Kapitel 2

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Ich stehe einfach da und schaue noch längere Zeit auf die Stelle, an der noch kurz zuvor meine Mutter, meine leibliche Mutter, stand. Ich bin einerseits sehr froh, sie getroffen zu haben, bin aber andererseits auch wieder traurig, weil sie schon wieder weg ist. Ich nehme an, dass ich sie nie mehr sehen werde. Höchstens dann, wenn auch ich tot bin.

Nach einiger Zeit begebe ich mich zum Sofa und lege mich nieder. Völlig in Gedanken rolle ich mich zu einer Kugel zusammen. Ich muss jetzt nachdenken, was sie mir alles gesagt hat und dann überlegen, was ich machen kann und soll.

Ich bin also doch eine Prinzessin. Ich bin die Tochter von Königin Serena und könnte Anspruch auf den Thron eines Landes erheben, eines Landes, das ich noch nie gesehen habe, das bedroht wird, das ich retten kann und soll.

Von einem Moment auf den anderen ist alles komplett anders. Meine Welt wurde, in einem Augenblick, auf den Kopf gestellt und ich stehe vor einem riesigen Fragezeichen.

Mein Leben war bisher ganz ok. Natürlich hätte es noch schöner sein können, aber ich bin zufrieden, wie es war. Wenn ich mich auf das Abenteuer einlasse, das sich mir nun eröffnet, dann wird sich alles ändern. Nichts mehr, wird so sein, wie es jetzt ist. Mit diesen Gedanken, die wie in einer Spirale durch mein Hirn kreisen, schlafe ich ein.

Ein impertinentes Klingeln reißt mich aus dem Schlaf. Ich öffne meine noch immer verschlafenen Augen und stelle fest, dass ich auf meinem Sessel im Erker zusammengerollt geschlafen habe. Schon wieder klingelt es.

„Ja, ist ja gut, ich komme ja schon!", rufe ich genervt.

Mühsam erhebe ich mich und strecke erstmal herzhaft meine starren Glieder. Ich komme mir ausgeschlafen vor. Als es ein weiteres Mal klingelt, gehe ich zur Tür und öffne sie. Kaum habe ich sie einen Spalt offen, schaut mich meine Freundin Lea auch schon an. Ihr Blick ist vorwurfsvoll.

„Jetzt sag mal, bist du verschollen?", meckert sie mich sofort an.

„Dir auch einen schönen Tag, liebe Lea", antworte ich belustigt.

„Du meldest dich nicht, du antwortest nicht auf meine Nachrichten, was ist denn mit dir los?"

„Ich muss eingeschlafen sein", sage ich entschuldigend.

„Eingeschlafen, das geht schon seit Tagen so. Ich bin seit zwei Wochen zurück aus dem Urlaub und nicht ein einziges Mal hast du dich gemeldet oder auf meine Nachrichten reagiert. Was ist denn los mit dir? Ich mache mir Sorgen!"

„Komm erst einmal herein", sage ich. „Und mach die Tür hinter dir zu."

Ich drehe mich um und gehe zurück in den Erker. Dort setze ich mich in meinen Sessel und biete Lea den zweiten an. Kurz überlege ich, ob ich ihr alles erzählen soll oder nicht. Lange muss ich allerdings nicht nachdenken, und entschließe mich dazu, sie einzuweihen. Sie ist immerhin meine beste Freundin und als solche hat sie ein Recht darauf, zu wissen was los ist. Das ist aber nicht der einzige Grund. Mir ist nämlich auch klar, dass ich einen Menschen brauche, zum Reden. Wer also, wenn nicht Lea.

Sie sitzt schon im Sessel und schaut mich erwartungsvoll und etwas ungeduldig an. Ich überlege, wie ich anfangen soll. Immerhin ist die Geschichte dann doch etwas außergewöhnlich. Doch dann beginne ich und erzähle ihr alles. Ich fasse kurz das erste Buch zusammen und gehe dann ohne Pause auf das zweite über.

Lea hört mir gebannt zu. Ihr Gesichtsausdruck zeigt immer wieder Erstaunen oder Verwunderung, wenn ich von besonders bewegenden Momenten berichte. Als ich dann auch noch erzähle, dass ich meiner wirklichen Mutter in der Zwischenwelt begegnet bin, dass ich eine echte Prinzessin bin und ein Land retten soll, da kommt sie aus dem Staunen kaum noch heraus. Sie unterbricht mich aber nicht ein einziges Mal, obwohl das Ganze sicher über eine Stunde dauert.

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now