Kapitel 18: Ein Licht erfüllt die Dunkelheit

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Nachdem wir uns auf den roten Kissen im Wohnzimmer bequem gemacht hatten und alles berichtet hatten, herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Alashanee starrte in die Luft und nickte immer mal wieder mit dem Kopf. Ihre Kreolen wippten im gleichmäßigen Takt an ihren Ohren. Pyero fingerte an seinem Ärmel herum. Er war sichtlich nervös, wie es nun weitergehen würde und ich wusste, dass es ihn wurmte, dass er nicht helfen konnte. Es lag nun alleine an meiner Tante und meinem Willen.

"Nun gut", durchbrach Alashanee unsere Gedankengänge. Normalerweise würde ich unter allen Umständen davon abraten die Drachenseele so abrupt zu öffnen, aber besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Ich werde dir helfen sofort an die Kraft zu gelangen. Aber sei gewarnt Salira, auch wenn du unglaublich stark bist, ich habe keine Ahnung, was passieren wird."

"Das ist in Ordnung für mich. Im Moment zählt nur, dass wir Skylar vor dem Anschlag retten und Nevary beseitigen. Sollte dies mein Ende bedeuten, so muss ich das akzeptieren." Ich klang bei Weiten nicht so stark, wie ich das gerne hätte. Ein dicker Klos hatte sich in meinem Hals gebildet und hinderte mich daran normal zu sprechen. Pyero an meiner Seite bemerkte meine wahren Gedanken und nahm meine Hand in seine. Obwohl die Hitze hier drin kaum zum Aushalten war, war die Wärme, die sein Körper ausstrahlte wundervoll. Diese kleine Geste stärkte mich und brachte mir neue Hoffnung, dass alles gut werden würde.

"Pyero, du musst nun etwas zurückgehen, wir brauchen Platz und du darfst sie unter keinen Umständen berühren." Der Prinz nickte und stand auf, während meine Hand noch immer in seiner ruhte. Dann beugte er sich noch einmal zu mir herunter und gab mir einen innigen Kuss. Schmetterlinge tanzten in meinem Baum und ich wünschte mir, dass dieser Moment niemals vergehen würde. Doch da löste sich Pyero auch schon wieder von mir. "Ich glaube an dich. Du schaffst das", flüsterte er mir in mein Ohr und ging widerwillig ein paar Meter zurück. Er ließ sich angespannt auf ein Kissen an der Tür sinken und fixierte mich ununterbrochen mit seinen Augen.

Alashanee deutete mir an mich in den Schneidersitz zu begeben. Während ich es mir einigermaßen bequem machte, breitete sie einige bunte Steine im Kreis um mich herum aus. Ich wusste, dass es sich bei den vielen Steinchen um jene handelte, die Verbindungen zu unseren Göttern hatten. Jede Farbe stand für eine Aufgabe und jede Aufgabe stand für eine Gottheit. Ich war erstaunt zu sehen, dass meine Tante wirklich alle Steine hatte. Sie mussten unglaublich wertvoll sein.

Zunächst machten wir dieselben Übungen wie immer. Dazu schloss ich die Augen, um mich nur noch auf mich selbst konzentrieren zu können. Mein Puls verlangsamte sich. Ich schottete die Außerwelt komplett ab und begab mich in eine Art Trancezustand. Sogar die Anwesenheit von Pyero vergas ich für einen Moment.

"Nun höre in dich hinein. Suche deine Drachenseele und finde sie", sprach Alashanee mit derselben monotonen Stimme. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie ich etwas in mir suchen sollte, dass ich in meinen 22 Jahren noch nie gespürt hatte. Naja bis auf das eine Mal halt, als ich kurz davor stand durch Dakos Hand zu sterben.

Weil diese Situation der einzige Anhaltspunkt war, den ich hatte, zwang ich mich dazu diesen Tag, der zu den schmerzlichsten in meinem Leben gehörte, wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Ich wieder Nevarys grausames Lachen, spürte den Schmerz der klaffenden Bauchwunde und sah in Dakos düstere Augen. Es wurde so real, dass ich spürte wie eine Träne meine Wange hinunterrann. Mein Körper begann zu zittern und ich schwitzte noch mehr, als ich es eh schon tat. Auf einmal breitete sich eine wohlige Wärme in meinem Inneren aus. "Es wird alles gut werden", wisperte eine Stimme. "Ich brauche dich nun", sagte ich in Gedanken. "Bitte öffne dich mir. Ich bin bereit für deine Macht."

Die Stimme stieß ein leichtes Kichern aus. "Jetzt auf einmal." Ich verdrehte genervt die Augen. Zeit für Spielchen hatte ich nun wirklich nicht. Doch ich kam bestimmt nicht weiter, wenn ich den Drachen drängelte. Schließlich war er ein selbst denkendes Wesen und vermutlich störrisch noch dazu. Also besann ich mich auf Geduld. "Ich bitte dich. Ich brauche dich. Nur mit deiner Hilfe kann ich den Mann besiegen, der Schuld an dem Tod aller Drachen ist. Willst du dich nicht auch an ihm rächen? Gemeinsam haben wir die Macht."

Das hatte gezogen. Erst hatte die Stimme noch gegrummelt, doch dann stimmte sie mir zu, dass ich Wohl oder Übel Recht hatte. "In Ordnung. Ich gebe dir meine Kraft." Triumphierend musste ich grinsen. In meinem Bauch begann es zu murren. Es wurde heißer und heißer, bis es fast unerträglich wurde. Doch in dem Moment, als ich dachte, dass es nun zu schlimm wurde, explodierte ein Feuerwerk in mir. Wie die Adern eines Vulkans floss die Wärme in jeden Bereich meines Körpers. Alle Angst, die ich noch gerade durch das Hervorrufen des Kampfes in mir hatte, war verschwunden. Ein Gefühl des Schwebens ergriff mich. Der Boden unter mir verschwand und meine Füße hingen locker in der Luft. ich wusste nicht, ob es nur ein Gefühl war, oder ob ich tatsächlich flog. Doch erstaunte Ausrufe von Pyero und sogar von Alashanee überzeugten mich davon, dass es nicht nur in meinem Kopf passierte.

Ich öffnete die Augen und musste sie sogleich wieder zusammenkneifen, denn gleißendes Licht, wie von der Sonne selbst strahlte von mir aus. Meine langen, nun schneeweißen Haare schwebten um meinen Kopf herum. Aber nicht nur ich flog. Auch die Steine der Götter und viele andere kleine Gegenstände, die überall im Raum verteilt gestanden hatten, hingen in der Luft.

Ich lächelte Pyero erfreut an. Ich fühlte mich unendlich stark und rein. Nichts Negatives befand sich mehr in meinem Organismus. Ein Gefühl der Macht und unbegrenzter Möglichkeiten erfüllte mich.

Pyero schritt auf mich zu und reichte mir seine Hand nach oben. Ich ergriff sie und er zog mich hinab auf den Boden. Das strahlende Licht erlosch und alles war wieder in das rote Licht getaucht, welches sonst diesen Raum beherrschte.

Glücklich fielen wir uns in die Arme. Wir beide waren sprachlos durch das eben Geschehene. Wir konnten nur eng umschlungen hier stehen und das pure Glück, welches uns erfüllte genießen. Ich war mir sicher. Ich konnte meinen Bruder töten. Zwar hatte er nicht nur die Drachenseele sondern auch noch seine Magierfähigkeiten und viel mehr Erfahrung, aber ich wusste, dass meine Macht so rein und stark war, dass ich es so auch schaffen konnte.

Alashanee beglückwünschte mich, warnte aber auch davor, dass es sein konnte, dass es nicht so positiv blieb. Noch war ich gestärkt und konnte mit der Macht umgehen. Aber keiner konnte wissen, wie es in ein paar Stunden aussah.

"Ich habe noch etwas für dich", sprach sie und verschwand in einem Nebenraum. Etwas später kam sie mit einem Amulett zurück. Es war ein weißer Sein, der etwas so groß war wie eine Walnuss und genauso rund. Er hing an einer silbernen Kette.

Vorsichtig legte sie das Ganze in meine geöffneten Hände. "Dies hier ist ein Magieschlucker. Ich glaube es ist für uns alle besser, wenn du Nevary nicht tötest, sondern ihm nur seine Macht nimmst. Der Stein wird alles aufsaugen, ob Drachenseele oder Magierkraft. Er wird es in sich speichern und eine andere Farbe annehmen. Wenn du deinen Bruder töten würdest, wo wäre seine Macht für immer verloren und es gibt eh schon zu wenig Drachenmagie in dieser Welt. Und wer weiß... vielleicht werden wir sie irgendwann noch brauchen. Und ganz nebenbei angemerkt: Königsmord war noch nie eine gute Idee. Auch wenn es sich hier um einen besonders bösartigen Herrscher handelt."

Ich nickte ihr zu, hängte mir das Amulett um den Hals und versteckte es unter meinem Gewand.

Ich hob meinen Helm auf und nachdem wir uns bei Alashanee bedankt hatten und sie uns alles Glück der Welt gewünscht hatte, gingen wir hinaus.

Mit ihren Tipps, die sie mir gerade noch verraten hatte, würde ich es locker schaffen Nevary zu besiegen. Unsere Laune war auf einem Höhepunkt und auch ein aufkommendes Gewitter konnte uns nicht umstimmen.

Langsam ritten wir zurück zum Schloss. Hinein in den aufziehenden Sturm.

Time to ReignWhere stories live. Discover now