Kapitel 15

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Ich stehe vor der Tür zum großen Ballsaal. Ich hole noch einmal tief Luft, bevor ich auf die Wachen zugehe, die mir die Türen aufhalten. Ich betrete den Saal und bleibe neben dem Zeremonienmeister stehen, der die Namen der Neuankömmlinge laut den Gästen zuruft, damit sie wissen, wer da gerade zur Tür hereinkommt. Danach erst dürfen diese die geschwungene Treppe in den Saal hinunterschreiten.

Everia hat mir am Nachmittag ein wunderschönes Kleid aus ihrem Schrank vorbeigebracht. Ansonsten hätte ich nicht die passende Kleidung für einen Ball im königlichen Schloss gehabt. Mit Jeans und T-Shirt würde ich sicher auffallen, denke ich belustigt.

Jelena wollte getrennt zum Ball gehen. Die Prinzessin hat mir verraten, dass ihr Vater sie in den Saal schmuggeln wolle. Er möchte seiner Tochter nicht die Show stehlen und Jelena erst vorstellen, wenn die Verlobung der Prinzessin bereits bekanntgegeben wurde. Das wird sicher ein interessanter Abend.

„Königin Aurora aus dem Reich der Mitte und des Südens", brüllt der Zeremonienmeister plötzlich neben mir.

Ich werde dadurch aus meinen Gedanken gerissen. Was hat der Mann sich nur dabei gedacht, mich als Königin zu bezeichnen. Ich wollte als einfacher Gast den Ball besuchen. Doch jetzt ist es schon passiert.

Ich straffe meine Haltung, hebe den Kopf und versuche so majestätisch wie möglich die Treppe hinabzuschreiten. Unten wartet bereits König Xerius und reicht mir die Hand, die ich galant nehme und mir auch den vorgeschriebenen Kuss auf den Handrücken schmatzen lasse.

Ich komme mir vor, wie in einer anderen Welt. Genau genommen bin ich in einer solchen. Zu meinem früheren Leben passt so etwas ganz und gar nicht. Wenn meine Mitschüler mich jetzt sehen könnten. Dort war ich meist das unscheinbare Mädchen, das keiner mit sonderlich viel Beachtung bedacht hat. Nur Lea war immer an meiner Seite und mir stets eine gute Freundin.

Im Saal ist es still geworden, alle mustern mich. Es ist mir peinlich, so im Mittelpunkt zu stehen, aber ich habe meine Rolle zu spielen. Ich bin nun eine Königin. Xerius bietet mir den Arm an und ich hake mich bei ihm unter. So führt er mich zu einer Gruppe von Männern.

„Aurora, darf ich Euch meine Berater vorstellen?", meint er.

„Keine Frau?", frage ich spontan.

Erst als ich es schon gesagt habe, wird mir bewusst, dass es nicht ganz so höflich war, dies gleich als erstes rauszuhauen. Die Männer blicken auch etwas verlegen drein.

„Ich weiß, Ihr tretet für die Rechte der Frauen ein", meint der König entschuldigend. „Bei uns sind die Gepflogenheiten noch etwas anders."

„Ich komme aus einer Welt, in der Männer und Frauen gleichgestellt sind. Es funktioniert noch nicht in allen Bereichen, aber man ist zumindest schon so weit, dass beide prinzipiell die gleichen Rechte haben.

Dabei bin ich dagegen, dass sich Männer und Frauen als Gegner oder Gegensätze sehen, sie ergänzen sich. Deshalb finde ich es auch gut, wenn Frauen in den verschiedenen Gremien vertreten sind. Sie bringen durch ihr Denken und ihre Situationen andere, ergänzende Sichtweisen ein."

„Ich kann Eure Überlegungen verstehen", pflichtet mir einer der Berater bei. „Ich bin Severin und für die Finanzen zuständig."

Er hält mir dabei die Hand entgegen, die ich gerne nehme. Ich schätze ihn auf Mitte 20. Auf jeden Fall kommt er mir sehr jung vor.

„Freut mich. Sie sind noch sehr jung."

„Er ist gut auf seinem Gebiet", meint sofort der König.

„Das kann ich mir vorstellen", lächle ich. „Sonst hättet Ihr ihn nicht zu Eurem Berater gemacht."

Legenda Major - Aurorae MundiWhere stories live. Discover now