Kapitel 26: Neue Welt - Alte Bekannte

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Verträumt stand ich auf dem Balkon, der an meine Zimmer grenzte. Schon lange hatte ich nicht mehr die Zeit einfach stehen zu bleiben und einen Moment zu genießen.

Die Sonne versank gerade im Meer und tauchte die Landschaft in warme Farben. Wie jeden Abend war dies die Zeit, in der die ersten leuchtenden Steine in der Stadt erglommen.

Doch heute war alles anders. Tausende und Abertausende Lichter erstrahlen seit Stunden und die Stadt schien ein einziger leuchtender Ball zu sein.

Die Feiern hatten kurz nach meinem Sieg begonnen und würden auch noch Tage andauern.

Skylar und ihr Bruder hatten in Windeseile ein Fest auf die Beine gestellt und jeder Adelige, der sich in der Nähe befand, hatte sein kommen zugesagt. Der Weg zum Schloss hinauf war eine einzige Schlange aus Menschen, die alle hoch zum Fest drängten.

Mein Bruder war sofort außer Reichweite gebracht worden, denn man hatte Angst, es würde nun Mutige geben, die ihn umbringen wollten, so machtlos und schwach wie er vor allen gestanden hatte.

Nun saß er in einem Verlies tief unten im Schloss. Ich hatte es nicht gewagt ihn zu begleiten. Ich konnte ihm nicht länger in die Augen sehen. Am liebsten würde ich ihn nie wieder sehen, da ich Angst hatte, dass meine Schuldgefühle nur stärker werden konnten.

Doch bei der Verhandlung, bei der entschieden werden würde, was mit ihm geschehen würde, musste ich noch ein mal vor ihn treten, denn ich hatte als Blutsverwandte ein Vorrecht darauf zu entscheiden. Am liebsten hätte ich es einfach Skylar überlassen oder ihren Rittern, aber ich wusste, dass es meine Pflicht war.

Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich erst jetzt merkte, dass sich meine Hand schon die ganze Zeit um den Osranum geschlossen hatte.

Vorsichtig nahm ich das Amulett ab und wog es in meiner Hand hin und her. Es war warm, fast schon heiß und schien zu pulsieren.

Der Stein hatte die Farbe des Blutes angenommen, mit schwarzen dicken Fäden durchzogen. Es waberte hin und her. Es war ein seltsames Gefühl etwas so kleines in meiner Hand zu halten, was für so viel Zerstörung in dieser Welt gesorgt hatte.

Auch wenn ich selbst die Kräfte niemals benutzen wollte, wollte ich den Stein nicht mehr abnehmen. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen und es gäbe auch niemanden, dem ich den Osranum anvertrauen würde. Nicht einmal Emis, obwohl ich ihr vollkommen vertraute.

Es war ein seltsames Gefühl, welches mir sagte, dass ich diese Macht niemals aus den Händen geben sollte.

Plötzlich klopfte es an der Tür und ich steckte den Stein eilig unter mein Gewand.

Halia und Romina erschienen, um mich für die Feierlichkeiten herzurichten.

Ich setzte mich auf einen Stuhl vor den Spiegel und lauschte ihren Erzählungen. Vor allem Halia hatte immer etwas zu berichten. Oft erzählte sie mir Geschichten aus diesem Reich, was mir sehr gefiel, da es mich ablenkte und ich gleichzeitig etwas über das Land lernte, in dessen Hauptstadt ich nun schon fast ein halbes Jahr lebte.

Nach kurzem Überlegen entschied ich mich für ein seidenes langes Kleid in einem hellen pastelligem Grasgrün, verschmückt mit dunklen Ästen und Blättern. Meine Haare ließ ich offen über meine Schultern hängen. Romina befestigte lediglich ein paar dünne Kettchen in meinem Haar, welche genauso aussahen wie die Stickereien des Kleides.

Ich bedankte mich bei den beiden und lud sie zu dem Fest ein. Sie hatten es sich wirklich verdient und außerdem waren viele anwesend, die nicht aus den höchsten Adelsfamilien stammten.

Ausgelassen und überglücklich huschten die beiden aus meinen Zimmern, um sich fertig zu machen.

An der Tür wären meine Zofen fast mit Pyero zusammengestoßen, der im selben Moment den Raum betreten wollte.

Time to ReignWhere stories live. Discover now