18. Kapitel

9.5K 568 58
                                    

18. Kapitel

Es gibt diese Sache genannt Freundschaft. Du kannst sie weder sehen, noch riechen oder schmecken. Doch du kannst sie spüren. Du kannst fühlen, dass du nie alleine bist, egal wie einsam du auch scheinst. Du weißt dass jemand nur einen Anruf entfernt ist und nicht du es sein musst, die ihn tätigt. Du lernst zu vertrauen, zu vergeben, zu lieben auf eine Art die vollkommen Einzigartig ist. Freundschaft dauert nicht für immer an. So etwas ist eher selten, doch ich weiß, dass ich eine Freundschaft erleben durfte, die für immer halten wird. Über alle Zeit, alle Verfehlungen und alle schlechten Entscheidungen hinweg existieren würde.

Ein beruhigender Gedanke, wenn man sich klar machen muss, dass das Leben und man selbst voller Fehler ist. Zu realisieren, dass es für wenigstens einen Menschen keinen Unterschied macht ob man gerade lacht oder weint, hat etwas Befreiendes an sich.

Kopflos fuhr ich die Straßen entlang, nicht wirklich sicher, wohin ich wollte oder wo ich landen würde. Mein linker Ellebogen stützte sich im Fensterrahmen ab, während ich mit der Hand über meine Stirn wischte. Ein Zittern durchfuhr mich, ohne das ich wusste wieso. In letzter Zeit schien ich immer mehr in alte Muster zu verfallen. Ich wusste nichts, fühlte ein einziges Durcheinander in meinem Inneren und tat eine dumme Sache nach der Anderen.

Frustriert hielt ich an, lehnte meinen Kopf ans Lenkrad und saß still und stumpf vor mich hin starrend da, bis ein Klopfen an der Fensterscheibe mich aufschrecken ließ. Eine schmale Gestalt bedeutete mir energisch die Scheibe herunter zu fahren. Ich befolgte den stummen Befehl ohne zu Zögern.

„Komm mit rein. Los!", forderte Hanna mich auf, in einem Ton, welcher keine Widerworte duldete.

„Was ist los Lilly? Ich weiß die Sache mit Leo nimmt dich mit und du bist nicht die Einzige, die geschockt ist, aber hinter deinem Verhalten steckt doch noch mehr oder?", fing meine Freundin mit ihrer Inquisition an, kaum das ich mit ihr auf dem Sofa hockte.

Unruhig fuhr ich mir durch die Haare. Nach wie vor wollte und konnte ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen. Dessen war ich mir sicher, doch vielleicht musste ich das. Vielleicht war es an der Zeit ehrlich zu ihr zu sein, es drauf ankommen zu lassen, denn selbst wenn sie mich danach verabscheuen und rauswerfen würde, hätte ich es mir zumindest von der Seele geredet. Aber war mir Erleichterung wirklich wichtiger als Hanna?

„Du weißt, dass Leo und ich keine Geschwister sind", begann ich, nicht sicher was ich da gerade tat.

„Natürlich, wie könnte ich je vergessen was Eleonora dir offenbart hat", murmelte sie und griff nach meiner Hand, welche in meinem Schoß geruht hatte.

„Du wirst das was ich dir jetzt sage weder verstehen, noch mich ansehen wie vorher, wenn ich dir die ganze Wahrheit erzähle."

„Warum glaubst du das?", fragte sie verwirrt.

„Weil es so ist. Niemand kann nach so etwas weitermachen, als wäre nie etwas geschehen. Wir haben es versucht und schau dir an was aus uns geworden ist", fuhr ich fort.

Während ich weiter sprach, erhob ich mich und stellte mich auf die andere Seite des Raumes, um so viel Distanz wie möglich zwischen meine Freundin und mich zu bringen. Wenn ich schon mein ganzes Selbst vor ihr ausbreitete, musste ich dabei nicht noch haargenau sehen, wie etwas in ihr zerbrach, sobald sie verstand, dass ich sie nicht nur belogen hatte, sondern auch nicht die war, die sie zu kennen glaubte.

„Hanna, damals als Anna gestorben war, haben meine Großeltern sich nicht um mich gekümmert. Als Leo mich vollkommen verwahrlost vorfand, war er nicht erfreut. Erst hat er die Beiden zur Sau gemacht, dann mich langsam aber sicher wieder aufgepäppelt, wie einen kleinen Welpen. Unsere enge Bindung kam nicht von ungefähr weißt du ... er war für mich da, hat mit Halt gegeben. Wir kamen uns näher und näher, kannten mit einemmal den Anderen in- und auswendig. Es war schön, bis ... bis zu dem Jahr, in dem ich achtzehn wurde."

My Brothers Keeper (TNM-#2)Where stories live. Discover now