Kapitel 1: Die Wälder Valams

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"So wir können dann für heute Schluss machen", beendete mein Chef, der Dorfschmied eine lange und anstrengende Arbeitsschicht. Er löschte das Feuer im Ofen und ich ließ erschöpft den Blasebalk los.

Seit der grausame König Nevary alle drei Tage Wachen zur Schmiede schickte, um Waffen abzuholen, hatten meine zwei Kollegen Bey und Maron und ich alle Hände voll zu tun, um die Wünsche unseres Herrschers zu erfüllen.
"Cora wir sehen uns dann morgen um 8 Uhr?!", richtete Bey sein Wort an mich. "Klar", ich nickte ihm zu und ging hinter die Scheune, um dort das Wasser aus einem Fass zu nutzen, um mir den Schweiß und Dreck vom Körper zu waschen.

Anschließend lief ich zu einem kleinen Verschlag, in dem mein Pferd Adoris stand. Er war zwar schon alt und somit nicht mehr der Schnellste, aber ich liebte ihn über alles. Er war das einzige, was mir aus meinem früheren Leben geblieben war.
Er war ein Geschenk von meinem Vater, dem König von Nuvyenne gewesen. Er hatte ihn mir an meinem 16. Geburtstag gegeben, kurz bevor mein böswilliger Bruder Nevary ihn und alle anderen getötet hatte.

Glücklicherweise waren seit dem schrecklichen Ereignis 6 Jahre vergangen und ich hatte mich äußerlich und innerlich stark verändert. Ich hatte sogar meinen Namen von "Salira" zu "Cora" geändert.
Dadurch hoffte ich, dass mein Bruder mich niemals finden und erkennen würde.

Ich führte den Rappen aus dem Verschlag und schwang mich auf seinen Rücken. Langsam trabte ich die Dorfstraße entlang und blickte ein letztes Mal auf die kleine Scheune zurück, bevor die Bäume des Waldes, den ich nun durchquerte mir die Sicht nahmen.

Ein mulmiges Gefühl beschlich mich, als ich dem düsteren Pfad durch den Wald folgte. Schon seit ein paar Tagen hatte ich ein komisches Gefühl.

Ich hörte Stimmen aus den Bäumen, doch ich sah niemanden. Ich fühlte Kälte auf meiner Haut, doch es war Hochsommer und kein Lüftchen wehte.
Immer wieder drehte ich mich um, glaubte verfolgt zu werden. Doch die einzigen Lebewesen, die ich sah, waren pechschwarze Raben, die krächzend ihre Kreise über mir und Adoris zogen.

Ich war zwar nicht ängstlich oder so und konnte mich Dank meiner Arbeit in der Schmiede auch sehr gut selbst beschützen, da ich immer mit dem neuen Schwertern übte, um sie zu testen, aber die Geschehnisse der letzten Tage verpassten mir immer wieder eine Gänsehaut.

Ich war froh, als ich meine kleine Hütte auf einer Lichtung von weitem sah. Sie strahlte Geborgenheit und Wärme aus, auch wenn ich niemanden hatte mit dem ich meine Behausung hätte teilen können.

Durch meine Vergangenheit war ich sehr misstrauisch und abweisend geworden, was so gut wie alle Männer, die ich kennenlernte abschreckte.
Doch es machte mir auch nicht sonderlich etwas aus alleine zu sein. So brachte ich zumindest niemanden in Gefahr.
Es könnte ja immer sein, dass Nevary kam und mich fand.

Nachdem ich Adoris versorgt hatte ging ich in meine Hütte und bereitete mir ein kleines Abendessen zu. Ich hatte noch ein paar Kartoffeln und Karotten, aus denen ich mir eine Suppe kochte.
Müde ließ ich mich dann auf mein Strohbett sinken, welches ich provisorisch mitten in den Raum gestellt hatte.
Normalerweise schlief ich oben auf dem Dachboden, aber im Moment war es einfach zu heiß. Selbst hier unten war es extrem stickig.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, merkte ich sofort an der bereits hoch stehenden Sonne, dass ich verschlafen hatte.
'Mein Chef wird mich feuern', war mein erster Gedanke.
Eilig sprang ich aus dem Bett, zog mich um - ich hatte noch meine Sachen von Gestern an - und schnappte mir ein Stück Brot.
Zusammen mit meiner Tasche und dem mageren Frühstück sprintete ich zu dem kleinen Stall, in dem Adoris stand und friedlich vor sich hindöste.

"Auf mein Süßer", weckte ich ihn aus seinen Träumen und führte ihn ins Freie.
Er streckte sich erst einmal ausgiebig und es kam echt so rüber, als würde er mit Absicht Zeit schinden.
Ich schüttelte genervt den Kopf, musste dann aber doch lachen, als er mich angähnte.

Fünf Minuten später war er dann auch bereit und wir ritten zusammen durch den dichten Wald hin zur Schmiede.
Eigentlich sollten die Vögel zwitschern und helle Sonnenstrahlen durch die Baumkronen dringen. So wie es halt für einen schönen Sommermorgen üblich war.
Doch stattdessen war es totenstill, bis auf ein paar Raben, die am Himmel krächsten und mir immer näher kamen.
Es war extrem dunkel und schwül.

Meine Unruhe übertrug sich schnell auf den sonst so ausgeglichenen Adoris.
Ich konnte ihn kaum noch im Schritt halten.
Zu allem Überfluss nahm ich nun auch noch fernes Hufgetrappel wahr.
Eilig ritt ich vom Pfad einige Meter zwischen die Bäume und wartete dort.
Einige Sekunden später schossen mehrere Ritter von Nevary in vollem Renngalopp an uns vorbei.
Was wollen die denn hier?
Zu meiner Unruhe kam jetzt auch noch Angst.
Was, wenn Nevary mich aufgespürt hatte und die Reiter nun auf dem Weg zu mir waren?!
Sie kamen vom Dorf her.
Ich betete inständig, dass sie nicht dort gewesen waren.
Ich dirigierte Adoris zurück auf den Weg und galoppierte so schnell, wie mein alter Hengst noch konnte zum Dorf.
Schon von Weitem sah ich dicke Rauchschwaden aufsteigen.
Sie schienen genau von der Schmiede zu kommen.
Tränen bildeten sich in meinen Augen. Ich war zu spät gekommen. Warum hatte ich nur verschlafen?
Ich würde es mir nie verzeihen können, wenn die Ritter auch nur einem von meinen Freunden etwas angetan hatten.
Ohne an meine Sicherheit zu denken ritt ich zwischen den letzten Bäumen hindurch und hinein in das völlige Chaos, welches Nevarys Schergen hinterlassen hatten.

Time to ReignWhere stories live. Discover now