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POV: Ray (Rachel)

Die ersten Strahlen der Sonne weckten mich. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und setzte mich aufs Bett. Ich hatte eine unruhige Nacht hinter mir und kaum geschlafen. Seufzend stand ich von meinem Bett auf, dann machte ich mich auf den Weg in den Speiseraum. ,,Na endlich", Snow begrüßte mich an unserem Tisch. Ich setzte mich mit meinem Teller einfach dazu. ,,Hast du bis gerade gepennt?", Abby musterte mich. Ich nickte nur. Snow und Abby begannen zu essen. ,,Du musst auch was essen", sagte Abby bestimmt, aber ich schüttelte nur den Kopf. ,,Kein Hunger" gab ich trocken zurück. ,,Willst du gleich auf 2 landen?", Abby zog eine Augenbraue hoch. Ich antwortete nicht, sondern starrte nur weiter das Brötchen auf meinen Teller an. ,,Irgendwann musst du endlich mal was essen!" sagte Snow. Ich zuckte nur mit den Schultern. Abby sah zu Snow und schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich sah aus dem Fenster. ,,Morgen ist Sporttherapie für die ganze Station", berichtete Snow und trank einen Schluck Wasser. ,,Oh echt?", Abbys Augen strahlten richtig. ,,Ja, hat mir Lisa vorhin erzählt" Snow schien sich ebenfalls zu freuen. ,,Was machen wir da?", fragte ich nur mäßig Interessiert. Sport hatte mir bis vor ein paar Jahren zwar Spaß gemacht, aber gerade die letzten Monate hatte ich mich nicht mehr wohlgefühlt. Im T-Shirt hatte ich es mich gar nicht mehr getraut und im Hoodie war mir unerträglich warm geworden. ,,Wir spielen Spiele. Es ist wirklich was ganz anderes, als den ganzen Tag auf Station zu hocken", erklärte Snow sofort und Abby nickte lächelnd. ,,Aha" brummte ich nur. Klang ja super. ,,Wirst schon sehen", versuchte Snow es weiter, aber ihre Begeisterung drang nicht zu mir durch.

Abby stand auf und fing an, ihr Geschirr wegzuräumen ,,Habt ihr Lust rauszugehen? frische Luft ist immer gut." Snow nickte sofort und nach kurzem Überlegen entschied ich mich schließlich mitzugehen.

Wir saßen etwa eine halbe Stunde auf den Bänken, dann verabschiedeten sich Snow und Abby. Ich folgte ihnen wieder zurück auf die Station. Eine Pflegerin machte uns auf.

Alles in mir sträubte sich wieder auf die Station zu gehen, aber ich riss mich zusammen und versteckte meine Hände unter meinen Ärmeln. Mir war übel und ich verdrängte meine Tränen. ,,Kommst du mit zu uns?", fragte Abby, als sie vor ihrem Zimmer stehen blieben. Ich schüttelte nur den Kopf und ging den Flur weiter. Ich schmiss mich auf mein zerwühltes Bett. Ich hatte scheiße geschlafen. Immer wieder war ich wach geworden, hatte kaum atmen können und hätte am liebsten alles zusammengeschrien. Mein Kopf war nie still gewesen. Jedem Aufwachen waren schwarze Gedanken gefolgt. Wieso war ich gescheitert? Wieso war ich so dumm? Wieso lebte ich noch? Jetzt wurden diese Gedanken wieder laut. Ich zog meine Beine an meinen Körper, vergrub das Gesicht im Ärmel meines Hoodies und hoffte, irgendwie all dem hier entkommen zu können. Wäre ich schlauer gewesen, wäre ich all dem hier entkommen...

Ich sprang auf, dann krallte ich meine Fingernägel in mein Handgelenk und unterdrückte den Drang zu schreien. Ich sank auf die Knie und spürte, wie mein Körper zu zittern begann. Dumm, hässlich, nutzlos...

Die Welt um mich herum verschwamm, als eine Träne über meine Wange lief. Immer noch zitternd saß ich da. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf, schienen auf mich einzustechen und ich konnte nichts tun. Sollte mir dieser Ort nicht helfen? Mich von diesen Gedanken befreien? Ich schluchzte und presste mir meine Hand vor den Mund. Ich versuchte aufzuhören mit dem Weinen, aber es ging nicht. Ich wollte einfach nur weg. ,,Scheiße...", meine Stimme zitterte und ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Das Klopfen an der Tür ließ mich aufschrecken. ,,Ray? alles gut?" hörte ich die Stimme von Abby. Ich antwortete nicht. Nach kurzem Zögern öffnete sich die Tür und Abby betraten den Raum. Hastig wischte ich mit dem Ärmel über mein Gesicht. Ich stand ruckartig auf, bereute es aber sofort. Mir wurde schwindelig, Ich konnte nicht weglaufen. Wohin auch? Ich starrte auf den Boden und versuchte mein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. In dem Moment spürte ich zwei Arme, die sich um mich legten und an sich zogen. Ich spürte den weichen Stoff eines Pullis und das gleichmäßige Schlagen des Herzens darunter. Ein weiteres Herz, das schlug. Nur das meins nicht mehr schlagen wollte. Ich erwiderte die Umarmung nicht, entriss mich ihr aber auch nicht, stand einfach nur da und versuchte die Tränen erneut zurückzuhalten ,,Shhhh, Ist okay", flüsterte Abby und strich mir über die Kapuze. ,,Mir geht's gut!" log ich und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Langsam löste sie sich aus der Umarmung und zog mich zu meinem Bett. Ich ließ mich neben sie fallen.

Toll gemacht! Jetzt hatte sie mich weinen gesehen. ,,Es ist okay zu weinen!" sagte Abby und griff nach meiner Hand. Ich zog sie nicht zurück und spürte ein warmes, angenehmes Kribbeln, das durch meinen ganzen Körper lief, als sie mich berührte. Irgendwie beruhigte mich das.

Sie wartete, bis ich aufhörte zu zittern und ich wieder ruhig atmete. ,,Ich bin für dich da", sagte Abby und strich mir eine Strähne aus meinem Gesicht. Kurz trafen sich unsere Blicke ,,Wir sind hier alle gleich, weißt du?", sprach sie weiter, ,,Das hier ist nun mal eine Psychiatrie. Wir haben alle unsere Probleme hier." Ich wollte meins beenden, aber das hatte mich hier reingebracht!

Ohne Vorwarnung zog Abby mich plötzlich näher an sich, so dass mein Kopf nun auf ihrer Schulter lag und sie einen Arm um mich legen konnte. Ich schaute zu ihr hoch und sie lächelte mich an, ihr Lächeln war so wunderschön. Nein! so durfte ich nicht denken! Fang nicht schon wieder damit an! Homosexuelles Miststück! Dieses Mal wollte ich aber nicht auf die Stimme hören, legte meinen Kopf auf Abbys Schulter und schloss die Augen. Bei Abby fühlte ich mich geborgen und beschützt. In mir war ein neues Gefühl, eine Wärme und ein Kribbeln, das ich nicht kannte. Auch wenn meine Gedanken schrien und mich fertig machten, dieses Gefühl blieb. Abby zog mir meine Kapuze vom Kopf und strich mir gedankenverloren durchs Haar, es fühlte sich gut an und ich wünschte das wir ewig hier sitzen könnten, denn für diesen einen Moment war die Welt für mich in Ordnung, ich ertrug es zu leben, solange ich sie hatte. Mit diesem Gedanken und dem Gefühl, behütet zu sein, schlief ich ein.

SuizidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt