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Kyran hatte darauf bestanden, dass ich das Diadem trug, im Gegenzug hatte ich von ihm verlangt, dass er seine neue Krawatte anzuziehen hatte. So sassen wir in der ruckelnden Kutsche einander gegenüber und starrten einander an. Vielleicht betrachteten wir einander auch. Ich wusste es nicht.
Er sah gut aus mit dem Rot, es stand ihm. Zwar kannte er den eigentlichen Grund für die Farbwahl nicht, doch dafür war es auch noch zu früh. Er würde es nicht verstehen, nicht verstehen wollen.
Nein, er konnte es nicht verstehen, denn er konnte, und durfte, es nicht wissen.
Meinen Blick nicht von meinem Erasthai abwendend horchte ich nach draussen auf unsere Umgebung, wie das Zwitschern der Vögel in den Bäumen vom Schnee gedämpft wurde.

«Was machen wir, wenn wir Zuhause ankommen?», fragte ich leise und wusste genau, dass er mich verstand.

«Zu aller erst gehen wir auf ein Date.»

Hätte ich jetzt ein Glas mit Matchatee gehabt, hätte ich mich vermutlich verschluckt oder alles ausgespuckt. So aber hustete ich nur überrascht und etwas unbeholfen in der kurzen Stille vor mich hin.

«Guck nicht so ungläubig. Also gut, ich frag nochmal richtig», ich kam gar nicht mehr nach, die Situation ging mir zu schnell, «Würdest du, Andrea Whitetree, mit mir bitte auf ein Date gehen?», er sah mich charmant an und grinste mich leicht schief an. Er wusste genau, was für eine Wirkung sein Verhalten auf mich und meine Gefühle hatte.

«Äh-», meinte ich, mein Gehirn brachte keinen Satz und auch keine Worte zustande, ganz offensichtlich überfordert fand ich dann doch endlich ein Wort in meinem
nicht-vorhandenen Vokabular, «J-ja», hörte ich mich also krächzen.

Zufrieden lächelt er mich an und nickt, «Gut, dann besprechen wir die ganzen Details dann wenn wir wieder beim Schloss sind.»

❥︎ ❥ ❥︎

«Ach, da ist ja unser Kronprinz! Sogar mit seiner Prinzessin!», rief Erik als erstes sobald er uns sah.

«Äh ja, hallo Grossvater», grüsste ihn Kyran und verbeugte sich, ich machte neben ihm einen kleinen Knicks.

«Hallo, Eure Hoheit Erik und Ihre königlichen Majestäten König Alexej und Königin Calandra. Natürlich wünsche ich auch Ihnen einen schönen Tag, Miss Sheila», begrüsste ich lächelnd die Mitglieder der königlichen Familie und meine Freundin der Reihe nach an.

«Seid ihr beiden denn gut gereist?», fragte Calandra mich als erstes und ich nickte, «Sehr angenehm.»

«Deine Grosstante hat übrigens ihre Einwilligung für deine Krönung gegeben, mit der Bedingung, dass ihr euch dem Volk präsentiert», meinte Kyrans Vater Alexej trocken und zwinkerte mir kurz und unauffällig verschmitzt zu.
Warte! Das war alles geplant?
Vorsichtig schielte ich zu meiner schwarzhaarigen Freundin herüber, die mir nur leicht zunickte.

«Wir müssen uns dem Volk präsentieren? Dann machen wir das doch, was meinst du Andrea?», er sah mich an und als ich in seine bernsteinfarbenen Augen sah, in denen sich Aufrichtigkeit und Weichheit spiegelten, verschlug es mir die Sprache. Da ich also nichts sagen konnte, nickte ich nur.
Es gab also eine Chance, dass er mich doch nicht so abstossend fand.

«Gut, dann machen wir das morgen», beschloss Alexej und verliess uns dann, genau wie Erik und Calandra auch, nur Sheila blieb zurück.

Sogleich lief ich auf sie zu, «Du kannst wieder laufen! Ich freu mich ja so, dass es dir wieder gut geht», damit zog ich sie in eine enge Umarmung.

«Ich hab dich auch vermisst», flüsterte sie mir zu, «Aber ich glaube Azrael hat dich fast noch mehr vermisst. Er tigert jetzt schon seit Tagen hin und her über den Kiesplatz und wartet auf eure Rückkehr.»

Langsam liess ich meine Freundin los und hielt sie an den Armen auf Armlänge fest. Suchend sah ich um mich, suchte den Schwarzhaarigen mit seinen blauen Augen.
Hab ich dich!
Er sah mich schief lächelnd an, breitete die Arme aus und nickte mir auffordernd zu. Ich warf einen kurzen Blick über meine Schulter zu Kyran und rannte dann in gedrosseltem Tempo in Azraels Arme.

«Ich hab dich auch vermisst Prinzessin», flüsterte er, «Aber du solltest mich demnächst loslassen, sonst wird dein Schatzi noch eifersüchtig und sperrt mich ein», am Ende lachte er und liess mich los, drehte mich wieder zu Kyran um und gab mir einen kleinen Stups.

Ich schlenderte zu Kyran, seine Aura spürend, die er wohl nicht mehr ganz im Griff hatte. Zaghaft breitete ich meine Arme aus, umschlang ihn fest und blieb so, mit meinem Kopf auf der Höhe seines Halses. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus und ich genoss es in ganzen Zügen, hielt meinen Erasthai wenn möglich noch enger fest.
Ich wartete, liess die Information zu seinem Gehirn durchsickern.
Dann geschah es.
Er legte seine Arme ebenfalls um mich. Ein leises Schnurren, mit seinem Ursprung in seiner Brust, ging durch seinen Körper und von seinem ebenfalls durch den Meinen.
Die Zeit stand still, oder zumindest wäre das schön gewesen, es wäre ein passender Moment gewesen. Jemand hätte in genau dem Moment die Zeit einfrieren können und ich wäre wunschlos glücklich gewesen.
Ich nahm einen tiefen Atemzug, nahm den Geruch seines Parfums in mich auf.

Ein leises Räuspern riss uns aus unserer Trance. Sheila stand vor uns und sah sowohl Kyran als auch mich entschuldigend an, «Ich müsste mit Andrea da mal kurz ausleihen.»

Kyran warf ihr einen grimmigen Blick zu, ehe er mich noch einmal fest an sich presste, «Sobald du fertig bist, kommst du zu mir in mein Büro, verstanden?», seine Worte klangen hart, doch sein Tonfall sagte etwas komplett anderes.

Ich nickte, zögernd liess er mich los und ich winkte ihn zum Abschied zu, während ich zu Sheila ging. Zu meiner Überraschung winkte er zurück.
Sobald wir im Schloss waren, packte die Schwarzhaarige sich meinen Arm und zog mich mit sich die Treppen hinauf und in ihr Zimmer.

«Du!», sie zeigte mit dem Finger auf mich und kam bedrohlich auf mich zu, «Du erzählst mir jetzt sofort, wie, wann und wo diese Zärtlichkeit und Zuneigung zwischen euch beiden entstanden ist», quietschte sie aufgeregt und liess sich auf ihr Bett fallen, sah mich neugierig an.

Ich zuckte mit den Schultern, «Wir waren zusammen einkaufen, haben Weihnachten zusammen verbracht und ja. Er hat mir das Diadem hier geschenkt und ich ihn dafür eine rote Krawatte und einen Teddy. Ausserdem hat er mich nochmal nach einem Date gefragt und–», meine Freundin unterbrach mich, «Und du hast hoffentlich ja gesagt?», ich nickte nur.

Sie hüpfte freudig im Zimmer auf und ab, «Kyran und Andrea gehen auf ein Date», sang sie dabei pausenlos und ich konnte nicht anders, als loszulachen und mitzumachen.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt