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Leicht zitternd öffnete ich mein Fenster und holte den Vogel vom Fensterbrett, bevor ich die Nachricht von seinem Bein befreite. Es war hübsches Papier, zusammengehalten durch einen Ring, der mir nur allzu bekannt war. Es war der Ring, den ich damals an Kyrans Autoschlüsseln gesehen und abgemacht hatte, damit ich ihn nicht verlieren würde. Nun hielt er das Papier davon ab, sich aufzurollen.
Es ist also ein Ring für die offiziellen Dokumente.
Vorsichtig zog ich den Ring vom Papier und rollte es aus, um den Brief zu lesen.

Ich hatte den Brief noch nicht einmal zur Hälfte durchgelesen, da rief ich schon nach ihm, «Azrael!», die Information sollte so schnell wie möglich fliessen.

In wenigen Minuten stand er bei mir, «Bereite die Wächter und Truppen auf einen Zentralangriff vor!», befahl ich und bemühte mich, professionell und gefasst zu wirken.

«Zu Befehl!», schon rannte er davon, um die Wächter und Truppen zu informieren, während ich die Tür zuknallte und mich in die hinterste Ecke meines Büros verkroch, um den Brief erneut zu lesen.

Zukünftige Königin Rubinnas,

Ich, König Kyran von Saphirna, komme um Euch zu erobern. Erneut will ich Sie umgeben. Viel Zeit bleibt Euch nicht mehr, Euch vorzubereiten, meine Liebe.

Auf bald, Euer König.

Er hat uns den Krieg erklärt. Er kommt, um unser Land zu erobern und uns zu umzingeln, vielleicht sogar, um mich gefangen zu halten. Und was heisst Bitteschön 'nicht viel Zeit'? Zwei Stunden? Drei? Also nach Rubinna zu fliegen dauert knappe 4 Stunden, aber wie lange dauert es eine ganze Armee übers Meer zu fliegen?

'Sei still und mach dich lieber fertig, sonst ist er da und du hast ihn gar nicht bemerkt!', meckerte meine Lykanerin und ich stand seufzend vom Boden auf.
Jetzt konnte ich ohnehin nur noch das beste aus der Situation machen.

Einen tiefen Atemzug nehmend verliess ich mein Büro, um mir die traditionelle Kampfausstattung anzulegen, nur konnte ich sie nicht finden.
Da wird einem eine Ausrüstung zum Kampf und Krieg geschneidert und dann ist sie in der Kriegssituation noch nicht einmal auffindbar?
Unruhig sah ich mich um, bis ich eine Ausstattung fand, die zwar hübscher aussah als meine vorige, jedoch einen Zettel darauf kleben hatte, dass sie speziell für meinen ersten Kampf gemacht worden war.
Naja, wenn ich schon eine einzigartige Ausrüstung bekomme, dann will ich sie auch anlegen.
So stand ich nur eine Viertelstunde später in der Ausstattung, die es mir ermöglichte, mich sehr flexibel zu bewegen und dennoch unglaublich gut geschützt zu sein.
Da mir und meinem Königreich nicht länger viel Zeit blieb, zumal meine Mutter und Tante sich aus dem Staub gemacht hatten, um mir 'mehr Ruhe zum Arbeiten' zu geben, suchte ich Azrael erneut auf.

«Azrael!», schrie ich durch die Flure, versuchte ihn durch seinen Geruch zu finden.

«Hier, Eure Hoheit!», rief er und ich konnte anhand seiner Stimme ausmachen, wo er sich befand, nur um gerade noch mitzubekommen, wie er eine markierte Taube losschickte.

«Eine Taube?», fragte ich und mein Leibwächter zuckte zusammen, «An Euren Cousin, meine Königin. Sie sehen im übrigen glänzend aus», erklärte er hektisch und ich nickte langsam.

«Dankeschön», meinte ich zu seinem Kompliment, «Prinzessin, wie wäre es, wenn Sie die Wachen die Verteidigung übernehmen lassen?», fragte er und beugte sich ganz nah zu mir herunter, «Denn wenn du tot bist, hat Saphirna gewonnen», flüsterte er und ich schluckte.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, «Dann werde ich wohl oder übel im Thronsaal warten. Stellt eine Truppe von 30 vor meine Tür, nur zur Sicherheit.»

Azrael verneigte sich, gab mir zu verstehen, dass er meinen Befehl befolgen würde, während ich geradezu zittrig den Raum verliess. Nervös war nur noch der Vorname meiner Empfindungen, schliesslich hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde.
Was wenn er durch die Wachen durchkommt? Ich werde dann im besten Fall im Kerker landen, nicht wahr?
Von dort aus kann ich dann in aller Ruhe zuhören und mitbekommen, wie Sheila und Kyran heiraten, Kinder bekommen und vielleicht sogar Grosseltern werden. Ausserdem werde ich entweder neben Erik im Kerker schmoren oder er wird gefeiert, weil er das Land vor der unentdeckten Feindin gerettet hat.
Erschöpft liess ich mich auf dem Thron nieder, der bald meiner gewesen wäre, es nun jedoch nicht sein würde.

'Ach Mann, Nicole! Wenn du jetzt die Barriere durchbrechen könntest, wäre das ein super Timing', meinte ich, keine Antwort erwartend, sie feilte schliesslich schon an einer Lösung.

Tief atmete ich ein und aus, mir blieb noch Zeit, wenn auch nicht viel. Stumm fing ich an meine Muskeln zu dehnen, wenn Kyran dachte, dass ich mich ergeben würde sobald er eintrat, dann hatte er sich getäuscht. Ich würde kämpfen, und wenn ich von 100 Soldaten umgeben wäre. Ausserdem hatte ich einen Vorteil, ich kannte inzwischen die Hälfte der saphirnischen Armee und die Schwachstellen vieler Wachen, schliesslich hatte ich ihnen Methoden gezeigt, wie sie es besser machen könnten.

«Was genau machen Sie, Eure Hoheit?», riss mich die Stimme einer Wache aus meinen Gedanken, ich richtete mich sofort auf, «Ich dehne meine Muskeln, für den Kampf», erklärte ich dann und räusperte mich.

Sobald die Wache sich nichtssagenden umgedreht und vor meiner Tür positioniert hatte, machte ich weiter. Meine Hände berührten den Boden, während meine Beine gestreckt blieben. Das Ziel war es, so gestreckte und ausgewärmte Muskeln zu haben, dass ich mit meinem Kopf bei meinem Schienbein oder so ankam. Geschafft hatte ich das bisher noch nicht.
Aber man kann es ja mal versuchen. Wobei nein, versuchen ist das falsche Wort. Probieren. Versuchen heisst schliesslich auch gleichzeitig, dass man an was auch immer scheitert. Also probiere ich das jetzt.
Ich hörte, wie eine weitere Wache sich zu der ersten dazugesellte.
Ganz schön blöd, wenn man sich selbst im Kopf korrigiert, nicht? Wow, wie erbärmlich, jetzt führe ich schon wieder Selbstgespräche.

'Rea! Ich hab eine Lösung gefunden, es dauert an meinem Ende ungefähr eine halbe Stunde, aber dann hätten wir ein Portal', meldete sich meine Tante Nicole und ich wäre vor Freude fast in die Luft gesprungen.

'Ich komme dich holen, aber du musst nur einen Kreis malen und darin sechs Punkte, zu guter letzt muss du noch die sechs Punkte in schlangenförmigen Linien mit dem Mittelpunkt des Kreises verbinden und voilà du bist fertig!', schnell malte ich das Zeichen neben den Thron, damit es weniger in Gefahr lief, zerstört zu werden.
Mit was fragt ihr euch? Mit Blumentopferde. Die Pflanze stand grad so passed an der anderen Seite des Thrones.
Mit wem rede ich überhaupt? Einer imaginären Kamera?! Ach egal.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt