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'Er ist da.'

Das war das Erste, was ich an dem Morgen vernahm.
Mein Mate, mein Erasthai war da.

'Er wurde in Tyler's Gebiet gesichtet', fuhr mein Vater, Ethan, fort.

'Wann? Mit wem? Wo?', stellte ich meine Fragen.

'Heute Morgen um 4 Uhr, mit einer kleinen Truppe von 10 Leuten und im Osten von seinem Gebiet, also zu Fuss genau 3 Stunden entfernt', erzählte mir der Alpha, was ich wissen wollte.

Angespannt blickte ich zu meinem Wecker, der auf meinem Nachttischchen stand.
05:55 Uhr.
Als Lykaner waren wir schneller als Werwölfe.
Er würde nur ca. 2 Stunden bis zu uns brauchen und das war jetzt zu wenig.
Einen kühlen Kopf bewahrend schlug ich die Decke von mir, packte meine Tasche und den Unsichtbarkeitsmantel und öffnete mein Fenster.

'Ich muss jetzt gehen, Papa. Er ist schneller. Ich hab dich und Dad lieb, vergesst das nicht', damit kelterte ich auf den Fensterrahmen und blickte in die schwarze Nacht, bevor ich sprang.

Mein schwarzes Haar wehte leicht im Wind und dann landete ich auch schon auf dem Boden. Einen letzten Blick warf ich auf mein Elternhaus, ehe ich fortschlich.
Doch ich kam nicht weit.
Kaum hatte ich das Gartentor erreicht, prallte ich gegen eine unsichtbare Wand, die aufleuchtete und mir somit zeigte, dass sie sich um unser Haus zog. Er hatte mich eingesperrt, was bedeuten musste, dass er Hilfe von einem Magier oder einer Hexe hatte. Ohne grosse Umschweife rannte ich zurück zum Haus, nahm sogar den Haupteingang und rannte zur Küche.
Fix holte ich mir ein Nudelholz und flitzte dann zu meinen Vätern ins Zimmer, wo ich mir die Kapuze vom Kopf zog.

«Rea, was machst du denn hier?», fragte Darwin besorgt, da ich schweratmend gegen die Tür gelehnt stand.

«Kyran», flüsterte ich, «Er hat einen Magier oder eine Hexe. Er hat eine unsichtbare Wand errichtet, die sich, so weit ich das erkennen konnte, um unser Haus zieht», erklärte ich hastig und meine Eltern begriffen sofort.

Die Türklingel erschreckte mich und ich zuckte zusammen. Doch Ethan schien, als hätte er nur darauf gewartet.
Festen Schrittes ging er zur Schlafzimmertür und riss diese beinahe auf, was verriet, dass er innerlich unruhig war.
Der Rubin an meinem Hals leuchtete auf und hastig versteckte ich die Halskette unter meiner Kleidung. Die Tatsache, dass sogar mein Rubin meinen Erasthai erkannte, machte mir Sorgen. Das konnte nichts gutes heissen.

«Oh, guten Morgen. Mein Name ist Ethan Whitetree, wie kann ich Ihnen helfen?», fragte mein Vater am Eingang und liess seine gesamte Macht in seine Aura fliessen.

«Guten Tag, Herr Whitetree. Ich bin hier um Ihre Tochter mitzunehmen. Sie ist meine Mate. Haben Sie eine Tochter?», kam der braunhaarige Lykaner direkt zur Sache.

«Ja, wir haben eine Tochter. Allerdings ist sie ein Mensch.»

«Schön, ich nehme meine Mate an, wie sie ist. Es ist mir gleich, sie könnte eine Kröte sein und ich würde sie lieben», die Worte berührten mich, bis ich merkte, dass er lauter als nötig sprach. Er tat nur so, er wollte mich herauslocken.

Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste da raus. Schweigend und auf leisen Sohlen nahm ich meine Tasche und packte das Nudelholz ein, bevor ich mir den Umhang überwarf und unsichtbar wurde.

«Tschüss, Dad», flüsterte ich und dann stieg ich aus dem Fenster meiner Eltern.

Sachte schlich ich im Garten voran, sah mir die Wächter genauestens an und wartet schliesslich vor dem Gartentor. Ein Wächter kam von draussen und ich musste nicht lange warten, da war er am Tor angelangt und öffnete dies. Meine Gelegenheit. Ich schlüpfte an ihm vorbei nach draussen und bemerkte, dass der Zauber wohl die Wächter irgendwie ausschloss, sodass sie ohne Probleme durch die unsichtbare Wand gehen konnten.

Kaum war ich draussen, ausserhalb meines Zuhauses, hatte die verdammte Wand hinter mir gelassen, rannte ich los. Ich rannte so schnell ich konnte.
Meine Kapuze fiel runter, doch das war mir egal. Ich war schneller, als der Wächter, der mir hinterher rannte.
Ich fühlte mich frei und stark und unbesiegbar, doch dann kam eine dicke Wurzel aus dem Nichts und ich stolperte.

Der Wächter kam bei mir an und hielt mich fest, drückte mich in den Boden, doch ich zückte mein Nudelholz und schlug ihm damit auf den Kopf. Sofort fiel er von mir, sackte bewusstlos in sich zusammen.
Schnell rappelte ich mich auf und rannte weiter.
Ich hatte fast das Ende unseres Territoriums erreicht, als ich gegen einen Baum prallte.
Unsanft plumpste ich auf den Boden, meine Jeans wurden noch dreckiger als ohnehin schon. Mir schossen Tränen in die Augen, das tat verdammt weh.
Eine Hand packte mich am Kragen und warf mich über eine Schulter.

«He!», stiess ich erschrocken hervor und sah zu der Person auf.

«Hi», sagte er nur und das brachte mich zum Kochen, «Du bist übrigens in mich reingelaufen, es ist also deine Schuld, dass du erwischt wurdest», meinte er in einem kühlen, neutralen Ton.
Was erlaubt sich dieser Kerl?!

«Lass mich sofort los, du Grobian!», schrie ich meinen Mate an.

«Damit du wieder wegläufst? Nein.»

Ich wollte mich so gern verwandeln, mich befreien und davon laufen, doch dann hätte er gewusst, dass ich kein Mensch war.

«Ich bin übrigens Kyran», stellte er sich unnötigerweise vor, «Wie heisst du?»

Ich schwieg, «Sag mir wie du heisst, du kleine Göre!», stur schüttelte ich den Kopf.

«Hopp, sonst nehme ich dich direkt mit, ohne, dass du deinen Eltern noch Lebewohl sagen kannst», seine Stimme war abweisend kalt.

«Andrea», meinte ich, «Andrea Whitetree.»

«Geht doch», grummelte er und trug mich schweigend weiter auf seiner Schulter rum.
Wenigstens konnte ich nach vorne sehen, doch meine Tasche hatte er in der anderen Hand und so kam ich nicht an mein Nudelholz ran. Schade.
Mein Zuhause kam in Sicht und er liess mich wieder runter, doch sein Griff um meine Hand war eisern. Er würde mich nicht loslassen.

'Er täuscht diese Freundlichkeit nur vor', meinte ich über den Mind-Link zu meinen Eltern.

'Ich weiss', erwiderte Darwin, 'Aber viel machen können wir nicht.'

Traurig liess ich den Kopf hängen. Es war also besiegelt. Ich würde mich von meinen Eltern verabschieden müssen und dann würde er mich mitnehmen.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt