Kapitel 10

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Jamila

Er wollte mich Küssen ohne Vorwarnung. Und ich habe ihn wegeschubst. Wie peinlich. Aber ich kann ihn nicht küssen. Abgesehen davon, dass er kein Muslim ist sind wir nicht verheiratet und vor der Ehe darf man sich weder Küssen noch ihr wisst schon was miteinander machen.

Auch wenn ich zugeben muss, dass ich ihn schon gerne geküsst hätte. Er ist zwar genau das Gegenteil von dem was mein Vater und mein Bruder sich für mich wünschen. Und was ich mir mein ganzes Leben lang gewünscht habe. Beziehungsweise geglaubt mir gewünscht zu haben.

Wenn ich jetzt so drüber nach denke ist er das was ich mir schon immer gewünscht habe.

Ein Junge, der mich so mag und akzeptiert wie ich bin.

Und ich habe ihn abgewiesen. Wie dumm von mir. Jetzt denkt er bestimmt ich wäre eines dieser Mädchen die voll verklemmt sind und nie etwas mit einem Jungen anfangen würden, weil sie Angst haben etwas falsch zu machen. Okay also eigentlich ist das nicht ganz so falsch.

Ich habe Angst etwas falsch zu machen. Mein ganzes Leben lang hatte ich Angst etwas falsch zu machen. Ich wollte immer nur die perfekte Tochter sein, weil mein Vater schon genug Probleme hat.

Aber dieses Mal kann ich das nicht. Es ist schon geschehen. Ich habe mich verliebt und das lässt sich nicht mehr rückgängig machen.

Oh Man. Das wird ein großes Chaos. Aber ich kann meinem Herz nicht befehlen jemand anderen zu lieben. So sehr ich es auch will.

Ich sitze nun schon seit einer Stunde hier auf der Bank am See und denke darüber nach was eben geschehen ist. Ich habe es nicht geschafft nachhause zu gehen. Um ehrlich zu sein will ich das auch gar nicht.

Mein Vater hat es nämlich nicht geschafft die Ärzte umzustimmen. Nach dem er von der Klink zurück gekehrt ist hat er meinen Bruder Sami angerufen und ihm alles erzählt.

Er hat ebenfalls versucht die Ärzte umzustimmen, doch es ist unmöglich.

Dunya und Bilal sind bei Salima, da mein Vater nicht wollte, dass sie ihn so sehen.

Und ich bin hiergeblieben. Ich habe meinem Vater gesagt, dass ich etwas ruhe brauche und er hat es verstanden. Auch wenn er mich gerade vielleicht braucht. Ich könnte sowieso nichts für ihn tun. Ich würde anfangen zu weinen und alles nur noch schlimmer machen.

Die Ärzte haben uns gesagt, dass meine Mutter in einer Woche abreisen wird. Wir sollen uns in der zwischen Zeit ums Packen kümmern und uns auf den Abschied vorbereiten.

Ich bin definitiv nicht dazu bereit und ich werde es auch niemals sein.

Ich weiss nicht was sie in diesem Krankenhaus erwarten wird, aber eins weiss ich es wird sie nicht wieder Gesund machen. Es wird alles nur noch schlimmer machen.

Ich nehme die Gänseblume die Isaac mir geschenkt hat und mache mich auf dem weg nachhause.

Gänseblümchen waren die Lieblingsblumen meiner Mutter. Er hat mir nun schon zwei Mal welche geschenkt. So als wüsste er was für eine große Bedeutung sie für mich haben. So als wäre da eine Verbindung zwischen uns. Eine Verbindung die aber nicht bis in die Ewigkeit halten kann. Eine Verbindung, die viele Umwege gehen müsste, um weiter zu bestehen. Eine Verbindung, bei der mein Kopf mir sagt, ich müsse sie trennen. Doch mein Herz will sie weiter halten.

Mein Herz will auch einfach weg von hier. Weg von dem Ort an dem meine Familie und ich nur schmerzen erleiden mussten. Weg von dem Ort der uns ständig an die Vergangenheit bindet. Und neu anfangen. Wie sehr wünsche ich mir ein Leben ohne Schmerz oder Leid. Ein Leben in dem ich vielleicht ein anderer Mensch hätte sein können.

Es gibt kein Happy End für uns. Where stories live. Discover now