Kapitel 10

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Ich werde von lauten Stimmen und aufgeregtem Herumlaufen geweckt. Als ich mich erhebe und zum Eingang der kleinen Nebenhöhle gehe, bemerke ich, dass alle zum Eingang eilen. Ich blicke mich zu Greta um, die immer noch ins Bett gekuschelt schläft und mache mich ohne sie auf den Weg zur Haupthöhle.

„Ich verstehe das ja selbst nicht, aber ich versichere euch, da ist jemand, der verteilt Lebensmittel. Ich habe selbst eine solche Lieferung gesehen. Es ist, als wäre sie vom Himmel gefallen", sagt ein Mann. Er ist ganz aufgeregt.

Ich habe die Umstehenden erreicht, die sich in einem Kreis um den Mann gruppiert haben. Ich stehe ganz hinten und kann ihn zunächst nicht sehen.

„Wie ist so etwas möglich? Im ganzen Land gibt es Missernten. Wer sollte Lebensmittel zum Abgeben haben? Außerdem kontrollieren Wachen des Lords das ganze Land. Da gibt es kein Durchkommen", wirft jemand ein. Von der Stimme her müsste es Jelena sein.

„Ich kann mir das selbst nicht erklären. Aber ein kleines Mädchen will eine Frau gesehen haben", versichert der Mann. „Bei allen Lieferungen hat man auch einen Brief gefunden, auf dem stand, die Lebensmittel kämen von einer Königin Aurora. So ein Blödsinn."

„Königin Aurora, hast du gesagt, das wäre doch deine Tochter?"

„Die Lebensmittel kommen von meiner Tochter, ja klar!"

„Deine Tochter heißt doch Aurora und wäre nun die rechtmäßige Königin", erklärt Lili.

An ihrem Tonfall kann ich erkennen, dass sie ihm nicht sofort sagen wollen, dass ich hier bin. Offenbar soll es eine Überraschung werden. Ich hingegen bin inzwischen ganz aufgeregt. Der Mann, der dort vorne steht, ist mein Vater. Der Vater, an den ich mich nicht erinnern kann, weil ich damals zu klein war.

„Mein kleiner Drache, wo sie wohl sein mag", höre ich ihn voller Wehmut sagen.

„Ich bin hier, Vater!", rufe ich hinaus. Ich kann mich unmöglich länger zurückhalten.

Die Menschen, die neben und vor mir stehen, werden erst jetzt auf mich aufmerksam und treten zur Seite. Vor mir wird ein Korridor frei und ich laufe los. Ich eile auf den Mann zu und springe in seine Arme.

„Vater! Bist du es wirklich?", rufe ich.

Er nimmt mich und hält mich eine Armlänge auf Abstand. Dabei mustert er mich eingehend. Aber schon bald rinnen Tränen über seine Wangen.

„Kleiner Drache, du bist es wirklich. Du bist meiner Serena wie aus dem Gesicht geschnitten. Du bist so wunderhübsch wie sie."

Er ist, wie in Trance. Ganz offensichtlich kann er es nicht glauben. Nun zieht er mich wieder in seine Arme und drückt mich ganz fest an sich.

„Mein kleiner Schatz, du bist zurückgekommen", schluchzt er.

„Naja, so klein bin ich jetzt auch wieder nicht", scherze ich.

Er muss daraufhin lächeln, obwohl ihm immer noch Freudentränen die Wangen herunterlaufen. Es kommt mir so vor, als würde er mich nie wieder loslassen wollen.

Erst nach einer langen Zeit nimmt er mich bei der Hand und führt mich zu einem Feuer etwas weiter hinten. Dort setzen wir uns hin und ich bekomme ein Frühstück. Auch er isst etwas.

„Steckst du hinter den Lebensmitteln?"

„Sie werden mit einem Drachen geliefert", flüstere ich ihm ins Ohr.

„Dann hatte deine Mutter recht?"

„Das hatte sie."

„Aber wo kommen die Sachen her?"

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now