Kapitel 5

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Jamila

Heute vergeht der Unterricht wieder unglaublich langsam. Grace musste schon früher gehen, da sie einen Termin hat. Ich muss jedoch noch eine Stunden hier rumsitzen. Gerade ist Pause und als ich mein Buch weiterlesen wollte. Steht Isaac plötzlich vor mir. „Hey. Möchtest du dich zu uns setzen?", fragt er mich. Ich schaue nach hinten und sehe Tyran an einem Tisch.

Er sieht sehr ungeduldig aus. „Ehm. Ja okay warum nicht?", sage ich schließlich. Und folge ihm dann zu seinem Tisch. „Heyyy.", sagt Tyran. „Hallo." Es ist unangenehm still.

Ich überlege ob ich das Gespräch beginnen soll. „Isaac wann warst du eigentlich das letzte Mal bei Chris?", fragt Tyran plötzlich. „Vor einer Woche. Seine Mutter meinte ich soll nicht so oft kommen damit er sich besser ausruhen kann." „Ehrlich was ist das denn für eine?" „Das habe ich mir in dem Moment auch gedacht, aber vielleicht hat sie auch irgendwie recht." „Bullshit. Wir sind seine Freunde. Wir müssen dabei sein, wenn er aufwacht." „Ja stimmt schon, aber vielleicht ist es besser so."

Ich würde echt gerne wissen was mit diesem Chris passiert ist, aber ich traue mich nicht sie zu fragen. Das Klingeln beendet die Pause und wir gehen zu unserem nächsten Unterricht. Tyran versucht die ganze Zeit mich wegen der Band umzustimmen. „Komm schon Jay.", sagt er. Jay? „Okay okay ich überlege es mir nochmal.", sage ich nur damit er aufhört mich zu nerven. Auf dem Weg zum Klassenzimmer redet Isaac kein einziges Wort mehr mit uns. Es scheint als würde er tiefgründig über etwas nachdenken.

Er hat leichte Sommersprossen und seine Augen sind Dunkelblau wie wenn man auf den Abgrund des Meeres schaut. Seine Augen spiegeln eine gewisse leere wieder,  als hätte er schon sehr viel erlebt. Ich merk das, weil es bei mir nicht anders ist. Ich habe manchmal so plötzliche Gedanken an die Vergangenheit mit meiner Mutter als sie noch gesund war oder welche als sie krank wurde. Die Erinnerungen an die Zeit als sie noch gesund war verblassen aber stück für stück und geraten in mein Unterbewusstsein. Wir Besuchen sie immer nur alle zwei Monate, da die Ärzte sagen, dass es nicht gut für sie ist sie oft zu besuchen. Die Ärzte und Therapeuten versuchen zu ihr durchzudringen, aber es ist beinahe unmöglich.

Meinen Vater nimmt das unglaublich mit. Dunya und ich haben gelernt damit zu umzugehen, jedoch nimmt mich das mehr mit als manche denken. Mein Vater weiss nichts von meinen Nächtlichen Nervenzusammenbrüchen. Niemand weiss davon was. Dunya hört manchmal wie ich weine, aber ich sag ihr immer das es wegen einem Manga oder einem Buch ist. Das ist aber gelogen ich weine oft wegen meiner Mutter und wegen unserem Leben was sich so geändert hat. Wir waren so eine glückliche Familie. Und mich zerstört einfach die Tatsache, dass wir nicht wissen warum meine Mutter so geworden ist wie sie jetzt ist.

Ich knalle beinahe gegen Isaac als ich das Klassenzimmer betreten möchte und er aus dem Klassenzimmer rauskommt. „Wir haben frei der Lehrer ist nicht da.", sagt er ruhig. „Achso. Danke.", sage ich erleichtert. „Kein ding Jamila."

Er spricht mich so oft mit meinen Namen an und dafür, dass er kein Marokkaner ist kann er meinen Namen gut aussprechen. Es hört sich irgendwie so bekannt an, wenn er meinen Namen sagt, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen.

Als ich ihn gerade fragen wollte ob wir zusammen nachhause gehen wollen, ist er schon weg. Tyran war glaub ich schon die ganze Zeit weg. Er hatte anscheinend schon von Anfang an vor die letzte Stunde zu schwänzen.

Ich bin mit Sami im Einkaufzentrum wir wollten uns Dekoration für seine Hochzeit anschauen, denn Salima ist zu beschäftigt mit den Einladungen und da Sami kein plan von sowas hat, hat er mich gebeten mitzukommen. Wir haben lange nichts mehr zu zweit gemacht, dass macht mich irgendwie glücklich.

Wir gehen in den Dekorationsladen im oberen Geschoss des Einkaufszentrums. Hier gibt es so viel Auswahl ich weiss gar nicht wo ich anfangen soll. Sami schaut mich verwirrt an und sagt „Jamie ich weiss wirklich nicht was gut aussieht. Ich will Salima nicht enttäuschen." „Wir finden schon was passendes.", sage ich überzeugt, um ihn etwas aufzumuntern.

Wir gehen weiter rein und ich sehe eine Abteilung wo alles Gold ist. Gold ist die perfekte Farbe für eine Hochzeit und da es die Hochzeit von meinem Großen Bruder ist muss sie etwas Besonderes sein. Die Hochzeit wird nicht besonders groß deswegen kümmern wir uns selbst um die Dekoration etc.

Ich schaue mich um und sehe Goldenes Besteck, Vasen mit goldenen Fake Rosen, Lichterketten, Bezüge für die Stühle und passende Tischdecken mit minimalen Goldenen Verzierungen. Ein Paradies. „Gold Sami Gold. Das ist es." Er sieht sich die Sachen an und ist auch begeistert. „Jamie du bist genial!", sagt er mit einer großen Freude. Er Fotografiert die Sachen ab, um sie später Salima zu zeigen. Auf die Preise hat er gar nicht geachtet, denn er verdient genug.

Wir verlassen das Geschäft. Der Ausgang ist voll mit Menschen. Als ich gerade den Laden verlassen wollte bleibt meine Tasche an der Tür Hängen und ich schaffe es nicht sie los zu reißen. „Warte ich helfe dir." Höre ich eine Jungen Stimme sagen. Der Junge hilft mir und ich verlasse den Laden. Sami wartet schon auf mich. Als ich mich umdrehen will, um dem Jungen zu danken schaue ich in dunkelblaue Augen und weiss sofort wer es ist. „Danke dir." „Kein ding Jamila." Schon wieder.

Er ist mit einer Frau unterwegs. Sie sieht so aus als wäre sie um die Vierzig Jahre alt und hat die gleichen Augen wie Isaac. Bestimmt seine Mutter. Sie sieht mich mit einem irgendwie gezwungenen freundlichen Blick an. Dann winkt mir Isaac noch zu und geht mit seiner Mutter in den Dekorationsladen, den Sami und ich gerade verlassen haben. „Wer war das?", sagt Sami mit voller Neugier. „Nur ein Klassenkamerad.", sage ich. „Aha nur ein Klassenkamerad also." Er glaubt mir nicht. „Ja oder vielleicht eine neuer Freund. Ich weiss es nicht." Ich weiss es halt wirklich nicht. Sind Isaac und ich befreundet oder sind wir nur Klassenkameraden?

„Freunde. Das ist doch eine gute Nachricht.", sagt er stolz. Und ich dachte schon er würde komplett ausflippen, weil es ein Junge ist. „Das freut mich ehrlich, dass du einen neuen Freund gefunden hast, Jamie.", das sagt er aufrichtig. „Danke." Auf dem Weg zu Samis Auto fragt er mich über Isaac aus. Und ich erzähle ihm alles. Das mit der Band, dem See und alles was seit unserer ersten Begegnung in der Schule passiert ist. Und irgendwie passiert es mir, dass ich während ich von Isaac erzähle die ganze Zeit über lächeln muss. Das bemerkt Sami.

Ich habe schon lange nicht mehr so tiefgründig mit meinem Bruder geredet. Es tut so gut ihm alles erzählen zu können. „Scheint so als würde der Junge dich mögen, aber er ist noch ein wenig schüchtern dir das richtig zu zeigen.", sagt er überzeugt. „Das kann sein, aber ich bin gerade auch nicht viel besser was das angeht." „Das wird schon.", sagt er und legt seinen Arm um mich. Er fährt mich zurück nachhause, denn es wird langsam spät.

Ich liege in meine Bett und checke mein Handy, da sehe ich das Tyran mir auf Instagram gefolgt hat. Ich folge ihm zurück und klicke nochmal Isaacs Profil an. Er hat einen Story post. Ich will sie zu gerne öffnen, aber das wäre komisch, ohne ihm zu folgen. Soll ich ihm folgen oder nicht? Ich meine was habe ich zu verlieren. Grace tut das doch ständig. Mein Daumen schwebt mehrere Sekunden lang über den Folgen Button bis ich mich dazu entscheide es zu tun. Nach drei Minuten hat er mir auch schon zurück gefolgt. Das ging aber schnell. Ich schaue mir seine Story an. Ein schwarz-weißes Bild von seiner Gitarre mit dem Spruch anger.is often grief that has been silent for too long. Der ist deep. Ich wusste, dass es ihm nicht so gut geht. Ich würde zu gerne wissen was er durchgemacht hat. Ich überlege auf seine Story zu antworten, aber irgendwie traue ich mich nicht. Ich lege mein Handy weg und drücke meine Kissen ins Gesicht. Warum traue ich mich nicht? Da ist so ein komisches Gefühl was mir sagt ich soll es tun. Aber nein...

Es gibt kein Happy End für uns. Where stories live. Discover now