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Frisch und munter hüpfte ich vom Motorrad, umarmte Azrael zum Abschied und stapfte auf den Schlosseingang zu.
Je näher ich kam, desto grösser wurde die Figur von Kyran am Eingang. Schliesslich kam ich beim Tor an und statt ihn zu grüssen oder Ähnliches, ging ich geradewegs ins Schloss hinein.

«Nein, nein, du bleibst schön hier», packte mein Seelengefährte am Arm und hielt mich zurück.

«Wo warst du letzte Nacht und warum kommst du so spät Heim?», seine Augen glühten geradezu vor Anspannung.

«Theoretisch sind beide Antworten darauf: Ich bin erwachsen und kann machen, was ich will», sah ich ihn grinsend an.

«Antworte mir», forderte er.

«Ich bin erwachsen und kann machen, was ich will.»

«Wo und warum?», fragte er nochmal verkürzt.

«Auf einer Hausparty zum Feiern. Und weil ich die Nacht woanders verbracht hab», gab ich von mir, riss mich aus seinem Griff los und stolzierte davon.

«Wir sind noch nicht fertig», tauchte er nach wenigen Schritten meinerseits vor mir auf. Lykanergeschwindigkeit eben.

«Warum willst du mich als Mate überhaupt hier behalten?», fragte ich kühl, «Du hast Sheila.»

«Du bist meine Erasthai, aber ich behalte dich nur hier, weil es die Hofetikette besagt. Glaub mir, ich finde dich genauso uninteressant wie du mich», sein Ton ist eisig.

«Du hast recht. Ich mag dich nicht. Und deswegen werde ich mich auch nicht in dich verlieben, klar? Du kannst also getrost mit Sheila weiter rummachen, aber erwarte von mir nicht, dass ich mir nicht auch jemanden suche.»

❥︎ ❥︎ ❥︎

Tief atmete ich durch. Ich wollte nicht mit Kyran streiten, doch so wie er sich verhielt, liess er mir keine andere Wahl. Überlegend blickte ich in den Spiegel, betrachtete das Kleid, dass mir gebracht worden war. Angeblich hatte Erik, Kyrans Grossvater, mit das Kleid zukommen lassen, doch ich wusste, dass es auch ohne Erik zu mir gekommen wäre. Schliesslich hatte ich vor wenigen Tagen dafür meine Masse nehmen lassen.

«Zufrieden? Oder stört dich etwas?», kam Minna um die Ecke, sie war eine treue Freundin, wenn auch eine stille.

«Wenn dir etwas nicht gefällt können Minna und ich es noch ein bisschen umändern», bot die Schwarzhaarige an und stellte sich neben die Fee.

«Ich glaube, ich lasse es so», meinte ich und schlüpfte in meine Schuhe, «Tanzen werde ich ohnehin nicht.»

«Aber warum denn nicht?», fragten meine Freundinnen empört, «Du wirst heute von dir aus Konversationen starten und tanzen, verstanden?»

Brav nickte ich, es hatte keinen Zweck ihnen zu widersprechen.
Eilig zupften die beiden noch an meinem Kleid und meinen Haaren herum, ehe sie mich energisch aus der Tür schoben. Keine andere Wahl habend machte ich mich auf zu dem Ball, dessen Anfang noch vor Sonnenuntergang gehalten wurde. Saphirna ehrte die Sonne, da aus ihrer Träne die gesamte Insel entstanden war, und so wurden wichtige Zeremonien oder Ereignisse noch vor Einbruch der Dunkelheit gehalten. Feiern wurden in die nächtlichen Stunden gelegt, um der Sonne Ruhe zu gönnen.
Der erste Tanz mit dem Kronprinzen würde kurz vor Sonnenuntergang stattfinden, dann würde man feierlich dem Untergehen der Sonne zusehen. Schliesslich würden dann, sobald es dunkel genug war, die Feierlichkeiten beginnen.

Ich betrat den gläsernen Saal, es war eine Art Wintergarten nur in Form eines Ballsaals, «Ah, wie schön dich zu sehen Andrea», kam König Alexej überraschenderweise auf mich zu.

«Mein König», grüsste ich, «Wie geht es Ihnen?»

«Gut. Ich habe gehört, dass du dich gestern reichlich amüsiert hast. So sehr sogar, dass du erst heute Morgen wiedergekommen bist», meinte er und ich atmete scharf ein.

«Ich–also–», stotterte ich und er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab.

«Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Tatsächlich finde ich es gut, dass du dich frei bewegst und nicht nach seiner Pfeife tanzt», schmunzelte der Braunhaarige und trank einen Schluck aus seinem mit Champagner gefüllten Glas.

«Ich merke an den Rückmeldung deiner Lehrer, dass du in der Tat eine gute Lebensgefährtin für meinen Sohn bist. Du wirst nicht weggeschickt, zumindest nickt solange es noch Hoffnung für eure Beziehung und Liebe gibt. Sollte es dennoch nicht klappen, bekommt du volle Unterstützung von mir als König und deine eigene kleine Residenz, wenn du es wünschen solltest.»

Dass er auf meiner Seite war, wusste ich, doch dass er so offen für die Beziehung zwischen mir und Kyran war, überraschte mich doch.
Die Musik zum ersten Tanz setzte ein und alle stellten sich in einem Kreis auf, liessen einen grossen Raum in der Mitte für den Tanz des Kronprinzen mit dem von ihm ausgewählten Mädchen. Kyran schritt durch die Reihen und ich glaubte fast, dass er nach mir Ausschau hielt.
Doch dann spielte die Musik auf und Oohs und Aahs gingen durch die Menge, eine Figur bahnte sich ihren Weg zu mir. Schwarzhaarig.

«Prinzessin», grüsste er mich und ich grinste, «Eure königliche Majestät König Alexej», verneigte er sich tief vor dem Braunhaarigen.

«Kenne ich dich schon? Du trägst zwar die Uniform, aber ich hab dich noch nie gesehen», überlegte der König.

«Ich arbeite erst seit kurzem hier und wurde von ihrem Hauptmann eingestellt», erklärte mein neuer Verbündete in diesem Schlamassel und verneigte sich erneut kurz.

«Und wie heisst du?»

«Azrael, Sir. Wie der Engel des Todes», erwiderte der Schwarzhaarige.

«Sehr schön, sehr schön. Na dann, viel Spass. Macht euch einen schönen Abend, ihr seid ja so wie's aussieht Freunde», damit hatten wir die Erlaubnis uns aus dem Staub zu machen und ergriffen diese Gelegenheit auch, davor verneigten wir uns beide noch vor dem König dieses Landes, dann eilten wir davon.

Er hielt mir seine Hand hin und ich legte meine Hand in seine, worauf er mich ruckartig mit sich zog. Kurz stolperte ich hinter ihm her, ehe ich meine Balance wieder fand und wir eine unauffällige Treppe hoch hechteten, hinauf auf einen Balkon, von wo aus wir eine unglaubliche Sicht auf die ganze Tanzfläche hatten.

«Was willst du zum Trinken? Ich geh uns was holen», fragte Azrael hinter mir, am Rande der Treppe und ich blickte nach hinten.

«Wein oder Wasser, je nach dem, was du schneller findest», meinte ich schmunzelnd und gleich darauf war er verschwunden.

Die Menge war ein Wirrwarr aus den verschiedensten Blau-, Grün- und Lilatönen, alle Farben von Saphirna. In der Mitte verneigten sich Kyran und irgendein Mädchen gerade vor einander, wahrscheinlich war sie eine Adelige, anders als ich in seinen Augen. Sie kamen sich näher, seine Hand ruhte auf ihrer Taille, seine andere führte die ihre und sie hatte ihre Hand auf seiner Schulter abgelegt. Unzufriedenheit formte sich in meinem Bauch zu einem Knoten, doch ich schluckte die aufkeimenden Gefühle runter. Anmutig schwebten die beiden über den Ballsaal, Kyran und Sheila.

Moment Mal, Sheila? *seufz* Warum genau sie?

Die beiden sahen so passend aus, so perfekt. Sie bewegten sich im Gleichtakt und gaben ein wunderbares Paar ab. Meine leisen Tränen bemerkte niemand. Nicht ich, nicht Sheila und auch nicht Azrael, der schon wieder mit jemandem flirtete. Noch nicht einmal Kyran.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt