Kapitel 4: Gefangen

199 10 2
                                    

"Du hättest in der schönen Traumwelt bleiben sollen, die ich für dich erschaffen habe Salira. Denn hier wird das Ganze, was ich mit dir vor habe nicht so freundlich ablaufen."

"Fahr zur Hölle", fauchte ich ihn an. Ich zwang mich dazu starr in seine abscheulichen Augen zu blicken. Augen, die einst so friedlich und liebevoll waren.
Der Drache war schuld an all dem. Ohne die Kraft in uns beiden wäre das alles niemals geschehen.

"Oh liebste Schwester, glaubst du nicht, dass ich schon längst in der Hölle bin?"
Er wendete sich ab, lief langsam um mich herum während er weitersprach.
"Ich habe es versucht...wirlich. Ich wollte die Kraft von dir ohne dich zu verletzen. Aber so dumm wie du bist hast du dich dagegen entschieden. Also werde ich nun alles mögliche andere versuchen. Ich werde deine Drachenseele bekommen, auch wenn du es am Ende nicht überlebst."

Die nächsten Stunden und Tage gingen an mir vorbei. Die meiste Zeit war ich ohnmächtig. Nevary sprach Zauberformeln, tropfte Flüssigkeiten in meinen Mund, spritzte mir irgendetwas. Doch egal was er tat, es führte einzig und allein dazu, dass ich immer wieder ohnmächtig wurde und das meiste, was er vollführte nur verschwommen an mir vorbeizog.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war, als Dako mich loskettete und aus dem steinernen Raum trug.
Ich war zu schwach, um zu versuchen zu entkommen. Ich konnte ja kaum meine Augen offen halten.
Er trug mich in einen kleinen Raum und legte mich auf den Boden.
"Warum tust du das?", brachte ich hustend hervor.
"Wie waren doch mal Freunde. Ich konnte dir vertrauen. Dir alles erzählen. Mein Vater hätte dir mein Leben anvertraut. Und was tust du nun? Meinem Bruder helfen. Das hätte ich niemals von dir gedacht."

"Es sind schwierige Zeiten. Für uns alle Salira. Und ich muss sehen wo ich bleibe. Alle, die sich gegen Nevary gestellt haben sind gestorben. Meinst du ich will auch so enden?"
"Manchmal ist der Tod besser, als das Leben", flüsterte ich und wendete mich von ihm ab.
Er stand noch einige Minuten stumm über mir, dann ging er und die Tür fiel ins Schloss.

Ich fiel in einen langen traumlosen Schlaf. Irgendwann erwachte ich durch das quietschen der Tür. Ich wollte mich aufrichten, aber als ich mich mit meiner linken Hand abstützen wollte, wurde ich wieder meines gebrochenen Handgelenkes bewusst. Ich lehnte mich mühsam an die Wand und blickte hinauf zu dem jungen Mann, der langsam auf mich zu kam.
Er trug einen langen Mantel, der zwar in einem schlichten dunkelbraun war, aber auf eine so filigrane Weise genäht wurde, dass ich sofort erkennen konnte, dass der Mann wohlhabend war. Er hatte eine Kapuze über den Kopf gezogen, wodurch ich nichts von ihm erkennen konnte.
Er kniete sich vor mir nieder und zog die Kapuze nach hinten. Zum Vorschein kamen blonde leicht verwuschelte Haare und wunderschöne meerblaune Augen. Ich schätzte sein Alter auf ungefähr 25.
"Wer seid ihr?", brachte meine schwache Stimme gerade so hervor.
"Jemand, der euch helfen wird Salira. Und nun strengt euch nicht weiter an und lasst mich machen."
Ich nickte und ließ zu, dass er meine gebrochene Hand verband und meine Wunden abtupfte.
Nach einigen Minuten war er fertig verschwand still und heimlich ohne ein weiteres Wort.

Nur der Verband an meiner Hand war ein stummer Beweis dafür, dass er hier gewesen war.

Die nächsten Tage blieb ich in diesem kleinen Raum. Ab und zu wurde mir etwas zu Essen unter der Tür durchgeschoben und der fremde junge Mann erschien und kümmerte sich stumm um mich.
Nach ein paar Mal fragen hatte ich angegeben herauszufinden wer er war.

Langsam ging es mir wieder besser. Mein Kopf wurde klarer und die schmerzlichen Erinnerungen schlichen sich in mein Bewußtsein.
Noch immer fand ich es unfassbar, dass Jonah für mich gestorben war. Ein Mann, der mich kaum kannte und trotzdem darauf vertraute, dass ich alle retten würde.
Wie gerne würde ich auch daran glauben.
Doch ich saß hier. In dieser Zelle. Alleine und mittellos.
Doch was mich noch viel mehr beschäftige als der Tod meines Chefs, war der Verlust von Adoris.
Tränen stiegen in mir auf, als ich zurück an den Tag dachte, als mein Vater ihn mir geschenkt hatte. Wie waren zusammen durch dick und dünn gegangen.
Er war in den schweren Zeiten mein bester Freund gewesen. Und auch wenn Adoris nur ein Tier gewesen war, so hatte ich doch das Gefühl gehabt er würde mir bei all meinen Problemen zuhören und versuchen die schwere Last von mir zu nehmen.
Nun war ich ganz alleine.
Doch ich hatte nicht vor aufzugeben. Dass ich noch am Leben war verriet mir, dass Nevary noch nicht erfolgreich war. Die Drachenseele schlummerte noch immer in mir und ich würde alles dafür geben, dass dies auch so blieb.
Es machte mich nur nervös, dass er schon so lange keinen neuen Versuch mehr unternommen hatte.
Waren ihm die Ideen ausgegangen?

Gerade als ich daran zu glauben begann, dass er aufgegeben hatte, öffnete sich die Tür und ein Ritter trat herein.
Ich zog mich an der Wand hoch und versuchte stark zu wirken, was mir leider nicht so recht gelang. Meine Beine zitterten und ich musste schrecklich aussehen.
Der Scherge blieb vor mir stehen und grinste mich an.
"Komm mit, Nevary erwartet dich."
Als ich keine Anstalten machte mich von der Stelle zu rühren, packte er mich an meinem Oberteil und schleifte mich hinter sich her. Ich hatte große Mühe aufrecht zu bleiben.
Ich gab mir einen Ruck und riss mich los. "Ist ja schon gut. Ich kann alleine laufen", gab ich verbissen von mir.
Der Ritter nickte und führte mich durch lange dunkle Gänge hinauf.
Er blieb vor einer großen zweiflügeligen Tür stehen. Geräuschlos schwang sie auf und eröffnete mir den Blick auf einen düsteren gigantischen Thronsaal.
Der Mann lief weiter und ich folgte ihn widerwillig durch die Halle. Unsere Schritte kamen als Echo von den steinernen Wänden wider.
Links und recht ragten dicke verschnörkle Säulen empor und hielten die unendlich hoch zu scheinende Decke.
Banner von grausigen Schlachten waren an den Wänden angebracht worden und machten die Atmosphäre nur noch schauriger.
Die Krönung des ganzen war mein Bruder, der am anderen Ende der Halle auf einem erhöhten Thron saß. Sein blutrotes Gewand schien das einzige farbige in dem trostlosen Saal zu sein.
Der Ritter bog nach rechts ab und stellte sich zu einigen anderen Schergen.

Nevary erhob sich langsam von seinem Sitz und trat ein paar Schritte auf mich zu. Er blickte hinab und breitete die Arme aus.
"Liebstes Schwesterchen... Willkommen zum finalen Showdown."

Time to ReignWhere stories live. Discover now