Kapitel 24: Und der Mond wird auf ewig ein Zeuge sein

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Vor fast sieben Wintern im Schloss von Simaris, Hauptstadt Nuvyennes

Unruhige Träume durchzogen meinen Schlaf und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Als ich aufwachte war es mitten in der Nacht. Der Vollmond schien hell in mein Gemacht und verlieh der düsteren Ausstattung des Raumes etwas Glanz. Die schweren dunkelgrünen Vorhänge hatte ich beiseite geschoben, um den in Silber getauchten Wald betrachten zu können und die weiten Berge des Sirus in der Ferne, die wie Ungeheuer in der Nacht auf mich wirkten. Ich liebte Nuvyenne und die Stille, die sich des nachts über das Reich legte. Schon so oft hatte ich hier an den hohen Fenstern gestanden und einfach nur die Landschaft betrachtet. Dabei tat ich dies in der Nacht sogar noch lieber, als am Tage, denn jetzt schien alles so friedlich und rein. Tagsüber musste ich meine Eltern sehen, die sich Sorgen um meinen kleinen Bruder machten, der schon seit Monaten verschwunden war. Ich wusste, dass sie eine Ahnung hatten wohin es ihn verschlagen hatte, aber ihre Gedanken behielten sie für sich. So konnte ich nur hoffen, dass Nevary eines Tages wieder den Weg nach Hause zu seiner Familie finden würde.

Verträumt blickte in auf den vollen und strahlenden Mond, als ich plötzlich Lichter in der Ferne zwischen den Bäumen bemerkte. Sie kamen rasch näher und ich erkannte, dass es viele Reiter waren, die in vollem Galopp auf das Schloss zujagten. Ich beobachtete sie, bis die Mauern der Burg mir den Blick auf sie verwehrten. Ich fragte mich, was diese Reiter wohl mitten in der Nacht hier zu suchen hatten und dazu auch noch mit so viel Eile hier eingetroffen waren. Unsicher lief ich im Zimmer auf und ab und überlegte, ob ich nachsehen sollte, was geschehen war, als plötzlich ein Schrei die Stille der Nacht durch riss. Ein Schauer lief mir über den Rücken und eine dicke Schicht Gänsehaut bedeckte meinen gesamten Körper, als ich die Stimme meiner Mutter wiedererkannte. Ohne noch länger zu warten schnappte ich mir meinen dunklen Morgenmantel und rannte hinaus in den Flur. Ich befand mich im zweiten Stock und so hatte ich ein gutes Stück zurückzulegen, bis hinunter, woher der Schrei meiner Mutter Masyla gekommen war. Panisch vor Angst um ihr Leben hastete ich, so schnell meine Beine mich trugen, die Gänge entlang und die Treppen hinab. Es war unangenehm still und ruhig in den Fluren. Niemand kam aus seinem Zimmer um nachzusehen. Vielleicht hatte auch einfach keiner den Schrei vernommen. Vorsichtig und sehr langsam tastete ich mich die letzten Stufen hinab in den Eingangsbereich. Auch hier war niemand zu sehen und nur das Mondlicht erfüllte die leeren Hallen des Schlosses. Aber als ich nach rechts um die Ecke blickte, in die Richtung, in der der Thronsaal lag, so erkannte ich orangefarbenes Licht von Fackeln, welches an den Wänden entlangkroch.

Schritt für Schritt näherte ich mich dem Saal, aus welchem aufgeregte Stimmen erklangen. Die zwei Flügel des Eingangs waren leicht geöffnet und so konnte ich in den Saal hinein spähen.

Ich musste mir selbst den Mund zuhalten, sonst hätte ich geschrien, bei dem Anblick, der sich mir bot. Mitten im Saal stand mein Vater umringt von Rittern in schwarz roten Rüstungen. Sie alle hatten ihre Schwerter gezogen, wie auch Raergo, der die Männer versuchte auf Abstand zu halten. Neben ihm im Kreis erkannte ich meinen Bruder, der sich sehr starkverändert hatte, was mich sehr schockte. Seine Haare waren nicht mehr dunkelbraun, sondern pechschwarz, wie auch seine Augen. Er wirkte alt und grausam. Seine Gesichtszüge waren verhärtet und seine Haut unnatürlich blass. Was war nur mit ihm geschehen? Ich hatte meinen Bruder immer als lieben und rücksichtsvollen Menschen in Erinnerung gehabt und nun stand er da und bedrohte meinen Vater mit einem Schwert. Doch dies, war es nicht, was mich so geschockt hatte, obwohl alleine der Anblick meines Vaters, der von meinem Bruder bedroht wurde, genug sein sollte.

Links von meinem Bruder lag meine Mutter am Boden. Sie lag auf dem Rücken und ihr Blick ging starr nach oben an die hohe Decke. Ihr Körper war verdreht und lag in einer unnatürlichen Haltung am Boden. Bei nur diesem Anblick, hätte ich gehofft, dass sie nur irgendwie unter Schock stand, aber das Blut, welches sich unaufhaltsam den Weg über den dunklen Steinboden bahnte, ließ keine Zweifel mehr, dass meine Mutter tot war.

Time to ReignWhere stories live. Discover now