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«Heute, liebe Andrea, darfst du aussuchen, was du machen willst», lächelte mich mein Lehrer an und ich fing bei seinen Worten breit an zu grinsen.

«Kampfkunst.»

Überrascht hob er die Augenbrauen, «Bist du dir sicher?», ich nickte nur begeistert.

«Nun gut, wo willst du anfangen?», fragte er voller Energie.

«Trainingsplatz von den Wachen und Kämpfern», kam es von mir, wie aus der Pistole geschossen.

Er nickte, leicht geschockt, und führte mich über das Gelände des Schlosses, ehe wir schlussendlich irgendwie an einem Trainingsplatz ankamen.
Die Wachen, die sich schon gegenseitig zu Boden warfen, hielten inne und sahen mich verwirrt an. Mein Lehrer stapfte zum Hauptmann rüber und besprach etwas mit ihm, ich machte mir nicht die Mühe zuzuhören. Stattdessen sah ich mich um. Die orange gefärbten Blätter hatten inzwischen schon begonnen von den Bäumen zu fallen, in wenigen Wochen würde man kahle Bäume stehen sehen.

«He!», rief jemand hinter mir und ich drehte mich um, nur um sofort einer Wache auszuweichen, in menschlicher Form.

Weitere Angriffe folgten, doch ich blockte sie alle. Geschickt bewegte ich mich so, sodass ich ihn schliesslich zu Fall bringen konnte. Doch sobald er besiegt war, sprang mich schon der nächste an.
Bestimmt eine halbe Stunde wehrte ich so Wache um Wache ab, immer wieder landete ein neuer Wächter auf dem Boden und schon nahm ein neuer seine Position als mein Gegner ein. Nachdem ich mich schliesslich durch alle durchgekämpft hatte, stand der Kommandant vor mir.

«Du kämpfst gut. Woher?», ich verstand seine Frage, obwohl er sie nicht ausformulierte.

«Zuhause. Rudelkämpfe, ich als Mensch, sie als Werwolf.»

Überrascht blickte er zu mir, dann zu meinem Lehrer, der nur ratlos mit den Schultern zuckte und wieder zu mir.

«Ich muss sagen, ich bin tief beeindruck.»

Er reichte mir die Hand, doch ich durchschaute ihn.
Flink ergriff ich seine Hand und drehte seinen Arm so, dass er keine andere Wahl hatte, als sich mir zu beugen. Natürlich wusste ich, dass ich nicht einfache Tricks anwenden konnte, um ihn zu Boden zu bringen. Und so hatte ich eine ganze Reihe an gelernten Fähigkeiten, was die Kampfkunst anging, im Ärmel.
Mit wenigen Handgriffen lag er mit dem Rücken auf dem Boden und sah von unten zu mir hoch.

«Du bist wirklich clever», lobte er, «Was wünschst du zu tun?»

«Ich will dem Training beitreten. Trainieren wie eine Wache, wie ein Soldat. Und besser werden, als ich es jetzt bin», antwortet ich ruhig und ich sah eine Art Freude in seinen Augen aufblitzen.

Der Kommandant war höchst erfreut eine Frau in seinem Team zu haben. Zumal er die jungen Männer damit triezen konnte, dass ich die jeweilige Übung doch auch könne und wenn es das eine Geschlecht kann, das andere es auch bewältigen sollte.
So verging die Zeit schnell. Jeden Morgen stand ich mit im Training und jeden Abend ass sich mit der königlichen Familie zu Abend. Von Kyran konnte ich mich mit den neuen saphirnischen Techniken, die ich lernte, gut ablenken.
Ab und zu spürte ich seinen Blick kurz auf mir ruhen, doch das nur wenige Sekunden. An meinem fünften Tag lernte ich schliesslich die geheimen Techniken Saphirnas, ausserdem wurde ich in Kriegsstrategie unterrichtet.

Schliesslich und endlich war wieder Sonntag, eine ganze Woche hatte ich durch trainiert und als Lob für unsere harte Arbeit und Anstrengung, durften wir früher als sonst raus.
Meine Muskeln waren verspannt und so beschloss ich ein Bad zu nehmen.

«Andrea», keuchte Minna erschrocken, als ich mein Zimmer betrat, von Aussen musste ich wohl schlimm aussehen.

Sofort rannte sie ins Bad und liess mir eine Wanne volllaufen. Sobald diese anging sich zu füllen, eilte sie zurück zu mir und schob mich ins Bad, riss mir förmlich die Kleider vom Leib und drängte mich dazu hineinzusteigen.

«Ich geh' ja schon, ich geh' ja schon», hob ich abwehrend die Hände und setzte mich in das warme Wasser.

❥︎ ❥︎ ❥︎

Es war dunkel. Stockdunkel. Die Nacht war längst hereingebrochen und inzwischen lag ich in meinem Bett. Bis eben hatte ich geschlafen, doch ein komisch lautes Geräusch riss mich aus dem Schlaf.
Ein kmKlicken ging durch die Stille.
Was zum Geier ist das?
Irgendwer murmelte etwas und meine Augen, die sich nun endlich wirklich angepasst hatten, nahmen wahr, dass meine Tür offen stand. Am Türrahmen lehnte eine hochgewachsene Gestalt, die wirr etwas murmelte. Dann versuchte sie zu laufen, schwankte jedoch so sehr, dass die Figur im Dunkeln wieder am Türrahmen Halt suchen musste.

«Erasthai», hörte ich undeutlich und riss bei dem Wort die Augen erschrocken auf.

Kyran? Was macht er hier?
Schwankend versuchte er zu mir zu laufen, wobei er sich immer wieder irgendwo festhielt. Mein Bett würde er wohl nicht so einfach finden, zumal ich es von der Mitte des Raumes an den Rand geschoben hatte, sodass eine Seite komplett an der wand andockte.
Doch anscheinend konnte er mich riechen, denn er lief in die richtige Richtung.

«Es tut», er schwankte gefährlich, «mir», fast fiel er erneut um und ich stand nun barfuss und im langen Nachthemd neben meinem Bett, «leid.»

Bevor er diesmal wirklich umfiel, rannte ich zu ihm und fing ihn auf, stützte ihn.
Er konnte noch nicht einmal richtig laufen, dennoch wollte er zu mir?
Besorgt sah ich auf ihn hinunter, träge sah er mich an.
Langsam hob ich meine Hand, um sie an seine Stirn zu legen und wie erwartet glühte er. In seinen Augen lag fast schon Erleichterung, als wäre er im Himmel mit meiner kalten Hand gegen seinen heissen Kopf.
Ugh, ist der schwer.
Mir wurde allzu plötzlich das Gewicht dieses Mannes bewusst.
Warum ist er nur so schwer?

«Komm, stell dich richtig hin. Wir müssen dich zum Bett bringen, ohne deine Hilfe schaffe ich das nicht», brachte ich mühsam hervor und tatsächlich richtete er sich etwas auf.

«Aus was bist du? Nur Muskelmasse?», murmelte ich eher zu mir selbst, doch er musste mich gehört haben, denn er lachte leise.

Ich beeilte mich ihn auf dem Bett abzusetzen, «Du bist hübsch», lallte er geradezu trunken.

«Bist du betrunken oder was?», zischte ich, wohl bewusst, dass er die Worte nur wegen des Bandes, das zwischen uns lag, sagte.

«Vielleicht.»

Sein Ton hatte etwas verwirrtes, überlegendes, als versuchte er aus seinem Gehirn herauszubekommen, ob er getrunken hatte.
Gerade wollte ich ansetzen etwas zu sagen, als er mich ansah, sanft lächelte und gleich darauf nach hinten wegkippte.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt