dass ich anders heiße als meine Eltern. Sie heißen Berglund, ich dagegen Simons. Sie haben mir nie verheimlicht, dass ich als kleines Kind adoptiert wurde und da bei der Adoption mein richtiger Name bekannt war, haben sie sich bewusst dafür entschieden, es dabei zu belassen. Ich habe trotz Adoption nicht den Schreibnamen meiner neuen Eltern angenommen.

Ich habe bisher nie das Bedürfnis verspürt, zu erfahren, wer oder was meine leiblichen Eltern waren, wo sie leben, ob sie noch leben und ob ich ihnen ähnlichsehe. Ich habe es einfach so hingenommen. Meine Adoptiveltern haben einmal im Gespräch erwähnt, dass meine leiblichen Eltern mich abgeben mussten. Den Grund dafür kennen auch sie nicht oder sie wollten ihn mir bisher einfach nicht sagen. Sie haben mir aber versichert, dass es nicht daran lag, dass sie mich nicht liebhatten.

Erst durch diese Bücher ist mein Interesse an meiner Herkunft gewachsen. Vermutlich spielt dabei auch der Umstand eine Rolle, dass die beiden bisherigen Bücher unglaublich faszinierend waren. Das verbindende Element ist natürlich der Name. Ich frage mich, ob ich mir nicht insgeheim wünsche, Teil dieser Geschichten zu sein. Obwohl es etwas verwegen anmutet, dass ich eine Prinzessin sein sollte, bleibt trotz allem ein Funke Hoffnung. Und welches Mädchen träumt nicht insgeheim davon, eine Prinzessin zu sein?

Ich klammere mich an die Namensgleichheit mit zwei Akteurinnen der Erzählungen und hoffe entgegen jeder Logik, es könnte doch irgendeine Verbindung geben. Dazu kommt auch, dass sich die Bücher plötzlich in ganz normale Märchen verwandeln, sobald ich sie gelesen habe. Kann das alles wirklich nur ein Zufall sein? Gibt es womöglich doch eine logische Erklärung für alles?

Ich schlage das Buch auf und komme erneut ins Staunen. Auch in diesem Band steht eine Widmung auf der ersten Innenseite. Nur mit dem Unterschied, diesmal kann ich sie lesen.

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now