Kapitel 2

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Jamila

Nachdem ich eine halbe Stunde auf Netflix gesucht habe was ich gucken könnte bin ich irgendwie müde geworden. Meine Augenlider werden schwer und ich schlafe ein. Durch das Schreien meines Vaters werde ich wieder wach. Ich stehe auf gehe ins Wohnzimmer um nachzusehen was los ist. „Hallo, was ist los?" „Deine Schwester ist los!", schreit er und geht in sein Schlafzimmer. Ich gucke auf die Uhr einundzwanzig Uhr.

Oh mein Gott. „Sag mir nicht du bist erst gerade nachhause gekommen.", frage ich Dunya. „Doch, aber ich schwöre es dir ich habe nicht auf die Zeit geachtet. Meine Freunde und ich haben so viel geredet und gelacht das wir die Zeit vergessen haben. Bis Baba mich dann angerufen hat.", antwortet sie mit einer zittrigen Stimme. Dann verlässt sie das Wohnzimmer und geht in unser Zimmer.

Ihr denkt euch bestimmt gerade einundzwanzig Uhr ist doch gar nicht so spät. Tja, bei uns leider schon nicht mal ich darf im Winter bis einundzwanzig Uhr raus und ich bin achtzehn Jahre alt. Viele denken, dass das was mit dem Islam zu tun hat, doch eigentlich ist das eine Kulturelle Sache. Meinem Vater wurde das früher so beigebracht, dass Mädchen früher nachhause müssen, weil es draußen so gefährlich ist.

Für mich ist das nicht so ein großes Problem, da ich sowieso nur selten das Haus verlasse. Aber für Dunya spielt das eine große Rolle. Es beeinflusst ihr Leben sehr stark, da ihre Freunde das nicht so kennen und es schwer ist das zu erklären.

Die Stimmung in unserer Wohnung war immer noch angespannt was dazu führet, dass jeder allein zu Abend isst. Ich mache mir nur eine Schüssel Cornflakes und gehe dann wieder in mein Zimmer. Ich überlege ob ich Grace fragen soll ob sie morgen wieder in die Schule kommt. Doch ich entscheide mich dagegen. Plötzlich bekomme ich eine Nachricht.

@Tyran.fr gefällt dein Beitrag

Ach du heilige Scheiße. Als ich Instagram öffnen wollte, um zu gucken ob ich auch richtig gelesen habe. Verschwindet die Nachricht auch schon wieder. Er hat mein Bild ausversehen geliket. Warte er hat mich gestalkt. Ich öffne sein Profil. Nur ein Beitrag mit zwei weiteren Jungs drauf. Einmal der Junge aus der Cafeteria und noch einen anderen Jungen mit blonden lockigen Haaren. Den habe ich noch nie gesehen.

Ich klicke auf das Profil des Cafeteria Jungen. @I.evans sein Name fängt also mit I an. Aber nirgends auf seinem Profil erwähnt er seinen ganzen Namen. Keine Beiträge nur ein Highlight mit einem Gitarren Symbol. Ich klicke drauf und es öffnet sich eine Video wo er Gitarre spielt. Ich gucke wem er so folgt.

Er folgt ein Paar Mädchen und sonst nur Jungs darunter Tyran und der andere Junge. Aber wieso interessiert mich das eigentlich? Ich lege mein Handy weg und versuche meine Hausaufgaben zu machen. Doch dann höre ich wie Baba und Dunya erneut streiten. Ich schließe die Tür und mach weiter. Fertig mit meinen Hausaufgaben. Ich verrichte nur noch mein Abend Gebet und lege mich dann schlafen.

Meine Wecker klingelt wie jedes Mal um sieben Uhr und reißt mich aus dem Schlaf. Die anderen sind schon wach. Ich ziehe mich an und gehe in die Küche, um ein Kleinigkeit zu essen.

Dann gehen Dunya und ich zum Bus. Da wartet auch schon Grace an der Bushaltestelle. „Hey, du bist wieder da.", begrüße ich sie. „Hey, ja mir geht es wieder besser hatte schon Angst, dass ich Magendarm habe." „Oh ja, Magendarm wäre echt schlimm gewesen." „Und wie war der Mathe Test ?" „Naja, hätte besser sein können. Drei Seiten voll mit Aufgaben. Ich habe mein Leben an mir vorbeiziehen sehen." „Oh, das kann etwas werden."

Ich überlege ihr das mit Tyran zu erzählen, aber ich möchte sie nicht verletzen, weil sie so sehr von ihm schwärmt. „Und ist irgendwas passiert während ich nicht da war?" „Ja, dieser Tyran von dem du immer redest ist in Mr. Clanes Musik Unterricht vom Stuhl gefallen." Sie fängt an so laut zu lachen, dass die ganzen Menschen an der Bushaltestelle zu uns rüber gucken. Dunya und ich schauen uns an und müssen auch anfangen zu lachen.

Dann kommt endlich der Bus und wir steigen ein. In der Schule angekommen verabschieden Grace und ich uns von Dunya und gehen zu unserem Klassenraum. Mathe bei Mrs. Walcott. Als ich den Klassenraum betrete sehe ich Tyran direkt vorne in der ersten Reihe. Neben ihm ist ein Platz frei der Cafeteria Junge ist wohl heute nicht da.

Die vier Stunden vergehen und wir machen uns schon wieder auf den Weg nachhause. Heute habe ich beschlossen zum See zu gehen und das neue Buch zu lesen was seit einem Monat in meinem Regal steht.

Nachdem ich kurz Zuhause war, um meine Sachen abzulegen wollte ich mein Buch nehmen und direkt zum See gehen. Bis mein Vater mich aufgehalten hat „Nimm Bilal mit!" Eigentlich habe ich keine Lust, denn Bilal ist erst fünf und kann manchmal ziemlich anstrengend sein, aber ich wollte ihm nicht wieder sprechen. „Bilal komm. Nimm dein Ball mit." Bilal und ich gehen zum See. Der See ist nur fünf Minuten von unserer Wohnung entfernt. Dort ist auch eine große Wiese wo Bilal immer gerne mit seinem Ball spielt.

Ich setze mich direkt vor den See und lese mein Buch. Irgendwann bin ich so in meinem Buch vertieft, das ich ganz vergessen habe nach Bilal zusehen. Ich stehe auf, um nach ihm zu schauen, doch er ist nirgendwo zu sehen. Fuck. „BILAL!", schreie ich durch den ganzen Park doch weit und breit kein kleines Kind mit braunen locken zu sehen. Was soll ich denn jetzt machen?

Ich gehe den See entlang und suche überall. Nach einer halben Ewigkeit sehe ich dann einen großen blondhaarigen Jungen mit einem Kleinen Kind auf mich zu kommen. „Bilal! Ich habe dich überall gesucht.", sage ich erleichtert und bedanke mich bei dem Jungen dafür, dass er ihn gefunden hat.

Bis ich schließlich realisiere, dass es der Cafeteria Junge ist. „Ey, du bist doch das ruhige Mädchen.", sagt er mit einem leichten Grinsen. Peinlich. „Ja, und du bist der Cafeteria Junge." „Cafeteria Junge. Ein echt Interessanter Spitzname. Ich bin Isaac und du bist?" Soll ich ihm jetzt meinen Namen verraten. „Das ist meine Schwester Jamila.", übernimmt Bilal für mich. „Ah, Jamila also du bist mir nie in der Schule aufgefallen. Liegt wohl daran, dass du nie sprichst." „Bist mir auch nie aufgefallen und ich spreche nur mit Menschen, mit denen es Wert ist zu sprechen." „Bin ich es Wert mit dir sprechen zu dürfen?", fragt er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Was ist das denn für einer. „Höchst wahrscheinlich nicht." „Okay, dann vielleicht nächstes Mal, Jamila."

Und dann war er auch schon verschwunden. Wie merkwürdig war das denn gerade. Er ist auf jeden Fall kein Amerikaner das konnte man an seinem leichten britischen Akzent raus hören. Aber wieso interessiert es ihn wer ich bin? „Können wir nachhause gehen?", fragt mich Bilal. „Ja, können wir, aber wehe du läufst mir wieder weg."

Auf dem Weg nachhause sehe ich wie Isaac ein Haus betritt was nur ein paar Straßen weiter von unserer Wohnung ist. Hoffentlich sieht er mich nicht. Das alles war schon peinlich genug. Zuhause angekommen sehe ich wie Dunya und Baba auf der Couch liegen und einen Film zusammen schauen. Scheint so als hätten sie sich wieder versöhnt.

Ich gehe in mein Zimmer und lese das Buch weiter. Bis ich irgendwann einschlafe und von meiner Mutter träume. Sie schreit und schreit immer lauter. Ich schließe mich im Zimmer ein und weine. Mein Vater schreit auch. Dann Stille.

Es gibt kein Happy End für uns. Where stories live. Discover now