Kapitel 24

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Jamila

Drei Monate ist es her seit dem Isaac nach England geflogen ist. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Das ist aber auch besser so. In der Zeit habe ich versucht mich auf mich selbst zu konzentrieren und mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ich kann ja schließlich nicht ewig trauern.

Ich habe letzten Monat versucht Tarik eine Chance zu geben, aber auch nur um meinen Vaters willen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass er nicht zu mir passt. Mein Vater hat das natürlich akzeptiert. Tarik und ich haben uns seitdem auch nicht mehr wiedergesehen. Er hat meine Entscheidung akzeptiert und mir das beste gewünscht. Er hat sogar gesagt „Ich hoffe Isaac konvertiert und ihr könnt glücklich werden, denn nach all dem was du durch gemacht hast, hast du das mehr als nur verdient." Dann gab er mir einen Kuss auf die Hand und ging. Irre, oder?

Ich habe sogar eine Job gefunden in der Bibliothek wo auch sonst. Ich suche nämlich noch einen Studienplatz. Ich habe mich dazu entschieden Literatur zu studieren und irgendwann ein eigenes Buch zu schreiben.

All das ist innerhalb von drei Monaten passiert. Ist doch schonmal ein Anfang, oder?

„Jamilaaaa!", ruft mich meine Schwester. „Komm ganz schnell. Es geht um Mama."

Mein Herz macht einen Satz als ich diese Worte höre. Was bedeutet das? Geht's ihr gut?

Ich merke schnell wie nervös ich werde und falle fast die Treppen runter als ich losrenne.

„Was ist los?", sage ich mit einer zittrigen Stimme.

Mein Vater lächelt mich an. „Sie haben etwas über deine Mutter rausgefunden." Ich fasse es nicht.

„Sie hat einen Brief geschrieben über ihre Vergangenheit. Er ist aber nur an dich adressiert und sie möchte auch das erstmal nur du ihn liest." Heilige Scheisse. Sorry

„Okay okay.", sage ich aufgeregt.

Der Brief liegt auf dem Tisch. „Geh ruhig in dein Zimmer und lies ihn in ruhe durch.", äußert mein Vater.

Ich nehme den Brief und gehe in mein Zimmer. Meine Hände zittern wie verrückt.

Auf dem Umschlag steht ganz klein meine Name drauf.

Ich öffne den Brief er ist nicht sehr lang und es sieht aus als hätte meine Mutter beim Schreiben gezittert.

Salam Jamila

Es tut mir so leid, dass ich erst jetzt sagen kann was ich schon die ganze Zeit über sagen wollte.

Ich war gefangen in meinem Kopf doch heute als ich aus dem Fenster geguckt habe sah ich eine Wiese voll mit Gänseblumen und musste an dich denken wie du immer durch Wiesen voller Gänseblumen gerannt bist. Diese Erinnerung hat mich wieder in die Realität zurückgebracht.

Ich sage dir vorab, dass meine Vergangenheit sehr schlimm ist also, wenn du dich nicht dazu bereit fühlst das zu lesen dann gib den Brief doch lieber Baba.

Ich überlege kurz ob das ganze nicht doch zu heftig ist, aber ich lese den Brief trotzdem. Ich will endlich eine Antwort.

An einem Tag als ich von der Schule zurückkam, da war ich 11 war es ganz still im Haus und ich wusste nicht warum, denn meine Eltern arbeiteten nicht an diesen Tag sie hatten frei. Ich schrie durch die ganze Wohnung und rannte ins Schlafzimmer meiner Eltern, weil ich merkte das irgendwas nicht stimmte.

Als ich ihm Schlafzimmer ankam fand ich meine Eltern erstochen im Bett und einen großen Mann über ihnen. Als er mich weinen sah rannte er weg.

Ich ging zu meinen Eltern, doch ich rutschte aus und fiel in das Blut.

Die Nachbarn hatten einen Krankenwagen gerufen. Die Sanitäter versuchten auf mich einzureden, doch ich konnte nichts anderes sehen als Blut. Ich war in einer Schockstarre gefangen und als ich wieder zu mir kam fand ich mich in einem Waisenhaus wieder. Ich konnte mich an nichts erinnern. Ich habe alle verdrängt bis zu dem Tag im Park als Bilal hinfiel und ich das Blut fließen sah. In dem Moment kamen alle Bilder wieder vor mir und ich sah den Mann wieder vor mir. Ab diesem Tag durchlebte ich meine Kindheitserinnerung immer wieder wieder und wieder in meinem Kopf. Der Mörder meiner Eltern besuchte mich in meinen Albträumen und ich wusste nicht wie ich aus diesen Träumen entfliehen sollte. Irgendwann hörte ich auf zu kämpfen, denn keiner hörte mich schreien.

Heute als ich die Gänseblumen sah musste ich an all die schönen Momente mit dir denken.

Jamila du hast mich gerettet.

Danke.

Das Blatt ist ganz nass von meinen Tränen. Ich kann nicht aufhören zu weinen. Ich schreie und weine vor schmerz und vor Freude.

Ich wusste nicht was meine Mutter all die Jahre durchgemacht hat. Wie schlimm muss es sein so etwas als Kind zu erleben.

Mein Vater kommt hoch und nimmt mich in den Arm mehr kriege ich nicht mit, denn ich habe eine Panickattacke und im nächsten Moment wird mir schwarz vor Augen.

Als ich wieder aufwache befinde ich mich im Krankenhaus. Sami sitzt neben mir auf dem Bett.

„Du bist wach. Sie ist wach!", ruft er. Meine Schwester kommt rein und umarmt mich. „Wo ist Baba?", frage ich leise. „Er konnte nicht anders als den Brief zu lesen. Danach wurde er von der Klinik angerufen und die Ärzte haben ihm gesagt, dass Mama wieder angefangen hat zu sprechen er hat mich gebeten dich ins Krankenhaus zu fahren und ist danach sofort zu Mama gefahren. Sie kommt wieder hier in die Klinik. Ihr geht es gut Jamila. Ihr geht es besser. Alles wird wieder gut.", ihm rollt eine Träne über die Wange während er das sagt.

Und ich kann nicht aufhören zu lächeln.

Mein Mutter wird wieder gesund.

Dank Allah.

Es gibt kein Happy End für uns. Where stories live. Discover now