Kapitel 3

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Jamila

„Jamila. Jamila. Aufstehen!" Ich wache auf und sehe wie Bilal über mir auf meinem Bett steht. Er wirft mir ein Kissen auf mein Gesicht. „Na warte, dass kriegst du zurück." Ich renne ihm hinter her durch das ganze Haus. Bis ich ihn schnappe und ihm mein Kissen aufs Gesicht werfe. „Ha!", sage ich mit vollem Stolz.

Baba und Dunya sitzen bereits am Esstisch und warten auf mich. Heute ist Samstag da Frühstücken wir immer alle zusammen. „Sami kommt heute mit seiner Verlobten zu Besuch.", sagt Baba. „Jaaa!" schreit Bilal. „Dann kriege ich wieder Geschenke." Das ist das einzige worüber er sich freut.

Mein Bruder kommt in letzter Zeit nur selten, da er und seine Verlobte zu beschäftigt mit ihrer Hochzeit sind. Auf die Hochzeit freu ich mich ausnahmsweise mal, da marokkanische Hochzeiten unfassbar cool sind.

Als mein Bruder Sami noch bei uns Zuhause gelebt hat waren wir unzertrennlich. Man könnte sagen er war mein bester Freund, doch dann ist er ausgezogen. Ich find das bis heute noch echt schade, aber ich freue mich natürlich auch für ihn. Mein Bruder Sami sollte laut meinem Vater ein Vorbild für uns alle sein. Er praktiziert seine Religion mit großer Sorgfalt, hat einen guten Job und eine muslimische Frau.

Dieses Leben wünscht sich mein Vater für uns alle, aber Dunya zum Beispiel hat ganz andere Vorstellungen von ihrem Leben. Sie möchte Schauspielerin werden und irgendwann einen reichen Mann heiraten. Ein wenig übertrieben, aber nicht unmöglich. Und ich weiß noch immer nicht was ich nach meinem Abschluss machen möchte.

Nach dem Frühstück geh ich ins Badezimmer, um mich fertig zu machen. Danach räume ich mit Dunya die Wohnung auf. Da klingelt es schon an der Tür. Ich renne zur Tür. Als ich sie öffnen stand Sami mit einer großen Tüte da. Ich nehme ihm die Tüte ab und legen sie hin. Dann umarme ich ihn ganz fest. Er hebt mich hoch und sagt „Was ist denn los? War ich so lange weg?" „Ja.", murmele ich in seinen Pullover.

Dann begrüße ich die Frau. Sie heißt übrigens Salima und ist auch Marokkanerin. Das hatte ich vergessen zu erwähnen. Wir gehen ins Wohnzimmer und setzen uns auf die Couch. „Und Jamila wie läuft die Schule?", fragt mich Sami. „Ganz gut. Denke ich." „Denkst du?" „Ja wir haben unsere Tests noch nicht zurückbekommen."

Bilal kommt reingelaufen und springt auf Sami. „Hast du mir was mitgebracht?", sagt er. „Ja. Schau in die große Tüte." Er holt die Tüte. Darin befindet sich ein großes Spielzeug Auto mit Steuerung.

Dunya taucht dann auch auf und begrüßt Sami und Salima. Sie setzt sich zu mir. Wir reden und lachen den ganzen Nachmittag. Irgendwann als Salima mit Dunya in unsere Zimmer geht, um Make-up Looks auszuprobieren, Bilal im Flur mit seinem Auto spielt und mein Vater zum Beten in die Moschee gefahren ist.

Sitze ich mit Sami allein im Wohnzimmer. Es ist unangenehm still. „Und gibt es einen Jungen in der Schule der dich interessiert?", fragt er mich plötzlich. „Nein, du weißt doch ich habe außer Grace keine anderen Freunde." „Ja, ich mein auch nicht freundschaftlich.", sagt er und zwinkert mir zu. Ich muss leicht grinsen und sagen dann „Nein, gibt es nicht." „Schade.", sagt er mit einem enttäuschten Blick.

Salima und Dunya kommen wieder ins Wohnzimmer. Zusammen bereiten wir das Abendessen vor. Und als mein Vater wieder von der Moschee zurückkommt. Essen wir zusammen. „Ich freu mich so für dich Wuldi (mein Sohn)." „Danke Baba." „In sha Allah (wenn Gotte möchte) findet Jamila auch einen Freundlichen Marokkaner." Ein Marokkaner muss er meinetwegen nicht unbedingt sein. Hauptsache er ist Muslim. „In sha Allah.", sagt Salima schließlich. Wir essen zu Ende und verabschieden uns von Sami und Salima. Dann lege ich mich schlafen.

Das Wochenende ist vorbei und ich muss wieder in die Schule gehen. Montag haben wir Musik in der ersten. Grace und ich gehen zum Klassenzimmer. Sie wird direkt ganz nervös das merke ich an ihrem Gang. Denn ihr Schwarm Tyran sitzt auch schon da.

Isaac direkt neben ihm, aber er beachtet uns gar nicht. Tyran hingegen guckt uns solange hinter her bis wir uns hingesetzt haben. Wie unangenehm. „Oh mein Gott. Warum hat er uns so lange angeguckt?", flüstert Grace. „Ich weiß nicht."

Mr. Clane kommt rein. „So, heute singen wir endlich wieder." Ich freu mich innerlich, denn ich liebe es zu singen. „Isaac willst du uns mit der Gitarre begleiten." „Ja, kann ich machen.", sagt er demotiviert.

Wir singen Shape on you von Ed Sheeran. Ich vergesse kurz, dass ich im Klassenzimmer bin und singe etwas lauter. Alle drehen sich zu mir um und starren mich an. Wie peinlich. Ich singe wieder etwas leiser. Wir singen das Lied zwei mal.

Zwischendurch erzählt uns Mr. Clane etwas über Ed Sheeran. Und dann ist die Stunde auch schon vorbei. In der Pause suchen Grace und ich uns einen Tisch in der Cafeteria. Auf einmal kommt Tyran auf uns zu. „Hey, du hast echt eine schöne Stimme du solltest in unserer Band singen.", sagt er zu mir. „Tyran! Komm die macht das bestimmt nicht.", Ruft Isaac durch die ganze Cafeteria. „Sie macht das bestimmt gerne.", übernimmt Grace für mich.

„Was sagst du da.", flüstere ich Grace zu. „Bitte, dann kann ich mitkommen.", flüstert Grace. „Danke. Ich überlege es mir.", sage ich schließlich. Er lächelt und gibt mir sein Instagram. Dann geht er zurück zu Isaac. Was war das denn? „Oh mein Gott Jamie! Einfach Tyran hat dich gerade gefragt ob du in seiner Band singen willst. Du glückliche." „Ja, aber ich weiß noch nicht ob ich zusagen werde. Auch wenn du es dir so gerne wünschst. Ich meine ich kenne ihn doch gar nicht." „Ja, aber er ist doch nett. Vielleicht ist es langsam an der Zeit neue Freundschaften zu schließen." „Du weißt ganz genau, dass ich das nicht kann." „Ach, Jamie du kannst doch nicht dein ganzes Leben nur mit mir befreundet sein. Was damals passiert ist, ist Vergangenheit. Nicht alle Menschen sind falsch auf dieser Welt. Es sind bestimmt noch ein paar gute dabei.", sagt sie mit großer Überzeugung.

Sie hat recht, aber ich weiß nicht. „Ja, mal gucken. Ich mach mir mal Gedanken darüber." Sie lächelt und wir gehen zu unserem nächsten Unterricht. Der restliche Tag geht relativ schnell vorbei. Da sitze ich auch schon im Bus.

Ich habe meinen Vater angerufen und ihm Bescheid gesagt, dass ich nach der Schule in die Bibliothek gehe. Ich habe nämlich keine Bücher mehr. Und Geld, um mir welche zu kaufen habe ich auch nicht. Deswegen schau ich mal in der Bibliothek und leih mir dann eins aus. Die Bibliothek in der innen Stadt ist sehr groß und einer meiner Lieblingsorte. Ich zeige meinen Ausweis an der Informationsstelle vor und gehe dann hoch in den Roman Bereich.

Ich schaue mich bisschen um bis ich Das Schicksal ist ein Mieser Verräter von John Green gefunden habe. Das wollte ich mir sogar kaufen. Ich nehme das Buch und suche mir einen Platz am Fenster. Ich fange an das Buch zu lesen. Ich bin so in dem Buch vertieft bis ich einen lauten Knall höre.

„Scheiße!", sagt eine Jungen Stimme. Ich schaue nach. Es ist Isaac. Ihm sind die Bücher hingefallen. Sollte ich ihm helfen? Ich gehe zu ihm hin und helfe ihm dabei die Bücher aufzuheben. „Danke.", sagt er. „Gerne." Als ich wieder zu meinem Platz gehen wollte sagt er noch „Du hast wirklich eine schöne Stimme." „Danke.", sag ich leise und gehe wieder zu meinem Platz.

Habe ich so laut gesungen? Dunya sagt mir aber auch immer, dass ich singen kann. Eigentlich singe ich nur aus Spaß. Es wird langsam spät. Ich packe das Buch in meine Tasche und gehe raus. Während ich auf die Bahn warte Kauf ich Dunya und mir noch einen Energy Drink vom Kiosk und packe die auch in meine Tasche.

Dann kommen meine Bahn und ich steige ein. Ich such mir ein Platz am Fenster und lese mein Buch weiter. Isaac steigt auch in meine Bahn. Er setzt sich zwei Plätze vor mir hin.

Er trägt ein lila farbendes T-Shirt. Mir ist aufgefallen, dass er jeden Tag eine andere Farbe trägt. Er steckt sich seine Kopfhörer in die Ohren und schaut aus dem Fenster. Er sieht so traurig und gleichzeitig so friedlich aus.

Es gibt kein Happy End für uns. Where stories live. Discover now