Kapitel 18

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Die Gefangenen sind verstaut und die Boten zu den anderen Rebellen unterwegs. In einer Woche soll der Sturm auf das Schloss erfolgen. Jetzt, wo der Kampf um die Freiheit einen konkreten Zeitplan hat, werde ich zunehmend nervöser.

„Wir lassen Frauen und Kinder sowie zu deren Bewachung alte und ganz junge Männer zurück", sage ich. „Auch beim Sturm auf das Schloss sind nur die kampftüchtigen Männer ganz vorne mit dabei."

„So habe ich es auch den Boten gesagt, damit sie die anderen ebenfalls entsprechend informieren", sagt mein Vater.

„Das ist gut. Dann wäre ja alles vorbereitet. Ich werde zu Tante Luna fliegen und anschließend auch noch ins Reich des Nordens und des Ostens. Ich will alle informieren. Außerdem versuche ich mir etwas einfallen zu lassen, damit sich unsere Chancen im Kampf verbessern."

„Einen Trick?", will einer der Rebellen wissen. Er ist neugierig.

„Ich habe noch keine Ahnung, was ich mir einfallen lasse. Mir ist aber klar, wir müssen auf irgendeine Weise einen Vorteil herausschlagen, einen möglichst großen sogar. Der Kampf ist ungleich, weil der Gegner deutlich die besseren Waffen besitzt. Dieses Ungleichgewicht müssen wir auf irgendeine Art ausgleichen. Ich muss mir das Ganze aber erst noch durch den Kopf gehen lassen. Im Augenblick habe ich noch keine Ahnung."

Ich verabschiede mich und fliege zu Luna. Ich informiere sie und gehe dann zu meinem Häuschen. Dort höre ich schon von weitem Juchzen und Lachen. Als ich näherkomme und in den Garten blicke, sind dort Lea, Greta und Serafina am Herumtoben. Ich bleibe einen Moment am Eck des Hauses stehen, lehne mich an die Wand und beobachte die drei. Sie können mich nicht sehen und das ist gut so.

Ich genieße es, wie unbekümmert und frei von Sorgen die drei Spaß haben. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sich mein Leben verändert hat. Noch vor wenigen Wochen war auch ich unbekümmert und hatte keine wirkliche Ahnung, wie viel Leid und Trauer es auf der Welt gibt. Ich war eine ganz normale Schülerin, mit dem Kummer, den einem die Lehrer eben bereiten, wenn sie überstürzt Schularbeiten oder Prüfungen ansetzen, Hausaufgaben aufgeben oder einem sonst Arbeit aufbürden. Dass ich aber Rebellen bei einem Überfall auf Soldaten anführen und Menschen töten werde, das ist eine ganz andere Welt. Erst jetzt wird mir bewusst, wie klein meine Probleme, im Verhältnis zu dem vieler anderer, waren.

Bisher hatte ich nicht wirklich Zeit, mich mit solchen Fragen zu befassen. Die Veränderungen sind langsam und unbemerkt gekommen. Wenn ich mir nun die drei Mädchen anschaue, fällt mir der Unterschied erst richtig auf. Wobei ich ihnen diese Unbekümmertheit natürlich gönne und mir auch dessen bewusst bin, dass ich eine Aufgabe, eine Verantwortung habe. Ich bin eine Königin und muss nach besten Möglichkeiten für mein Volk sorgen und es vom Joch dieses Lords befreien. Das ist kein Honigschlecken und das wird ein hartes Stück Arbeit. Für mich aber gibt es keinen Zweifel, dass ich mich dieser Herausforderung stellen werde.

„Tante Aurora, Tante Aurora", ruft plötzlich Serafina, die mich bemerkt hat.

Mit ausgebreiteten Ärmchen rennt sie auf mich zu und springt mich an. Sie schlingt sofort ihre Arme um meinen Hals, hält sich an mir fest, drückt mich und drückt mir auch schon einen feuchten Schmatzer auf die Wagen. Dann lacht sie laut und voller Freude.

„Da bist du ja wieder! Ich habe dich soooooo vermisst!"

„Ich dich auch, meine Kleine."

Vorsichtig setze ich sie auf dem Boden ab und gehe mit ihr Hand in Hand zu Lea und Greta. Wir setzen uns auf die Bank unter der Weide und ich erzähle ihnen, was sich alles getan hat. Einen Moment lang habe ich überlegt, ob das, was ich erzähle schon für die Ohren eines kleinen Mädchens bestimmt sein sollte. Natürlich sollte es das nicht, aber Serafina hat sicher schon viel schlimmere Dinge gesehen und erlebt. Sie ist in diesem Sinne kein kleines Mädchen mehr, leider. Auch ihre gestohlene Kindheit geht auf das Konto dieses Verbrechers, Lord Kemenor.

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now