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Immer wieder wiederholte er die Worte in diesem grauenhaft besänftigenden Ton, «Er kommt ja gleich, alles wird gut, er ist auf seinem Weg», währenddessen fuhr er mit seiner, meiner Meinung nach viel zu warmen, Hand meinen Rücken auf und ab.

Nein, nichts wird gut. Er darf nicht herkommen. Ich will nicht, dass er herkommt. Nein, nein, nein!
Mein Schmerz, der von meinem Herzen ausging und seinen Ursprung in meiner Brust fand, gab mir die nötige Kraft, um aufzustehen.
Langsam richtete ich mich auf, Azraels Umhang fiel zu Boden, rutschte mir von den Schultern.

«Du wirst mir nicht folgen, bis ich weit genug entfernt bin. Das ist ein Befehl», meinte ich, meine Alphastimme hatte ich lange nicht mehr benutzt, doch sie tat ihre Wirkung, «Du wirst ausserdem niemandem weiterhelfen können, wenn sie nach mir suchen oder sonst nach mir fragen.»

Gequält sah mich der Braunhaarige an. Er war Teil meines Rudels, meines Königreiches und dadurch konnte ich meine Befehle mit voller Wirkung aussprechen.
Ich drehte mich einmal um mich selbst, es war niemand ausser uns beiden in Sicht- und Hörweite. Nun gewiss in Sicherheit fing ich an in eine beliebige Richtung zu gehen, weg vom Schloss. Erst lief ich nur, bald joggte ich und ehe ich mich versah rannte ich in eine Richtung von der ich nicht wusste, was mich erwarten würde.
Meinen Geruch verdeckte ich auch, damit würden sie mich nicht aufspüren können und nach einer Weile des Rennens, drosselte ich mein Tempo. Es würde lange dauern, bis sie zu mir aufholen würden, Kyran wäre schneller, doch da er mich nun nicht riechen konnte, würde auch er länger brauchen.

'Papa?', kontaktierte ich Ethan, 'Ich glaub ich stecke in der Scheisse.'

'Was ist denn passiert?', kam es sofort alarmiert zurück und die Sorge in seiner Stimme war unüberhörbar.

'Ich bin weggelaufen, hab Azrael einen Befehl erteilt, bin im Wald, im übertragenen Sinn und wortwörtlich', ich holte kurz tief Luft, bevor ich fortfuhr, 'und ich glaube ich habe mich in Kyran verliebt.'
Stille herrschte am anderen Ende der Verbindung.

'Und der letzte Teil ist schlecht, weil?', fragte er verwirrt.

'Er weiss immer noch nicht, dass ich die Prinzessin vom Feindesland bin!', zugegebenermassen fühlte ich mich schlecht, meinen Vater so anzuschreien, aber ich musste alles mal aussprechen.

'Hör zu, du bist doch ein schlaues Mädchen. Jetzt verwandelst du dich erstmal und gönnst deinem Lykaner etwas Auslauf, das hattet ihr wahrscheinlich lange nicht mehr. Und dann gehst du wieder zurück zum Schloss, wenn du dann noch deinen Frust abbauen willst, kannst du sicherlich mit den Wachen trainieren', ich nickte, atmete tief ein, dankte meinem Vater und verwandelte mich.

❥︎ ❥ ❥︎

Etwas mehr als zwei Stunden war ich als Lykaner durch den Wald gerannt, offensichtlich grösser als ein Werwolf, doch konnte ich mich gut im Wald tarnen. Als ich mich genug ausgetobt hatte, trat ich meine Heimkehr an. Geschickt fand ich den Weg zum Schloss zurück, hörte die Wächter meinen Namen rufen.
Er hat also lediglich die Wachen losgeschickt, um nach mir zu suchen. Toll.
Etwa einen Kilometer vor dem engsten Gebiets des Schlosses nahm ich mich wieder meine menschliche Gestalt an. Im Stoff meines Kleides waren Risse und es war so viel Dreck auf dem gesamten Kleidungsstück, dass es mir fast leid tat, aber nur fast.
Voll Selbstvertrauen liess ich den menschlichen Teil meines Geruchs wieder unverdeckt. Dann spürte ich auch noch einen Windhauch von hinten und wusste sofort, dass mein Geruch mit dem Wind in Richtung Schloss getragen wurde.

Wie ein Monster trat ich aus dem Wald, sofort wurde ich von Wachen umzingelt, einige kannte ich, andere nicht. Mehrere Pistolen zeigten auf mich, doch ich konnte nicht nervös sein, dafür war die Kälte, zu der ich mein Herz zwang, zu überwiegend.

«Im Namen des saphirnischen Königreichs bitten wir Sie unverzüglich mitzukommen», ihre Worte formulierten sie wie eine Bitte, dennoch war uns allen bewusst, dass es keine war. Es war ein Befehl.
Mitkommen soll ich also. Dann werde ich ja früher als gedacht eingesperrt.
Innerlich lachte ich ironisch auf. Was war das hier bloss für ein Chaos.
Ich setzte mich mit den Wächtern in Bewegung. Sie führten mich durch viele Geheimgänge des Schlosses, ich machte mir nicht die Mühe sie mir zu merken, bis wir schliesslich vor Kyrans Bürotür standen.

Einer der Wachen klopfte, «Herrein», seine Stimme war dunkel, wütend, dennoch traten wir alle ein.

Unsanft wurde ich auf den Sessel gedrückt, auf dem ich vor nicht allzu langer Zeit schon gesessen hatte, und Kyran entliess die Wachen mit einer Handbewegung. Stille herrschte im Raum. Ich wusste, würde ich jetzt etwas sagen, wäre ich tot. Ganz gewiss. So wütend, wie mir der Braunhaarige jetzt gegenübersass, hatte ich ihn noch nie erlebt. Schliesslich seufzte er tief.

«Du bist weggelaufen, Azrael konnte uns komischerweise nicht sagen, wo du bist, und riechen konnten wir dich auch nicht», es war nun klar, dass sein Mistrauen grösser denn je war.

«Was ist passiert?», seine Stimme war ruhig, doch der grollende Unterton, begleitet von dem lodernden Feuer in seinem Blick, war nicht zu ignorieren.
Ich räusperte mich, lügen konnte ich jetzt noch kaum, oder doch?

«Mir ist einfach alles zu viel geworden», fing ich an, «Es wird einfach alles immer realer mit der Krönung und damit, dass wir zusammen ein Königreich regieren sollen», ich zuckte ratlos mit den Schultern und zu meiner Überraschung legten sich zwei Arme von hinten um mich.

«Ich hab dich doch gebeten mit mir zu reden», seine Stimme war weicher, und obwohl ich die Wut noch heraushören konnte, wusste ich, dass diese Wut nicht mehr mir galt.

«Ich bin das nicht gewohnt, so eng als Team zu arbeiten», meinte ich schliesslich, wahrheitsgemäss, «In meinem Rudel habe ich vieles allein geregelt. Wenn jemand meine Position in Frage gestellt hat, dann habe ich diese Herausforderungen angenommen und ihn in einem Rudelkampf besiegt. Meine Eltern wollten mir natürlich helfen und ihn für mich zurechtweisen, aber ich habe mich immer strickt dagegen geweigert. Ich wollte stark sein, zeigen, dass ich führen kann, obwohl ich ein Mensch bin», erzählte ich.

«Na dann üben wir das noch mit dem Kommunizieren. Du kannst auch, wenn dir irgendwas zu albern, peinlich oder sonst was scheint, einfach Azrael sagen, was er dann an mich weiterleiten soll», ich nickte.

Der Braunhaarige seufzte und seine bernsteinfarbenen Augen fanden meine, «Es mag sein, dass ich es nicht prickelnd finde, dass du den Leibwächter an deiner Seite hast, den du vor meinen Augen geküsst hast, aber ich vertraue ihm mit dir mehr, als den anderen Wachen.»

«Awww, er ist dir ans Herz gewachsen!», rief ich erfreut aus und sofort schüttelte mein Seelengefährte den Kopf.

«Nein», mein Erasthai schüttelte abermals den Kopf, wobei seine braunen Wellen hin und her schwenkten, «Ich vertraue ihm mehr, was dich angeht. Das heisst nicht, dass ich ihn mag. Aber er ist ein guter Leibwächter, soviel kann ich zugeben.»

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt