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Pov: Abby (Abigail)

Nachdenklich setze ich mich draußen auf eine der Bänke. Es war wenig los und ich war, bis auf drei Jugendliche, die ein paar Bänke weiter saßen, allein. Ich seufzte. Die Therapie Stunde hatte mir meine ganze Kraft geraubt. Wie immer hatte mich meine Therapeutin mit nervigen Fragen gelöchert auf die ich mehr oder weniger ehrlich geantwortet hatte. Darin war ich das letzte Jahr über gut geworden, zu Lügen, Emotionen zu verstecken und zu lächeln, obwohl ich eigentlich weinen könnte. Man meinte, in einer Psychiatrie sollte genau das Gegenteil passieren, aber ich war mir bewusst, dass ich ein hoffnungsloser Fall war. Mir konnte man nicht mehr helfen, jeder Tag konnte mein letzter sein, denn sobald ich die Chance bekam, würde ich es beenden.

,,Hey Ab, schön dich mal wieder zu sehen" rief plötzlich jemand. Ich schaute mich erschrocken um und entdeckte Julian der auf mich zugesteuert kam. Ich lächelte. ,,Hey Ju, na wie läuft es bei dir?" Ich musterte ihn, seine Nussbraunen Augen, seine immer leicht verschrupelten schwarzen Haaren und seine zahlreichen Tattoos. Er sah gut aus, gut in dem Sinn das man ihm ansah das er sich besserte und er hatte immer noch einen gewissen Charm, wie damals. Seine Augen hatten wieder Glanz bekommen und er sah nicht mehr aus wie ein drogenabhängiger Schulschwänzer der sich mit jedem prügelte. Er hatte früher mit den Drogen aufgehört als ich. Ju hatte noch einen Sinn im Leben, hatte sich nicht versucht umzubringen. ,, Mir geht es deutlich besser. Therapien mhh?" Ju musterte mich und lächelte dann mitfühlend. ich zeigte auf den Platz neben mir und er ließ sich darauf fallen. ,,Aber wie geht es dir?" Er schaute mir prüfend in die Augen und legte seinen Arm um meine Schulter. ,,Gut." antwortete ich trocken. Eine einfache lüge. Er seufzte. ,,Und jetzt bitte die Wahrheit. Abigail seit wann haben wir angefangen nicht mehr ehrlich zueinander zu sein?" Ju schaute mich leicht verletzt an. ,,Sorry Ju... Ich will nicht reden." Er lächelte mitfühlend. ,,Ist okay, ich bin für dich da Ab!" Dankbar lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und schloss meine Augen. Bei ihm fühlte ich mich geborgen und für einen kurzen Moment war es wie früher.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir einfach nur so dasaßen, stand Ju plötzlich auf ,,Komm, wir müssen wieder rein" ich stöhnte. Es war so angenehm gewesen, einfach nur da zu sitzen, an alte Zeiten zu denken und die ganze Welt auszublenden. Schließlich standen wir auf. Ju umarmte mich zum Abschied. ,,Es wird wieder besser, vertraue mir Schätzchen", flüsterte er mir noch ins Ohr und lief zu Station 4.

POV: Ray (Rachel)

Die letzten Sonnenstrahlen warfen ihren Schatten auf den Zimmerboden vor meinen Füssen. Mit dem Rücken an der Wand und meinen Knien an die Brust gezogen, saß ich da und starrte in den Sonnenuntergang. Eine Erinnerung bahnte sich ihren Weg in meinen Kopf.

So hatte ich schon einmal dagesessen. Die letzten Strahlen der Sonne warfen ihre Schatten und färbten den Himmel orange/rot. Schön anzusehen. Doch es sollte mein letzter Abend sein. Damals hatte ich an meinem Zimmerfenster gesessen und daran gedacht, dass der Sonnenuntergang eines der schönen Dinge waren die die Welt zu bieten hatte. Sie waren hell und jeden Abend schöner. In meinem Kopf hatten die Gedanken geschrien, mich innerlich zerrissen, aber ich selbst war zufrieden gewesen, ich hatte meinen Entschluss gefasst und mich damit abgefunden. Der Gedanke an den Tod hatte etwas so Friedliches gehabt, dass es mir egal gewesen war, dass ich den Sonnenuntergang mit einer Klinge in der Hand beobachtet hatte. Mein Tag war scheiße gelaufen, dennoch war es viel zu friedlich für traurige Gedanken gewesen. Es wäre zu viel verlangt zu sagen, ich hätte mich glücklich gefühlt. Alles war mir egal vorgekommen. Es war mir egal, dass ich mich geritzt hatte. Es war mir egal, dass ich wieder einen scheiß Schultag und eine weitere scheiß Note hatte. Es war mir egal, dass meine Eltern mich angeschrien hatten. Es war Okay, dass ich losließ. Neben mir hatten drei Schachteln Tabletten gestanden. Daneben hatte mein Abschiedsbrief gelegen, in dem nur wenige Wörter gestanden hatten. Alles war okay gewesen.

Anders als jetzt.

Es war der gleiche Sonnenuntergang, aber nichts war okay. Ich hatte keinen Frieden, die Gedanken und Gefühle erschlugen mich. Ich hatte nichts, um mir weh zu tun. Mir ging es scheiße, ohne dass ich es ändern konnte. Aber eines war gleich. Denn egal wie scheiße der Tag begonnen hatte, genauso scheiße würde er auch enden. Ich verdrängte die Erinnerungen. Stattdessen stand ich schließlich auf und ließ mich auf mein Bett fallen. Eine Träne floss meine Wange hinunter und weitere folgten. Ich rollte auf die Seite und schluchzte stumm in das Kissen. Es war mittlerweile komplett dunkel im Zimmer und nur ein schwaches Mondlicht drang durchs Fenster. Ein Klopfen ließ mich zusammenzucken, aber es war nur eine Pflegerin, die mir eine gute Nacht wünschte und dann wieder ging. Hätte sie in meinen Kopf schauen können, wäre sie nicht so einfach wieder gegangen. Aber niemand konnte das.

Ich war ganz allein.

SuizidWhere stories live. Discover now