Kapitel 6

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„Hast du schon mal ein Schwert in der Hand gehalten?", will Leo wissen.

Nach dem Mittagessen steht Kampftraining auf dem Programm. Greta hat den Plan so eingeteilt, dass immer am Vormittag die Theorie ansteht, weil ich da noch geistig frisch bin. Am Nachmittag bin ich immer mit Leo zusammen und kann mich, so hat es meine Mentorin ausgedrückt, so richtig abreagieren.

„Wie denn? Ich komme aus einer friedlichen Welt", halte ich dagegen.

„Das wird dann aber lustig", jammert er.

„Soll ich mir einen anderen Lehrer suchen", zicke ich ihn an.

„Nein, schon gut. Ich bin der Beste!"

Er drückt mir ein Holzschwert in die Hand und erklärt mir, dass wir für den Anfang mit ungefährlichen Waffen üben, damit ich mir nicht selbst weh tun kann. So ein Idiot. Als ob ich so ungeschickt wäre.

„Los, in Kampfposition", meint er.

Ich versuche mich so aufzustellen, wie ich mir eine Kampfposition vorstelle. Sofort greift er an und wenig später liege ich auch schon auf dem Boden. Von Leo kommt nur ein hämisches Grinsen.

„Du musst dich verteidigen!", schimpft er.

„Wie denn? Zeig mir doch zuerst, wie das geht!"

„Du musst meine Schläge abblocken."

„Ja super, aber wie?"

„Das musst du herausfinden."

Ich bin mir sicher, er tut das absichtlich. Es ist seine Rache dafür, dass ich ihn bei meiner Ankunft gedemütigt habe. Aber ich lasse mich davon nicht unterkriegen. Ich mache weiter, immer weiter. Etwas anderes lässt mein Stolz ja gar nicht zu.

Trotzdem geht es ganze zwei Stunden lang so, wie das Training angefangen hat. Wir kämpfen gegeneinander und ich habe nicht die geringste Chance, ihn zu Boden zu bringen. Ich glaube ich habe am ganzen Körper blaue Flecken. Ich bin vermutlich ein einziger, großer, blauer Fleck. Alles tut mir weh.

„Kannst du nicht etwas mehr Rücksicht nehmen?", motze ich.

„Im Kampf nimmt dein Gegner auch keine Rücksicht", hält er dagegen.

„Dann bin ich aber hoffentlich besser."

„Lassen wir den Schwertkampf und gehen zum Bodenschießen über. Hast du schon mal einen Bogen in der Hand gehalten?"

„Ja, ein paar Mal schon. Ich habe das in einem Feriencamp versucht. Hat Spaß gemacht."

„Hat Spaß gemacht? Na, dann kann ja nichts schiefgehen", meint er. Ich bin mir sicher, er meint es sarkastisch.

Leo führt mich zu einer großen Wiese. In einiger Entfernung stehen die typischen Zielscheiben aus Stroh. Sie haben einen ganz kleinen schwarzen Punkt in der Mitte. Drum herum ziehen sich verschiedene Kreise in unterschiedlichen Farben. Ganz außen ist er weiß.

„Ich zeige dir, wie es geht und du machst es mir nach. Wenn du den weißen Kreis triffst, kannst du dir etwas einbilden", meint er.

Wie angekündigt zielt er und trifft den vorletzten Kreis, den roten. Die Mitte hat er allerdings verfehlt. Ein wenig scheint sich Leo darüber zu ärgern, lässt sich dies aber nicht anmerken.

„Soll ich nun ins Schwarze zielen oder dorthin, wo du getroffen hast?", frage ich grinsend.

„Wenn du es so gut machst, wie ich, dann knie ich mich vor dich hin", lacht er laut auf.

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich nehme den Bogen, lege den Pfeil ein und spanne. Ich ziele auf seinen Pfeil und lasse los. Meiner schießt auf die Scheibe zu, trifft seinen Pfeil und spaltet diesen. Leo schaut mich mit großen Augen an.

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now