Kapitel 20: Auf der Brücke der Entscheidung

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Der Hof war voller Bediensteter und Ritter, die sich eilig auf die Parade vorbereiteten. Eine wunderschöne weiße Senfte stand mitten im Hof. Skylar, die ein langes traumhaftes blaues Kleid trug unterhielt sich daneben mit einigen Wachen.

Pferde wurden in den Innenhof gebracht, die allesamt den selben weißen Sattel trugen.
Pyero begab sich zu seiner Schwester, er würde direkt neben ihr reiten, während Nevary und sie in der Senfte platznehmen würden.
Ich sollte mit ein paar anderen Rittern das Schlusslicht bilden, da ich so gut den ganzen Zug überblicken konnte.

Nervös zog ich mich in den Sattel und nahm meinen Platz in der Aufstellung ein. Man hatte mir Sturmwind gegeben, was ich normalerweise sehr schön gefunden hätte, denn ich mochte den Hengst, aber ich war so aufgeregt, dass er aufgebracht auf der Stelle tänzelte und ich mal wieder Mühe hatte ihn dazu zu bringen auf seinem Platz zu bleiben.

Und dann ging es los. Quer bahnte sich der Umzug den Weg durch die schmalen Gassen, die immer breiter wurden, je näher wir der Stadtmitte kamen. Erst standen vereinzelt Menschen an den Seiten und jubelten Skylar zu, die aus der Senfte hinaus den Zuschauern zuwinkte. Nevary hielt sich still und versteckt. Er wusste natürlich, dass ihn sowieso keiner sehen wollte.

Als wir auf den großen Marktplatz kamen staunte ich wie viele Menschen sich hier her begeben hatten, um die Königin zu sehen. Wir hielten kurz und Skylar zeigte sich dem Volk einen Moment.

Sie bekam Geschenke wie Blumen und nahm dankend alles entgegen. Sie war eine tolle Königin. Alle liebten sie wegen ihrer Gerechtigkeit und auch ihre Schönheit trug da sicher etwas dazu bei.

Langsam konnte ich die Spannung kaum mehr aushalten. Nur noch wenige Meter trennten den Umzug von der Brücke, dem Ort, an dem das ganze Unheil stattfinden sollte. Ich bemerkte wie sich meine Hand unbewusst an den Schaft meines Schwertes geklammert hatte. Meine Haut war eiskalt und schweißnass, trotz der Hitze, die sich mittlerweile hier in den Gassen gebildet hatte. Die Knöchel meines Handrückens traten weiß hervor, so drückte ich zu.

Und schon ging es weiter. Ich hatte es erst gar nicht bemerkt und wurde deswegen unwirsch von einem der anderen Ritter angeschnauzt, dass ich die Aufstellung nicht verlassen durfte.

Beschämt, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren konnte, holte ich wieder zu den anderen auf. Wir ritten zwischen weiteren Häusern durch und da lag sie vor mir. Die Brücke. Sie war so unscheinbar und harmlos. Am liebsten hätte ich geschrien und allen gesagt, dass der Tod dort vorne auf sie wartete. Doch ich musste stumm bleiben. Dako, der links von der Senfte auf der Höhe von Pyero ritt, drehte sich zu mir nach hinten um und grinste mich vielsagend an. Mir lief ein Schauer über den Rücken.

Und dann ging alles ganz schnell. Als die Senfte den Mittelpunkt der Brücke errreicht hatte, während ich noch nicht mal am Anfang der Brücke war, tauchten aus allen möglichen Ecken zwischen den Häusern vermummte Personen auf. Sie trugen alle sandfarbene Kleidung, die den gesamten Körper bedeckte. Nur die Augen waren frei. Schreiend stürzten sie sich auf die Ritter, die sofort in Kampfstellung gingen, um die Herrscher zu beschützen. Von Weiten erkannte ich Pyero, der von seinem Pferd gesprungen war und die Öffnung der Senfte verteidigte.

Sturmwind stieg und ich konnte mich gerade noch so festhalten. Ich trieb ihn zwischen den Menschen hindurch direkt auf Dako zu. Er war gerade dabei gegen ein paar meiner Ritter der Leibgarde zu kämpfen. Ich sprang von dem Hengst und riss Dako um. Ich musste grinsen, als ich sein verdutztes Gesicht unter mir. "Hast du wirklich im Ernst geglaubt, dass ich zulasse, dass du und mein Bruder Skylar tötet?" Ich stand auf und richtete mein Schwert direkt auf sein Gesicht. "Der Tag der Abrechnung ist gekommen. Weißt du noch, ich habe dir versprochen, dass ich dich eines Tages töten werde." Dako blieb stumm und konzentrierte sich nur darauf meine Schläge zu parrieren. Während wir so kämpften, was nebenbei sehr einfach für mich war, ließ ich meinen Blick zu Skylar schweifen. Sie und Nevary hatten mittlerweile die Senfte verlassen und er stellte sich heldenhaft vor sie, um sie vor den Angreifern zu schützen. Das war aber natürlich nur Tarnung. Bald würde sicher einer der Rebellen sich so auf Skylar stürzen, dass er nichts machen konnte. Und dann würde er triumphieren.

Ich sah wie Nevary jemanden zunickte und dieser schlich sich an Skylar heran. Sofort ließ ich von Dako ab und eilte auf die andere Seite von der Brücke. Nevary bemerkte mich und hob seine Hand. Ich wurde zurückgeschleudert und landete auf dem Boden. Dabei rutschte der Helm zur Seite und meine Haare kamen zum Vorschein. Panisch rappelte ich mich auf. Jetzt musste es ganz schnell gehen. Nevary hatte meine Haarfarbe sofort bemerkt und seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. Schon wieder rannte ich auf Skylar zu, die nur Augen für Pyero hatte, der links von uns kämpfte. Sie hatte ganz sicher Angst um ihn. Den nächsten magischen Schlag konnte ich abwehren und so waren nur noch wenige Meter zwischen dem Königspaar und mir. Mein Bruder zog nun sein Schwert und hielt mich so auf Abstand. Nun bemerkte auch Skylar mich und warf Nevary verwunderte Blicke zu. "Was soll das Nevary? Salira will uns sicher nur helfen!", fuhr sie ihn an. "Ja sicher", war die Antwort, doch das Schwert ließ er immer noch erhoben.

Doch dann erregte plötzlich etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Ich drehte mich um und sah, was er betrachtete. Dako hatte eine Armbrust erhoben und zielte damit auf Skylar. Mein Blick ging zwischen Nevary und ihm hin und her. Der König war unauffälig ein paar Schritte von seiner Frau weggetreten, damit sein Ritter freie Schussbahn hatte.

Dako spannte den Pfeil ein und schoss. Wie in Zeitlupe flog der totbringende Pfeil auf Skylar zu. Ich sprang in die Flugbahn und erhob meine Hände. Ich wollte einen Schutzwall erstellen, so wie am Abend zuvor bei dem Kissen. Die unsichtbare Wand entstand, doch der Pfeil schwebte nicht wie erwartet vor mir in der Luft. Als ich ein Aufkeuchen von Skylar hinter mir vernahm, ließ ich meinen Blick hinuntergleiten. Meine Hände begannen zu zittern, als ich sah, dass der Pfeil sich unterhalb des Schlüsselbeins in mein Fleisch gebohrt hatte. Starr vor Schreck und Entsetzen, dass er so knapp mein Herz verfehlt hatte, sank ich auf den Boden. Ich bekam keine Luft mehr. Erst landete ich auf den Knien, dann kippte ich kraftlos zur Seite. Mein Kopf schlug hart auf dem Boden auf. Alles begann zu verschwimmen. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und sah einen triumphierenden Nevary. Zwar war sein Ziel gewesen Skylar zu töten. Aber war mein Tod nicht noch viel besser?

Pyero stürzte auf mich zu und bettete meinen Kopf auf seinem Schoss. Panik stand in seinen Augen geschrieben, als er mir meine Haare aus dem Gesicht strich. "Bleib wach Salira. Bitte bleibe bei mir", hauchte er. Seine Stimme klang brüchig. Pyero war den Tränen nahe.

"Es ist gut Pyero. Pass auf deine Schwester auf. Nevary wird sich niemals hiermit zufrieden geben."

Eine einzelne Träne lief über seine Wange. Erst schüttelte er den Kopf, dann nickte er hecktisch.

Das alles hier war so unglaublich schief gelaufen. Ich hatte weder Dako noch Nevary aus dieser Welt streichen können. Zu viele von Skylars Rittern lagen tot um uns herum. Wer sollte die Königin jetzt beschützen? Ich wusste, dass Pyero stark war, aber gegen meinen Bruder und seine Ritter würde er niemals ankommen. Ich fragte mich, warum der Drache nur mich ausgewählt hatte. Ich war so schwach. Nicht einmal mit solchen starken Kräften konnte ich irgendetwas ausrichten.

Mein Atem ging immer schwerer, bis ich fast keine Luft mehr bekam. Die Wunde brannte. Die Welt um mich herum, verschwamm und verwandelte sich in ein strahlend helles Licht. Ich nahm nichts mehr wahr, was geschah. Das Licht lockte mich an. Ich wusste, dass wenn ich dem Drang nachgeben würde, würde ich auf jeden Fall sterben. Aber wollte ich überhaupt noch kämpfen? Dieser kurze Zweifel reichte schon und ich konnte das Licht nicht mehr abhalten. Ich begann zu fallen. Tiefer hinab. Ich konnte mich nicht mehr halten. Und ganz unten begann ein schwarzer Punkt zu erscheinen. Er wurde größer und größer und ich wusste: es war die Hölle.







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