Kapitel 5: Die Frau

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Während er sprach kam er langsam die Stufen hinunter, auf mich zu.
"Ich habe es wirklich mit allem versucht. Habe jede mögliche Zauberformel ausprobiert, aber du bist hartnäckiger als ich dachte. Ich habe dich unterschätzt, das muss ich zugeben.
Ich habe schon daran gezweifelt deine harte Schale zu knacken, bis ich letzte Nacht plötzlich einen Geistesblitz hatte.
Es kam mir einfach so in den Sinn, als würde eine höhere Macht wollen, dass ich deine Drachenseele erhalte.
Ich habe mich so abgemüht. Dabei ist es doch so einfach. Der Drache in dir will dich beschützen liebste Schwester."
Er war bei mir angekommen und strich mit seiner eiskalten Hand über meine Wange. Ich drehte mich angeekelt zur Seite. Doch daraufhin umschloss er mein Kinn und zwang mich in seine hasserfüllten pechschwarzen Augen zu blicken.
"Das Einzige, was ich zu tun habe, ist zu warten. Der Drache wird sich in der richtigen Situation von alleine zeigen."
Er drehte sich um und ging zurück zu seinem protzigen Thron.
"Und diese Situation wird jetzt sein. Ich habe einen ganz speziellen Freund von uns beiden gebeten, diese wundervolle Aufgabe zu übernehmen."
Oben angekommen wendete er sich erneut zu mir um und deutete mit seiner Hand hinunter zu den Rittern.
Daraufhin löste sich einer aus der Aufstellung und nahm seinen Helm ab. Es war Dako. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Was hatte Nevary nur vor?
Dako kam auf mich zu und zog eines seiner beiden Schwerter. Es war einfach und sah nicht gut geschliffen aus.
Er drehte es und reichte es mir. Zögernd blickte ich auf die Waffe.
"Nimm es nur Salira. Ich gebe dir die Chance dich zu retten."
Hatte ich eine andere Wahl?
Ich umschloss mit meiner rechten Hand den Schaft des Schwertes. Dako ließ es los und ich stöhnte auf, als das Gewicht dieses Klotzes meinen Arm nach unten riss.
Dako konnte sich ein Auflachen nicht verkneifen.
Er ging ein Stück zurück und zog seine zweite Waffe. Mit meinem geschulten Blick als Schmiedelehrling erkannte ich wie perfekt diese Klinge war. Kein Vergleich zu dem Ding, was er mir gegeben hatte.
"Nun Schwester. Ich habe mir gedacht, dass deine Seele mit Sicherheit erscheint, um dich vor dem Tod zu bewahren. Also setzte ich mich nun hier auf meinen Thron und genieße das Schauspiel.
Mir ist klar, dass du keine Chance gegen Dako hast, vor allem nicht in deinem Zustand. Aber ich kenne dich. Du wirst alles geben. Du wirst nicht kampflos untergehen. Und das wird mein Triumph sein.
Also beginnt."

Dako begann langsam mich zu umkreisen. Er drehte seine Waffe spielerisch in der Hand hin und her und wollte mir so bewusst machen wie einfach es werden würde für ihn und was es für eine Freude war.
Ich drehte mich langsam mit und versuchte mir einen Plan zu überlegen.
Wie konnte ich ihn nur schlagen? Stärker war er auf jeden Fall. Aber normalerweise nicht schneller.
Dakos Vorteil war sein massiver Körperbau. Meiner die Gewandtheit, wenn man davon in meinem Zustand überhaupt noch sprechen konnte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit rannte Dako brüllend auf mich zu. Sein Schwert hatte er über seinen Kopf gehoben. Ich sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite bevor es niederschnellte und Funken sprühten, als es auf den Steinboden traf.
Immer wieder holte Dako aus und versuchte mich zu treffen. Doch ich schaffte es jedes Mal zur Seite zu springen oder den Schlag zu parieren.
Doch ich merkte, wie mir so langsam die Kraft ausging.
Ich konnte das Schwert nur noch mit beiden Händen gleichzeitig halten und die Hiebe des Ritters zischten immer näher an mir vorbei.

Gerade war ich erst zur Seite gehechtet und schon wieder schlug Dako zu. Ich sah die Klinge kommen, doch mein Reaktionsvermögen hatte deutlich nachgelassen. Ich drehte mich zur Seite, sodass ich nicht von dem Schwert durchbohrt wurde, dafür schlitzte es mich aber seitlich am Bauch auf.
Ich stieß einen Schrei aus und sank zu Boden. Mein Schwert fiel scheppernd neben mich nieder.
Sofort quoll Blut aus der Wunde und tränkte mein Oberteil in einem intensiven Rot. Mein Atem ging immer schneller und unregelmäßiger. Bald bekam ich nicht mehr richtig Luft. Ich versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch sie sackten einfach wieder unter mir zusammen.

Langsam blickte ich auf und sah in Dakos dunkelbraune Augen.
Er grinste und hob sein Schwert erneut an.
Ich zwang mich dazu ruhig zu bleiben. Klar würde er mich nun töten, aber wenn ich jetzt panisch werden würde, würde meine Drachenseele vermutlich zum Vorschein kommen und das musste ich unter allen Umständen vermeiden.
Also blickte ich ihn einfach nur an.
Ich merkte, wie seine Hände anfingen zu zittern. Gegen mich zu kämpfen war eine Sache, aber eine Prinzessin zu töten eine andere.
Von Weitem vernahm ich Nevarys Stimme, die Dako anschrie es endlich zu vollbringen.
Der Ritter über mir kämpfte mit sich. Einen Moment erkannte ich Angst und Bedauern in seinen Augen, doch dann wurden sie starr und kalt.
Er festigte den Griff um den Schaft des Schwertes, war bereit es zu Ende zu bringen.
Doch in dem Moment als die Klinge auf mich hinab sauste, vernahm ich eine weibliche Stimme.
Die Frau hatte so viel Kraft und Bestimmtheit in sie gelegt, dass Dako augenblicklich die Waffe sinken ließ.

Nevary stöhnte, als Dako einen Schritt zur Seite trat und den Blick auf eine wunderschöne Frau frei gab.
Sie trug ein langes hellblaues Kleid, das ihrem Körper umschmeichelte. Ihre langen blonden Haare fielen in leichten Wellen über ihre Schultern.
Selbstsicher schritt sie durch den Saal direkt auf Nevary zu.
Rechts und links von ihr liefen zwei Ritter in silbernen Rüstungen, mit einem hellblauem Wappen. Alles an ihnen war perfekt auf die Frau abgestimmt.
Vor der Treppe blieb sie stehen und blickte zu Nevary auf. Obwohl er oben auf seinem Thron saß, wirkte er klein und eingeschüchtert in ihrer Gegenwart.
"Wie kannst du es wagen in meinem Schloss so ein Theater zu veranstalten!", erhob sie ihre Stimme und erfüllte damit den ganzen Raum.
"Habe ich dir nicht oft genug gesagt, dass ich es nicht mehr dulde, dass du Gefangene meines Landes so behandelst?"

Sprachlos blickte ich zwischen der majestätischen Frau und meinem kleinlaut gewordenen Bruder hin und her. Noch nie in meinem Leben hatte ich gehört, dass es jemand wagte so mit Nevary zu sprechen. Normalerweise bedeutete das den Tod für den zu vorlaut gewordenen.

Doch in diesem Fall geschah nichts. Nevary schnaupte nur verächtlich, machte eine Handbewegung und lief zusammen mit seinen Schergen aus dem Thronsaal.
Doch ein "darüber werden wir noch mal sprechen" konnte er sich dann doch nicht verkneifen, bevor er mit wehendem Umhang davon schritt.

Erleichtert löste sich jede Anspannung in meinem Körper. Ich wurde mir wieder des gebrochenen Handgelenkes und der klaffenden Bauchwunde bewusst.
Ich kippte zur Seite und alles verschwamm vor meinen Augen. Das letzte, was ich sah, war wie die anmutige Frau ihren Rittern ein Handzeichen gab und diese auf mich zu kamen.

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