Kapitel8

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Zacks Sicht

Wie so oft habe ich einfach keine Lust aufzustehen, aber leider bleibt mir nichts anderes übrig. Verschlafen schleppe ich mich in die Küche um mir einen Kaffee zu holen. Devil ist grundsätzlich immer vor uns anderen wach, meistens auch schon lange aus der Wohnung raus, und macht für uns alle Kaffee. Heute ist er noch da als ich in die Küche komme. Was mich wundert ist, er ist nicht alleine. Er steht zusammen mit meinem jüngeren Bruder, Cameron, in der Küche und unterhält sich mit ihm. „Zack", begrüßt Cam mich freudestrahlend. „Hey. Was machst du hier?", antworte ich verwundert und nehme den Kaffee entgegen, den Devil mir reicht. „Wir sind die Nacht von der Klassenfahrt zurück gekommen und haben heute keine Schule. Da hab ich mir gedacht, komme ich meinen Lieblingsbruder besuchen", grinst Cam mich an und schließt mich in eine Umarmung. „Normale Menschen würden schlafen", erwidere ich und setze mich an den Frühstückstresen. „Normal bin ich ganz und gar nicht. Außerdem hab ich von Sonntag gehört, da dachte ich mir, ich komm vorbei", grinst Cam. Bevor ich irgendwas antworten kann, klingelt es an der Tür und Cam rennt los um sie zu öffnen. Als er so durch die Tür raus aus der Küche stürmt, muss ich sofort an das Familien Weihnachtsfest von vor 2 Jahren denken:

„Der Junge von gegenüber hat einen Freund. Ich hätte nicht gedacht, dass er schwul ist. Der arme Junge, er ist so ein Lieber, aber jetzt ist es wohl zu spät für ihn. Ihr wisst ja, dass Schwule in die Hölle kommen", erzählt Oma. Ich bin etwas sprachlos, auch Cam, Opa und Mark, unser Cousin, sagen nichts. Ich schaue kurz zu Cam, der die Zähne zusammen beißt und ganz und gar nicht glücklich aussieht. Anscheinend haben auch die übrigen am Tisch Omas Kommentar gehört, denn alle sind still und schauen sie an. Plötzlich springt Cam auf und verschwindet. „Wohin gehst du?", fragt Mark verwundert. „Ganz offensichtlich in die Hölle!", damit verlässt er den Raum. Alle außer mir sind so ziemlich geschockt, Oma fällt die Gabel aus der Hand, welche klirrend zu Boden geht und Dad schnappt entsetzt nach Luft. Mir persönlich hat Cam nie gesagt, dass er schwul sei, aber ich wusste es einfach oder hatte es zumindest im Gefühl. Als sich keiner rührt, stehe ich auf und folge Cam.

„Woran denkst du?", reißt Cam mich aus meinen Gedanken. „An das wahrscheinlich ungünstigste Coming-out", grinse ich. Im Nachhinein hat unsere Familie diese Neuigkeit ganz gut aufgenommen, obwohl es meistens eher Tod geschwiegen wird. „Das waren witzige Weihnachten", lacht Cam und setzt sich zu mir. „Ich wäre so gerne dabei gewesen", überlegt Devil und setzt sich ebenfalls zu uns. „Wer nicht?! So was passiert schließlich nicht oft. Aber wenigstens hat sogar Oma später akzeptiert, dass ich schwul bin", meint Cam.

Wir reden noch eine Weile bis ich mich schließlich fertig machen muss. Erst ist Cam beleidigt, als ich trotz seines Besuches vorhabe zu meinen Vorlesungen und später zur Arbeit zu gehen. Nachdem Devil, dann aber meinte er würde heute nicht zur Uni gehen, war Cam wieder glücklich.

Anderthalb Stunden später sitze ich dann in meiner ersten Vorlesung (Medienrecht) und wünsche mir ich wäre zu Hause geblieben. Ich studiere an der Hochschule für populäre Künste Musikproduktion und an sich ist es ziemlich geil, vor allem weil es sehr Praxis orientiert ist. Aber die ganzen theoretischen Dinge gehen mir manchmal wirklich auf die Nerven. Nach Medienrecht und Musikwissenschaft hab ich noch Komposition1, hier schreiben wir momentan eigene Songs was ziemlich cool ist. Da ich schon ziemlich lange eigene Songs schreibe, fällt es mir ziemlich leicht, im Gegensatz zu Flo einem Studienfreund. Als auch dieses Seminar endet, beschließen Flo und ich was essen zu gehen, bevor ich in die Plattenfirma muss, in der ich als studentische Hilfskraft den Job des Bimbo-für-alles habe. Die meiste Zeit hängt Flo seinen Gedanken hinterher, ihn scheint es wirklich sehr mitzunehmen, dass ihm das Songs schreiben so schwer fällt. Das Schweigen kommt mir aber ziemlich gelegen, denn so hab ich genug Zeit meinen eigenen Gedanken hinterher zu hängen.

Heute Abend ist mein Date mit Emma und irgendwie bin ich schon ziemlich neugierig. Eigentlich muss ich heute Abend arbeiten, aber nachdem ich herausgefunden habe, dass sie Musik liebt, dachte ich mir ich könne sie einfach mitnehmen. So richtig Arbeit ist es ja sowieso nicht, ich muss mir nur einen Gig von einer Band anhören um meinem Chef später mitzuteilen, ob die Band potential hat. Ich bin ein bisschen gespannt was das mit Emma geben wird. Nicht das mir Image wichtig wäre, aber Emma ist so ganz anders als ich. Wir teilen zwar die Liebe zur Musik aber ansonsten haben wir keine Gemeinsamkeiten. Sie geht zur Kirche, arbeitet mit Jugendlichen und sorgt sich um andere, sie scheint ein richtiges 'Good Girl' zu sein. Ich würde mich nicht als 'Bad Boy' bezeichnen, aber ich bin doch irgendwie das genau Gegenteil von ihr.

Während ich so weiter denke, die meiste Zeit über Emma, die mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will, vergeht die Zeit unglaublich schnell.

„Zack, ich weiß du hast eigentlich Feierabend, aber könntest du noch für die Besprechung gleich bleiben und Protokoll schreiben? Es ist wirklich wichtig", bittet Thomas, mein Chef mich, gerade als ich dabei bin zu gehen. "Klar. Wie lange dauert es denn ungefähr?", antworte ich und blicke genervt auf meine Uhr. Eigentlich wollte ich zu Hause noch duschen und mich umziehen bevor ich Emma zu dem Date abhole, aber das kann ich mir jetzt wahrscheinlich abschminken. „Sollte eigentlich nicht so lange dauern vielleicht so eine halbe bis Dreiviertel Stunde", antwortet Thomas. „Okay, ich muss nur kurz telefonieren", antworte ich. „Mach dass, die Besprechung ist in zehn Minuten im Konferenzraum", damit geht Thomas davon. Im Kopf gehe ich kurz die Uhrzeit durch. Wenn ich Emma sage, dass ich sie eine halbe Stunde später abhole, sollte ich es sogar noch schaffen nach Hause zu fahren und zu duschen. Kurzentschlossen wähle ich ihre Nummer und warte ein paar Sekunden bis sie Abnimmt: „Hey?" „Hey, wegen heute Abend...", doch bevor ich ganz ausreden kann, ruft auf der anderen Seite der Leitung jemand: „Boar gib's mir du Schlampe!" ich höre die Stimme von dem Typen nur gedämpft, trotzdem verstehe ich jedes Wort. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich hören wollte und ich will auch glaub ich gar nicht wissen, bei was ich Emma gerade störe. „Nimm's dir selber", schreit Emma zurück. „Störe ich gerade?", frage ich dann doch. „Nein, sorry. Das war mein Ex, der zu Faul ist sich ein paar Millimeter zu bewegen um sein iPad selbst vom Tisch zu nehmen. Wir müssen ein Referat zusammen machen", antwortet sie. „Klang irgendwie anders. Klingt aber nach einer eher unschönen Beschäftigung", spreche ich dann meine Gedanken aus. „Ich mache es auch wirklich nicht gerne. Was wolltest du vorhin eigentlich sagen?", erinnert sie mich dann an den Grund weswegen ich anrufe. „Ah, genau. Ich muss noch mit meinem Chef zu einer Besprechung, deshalb schaffe ich es vermutlich nicht pünktlich, also wollte ich fragen ob es okay wäre, wenn ich dich eine halbe Stunde später abhole?", antworte ich. „Klar kein Problem", antwortet sie. „Okay, sehr gut. Ich freu mich schon", lächele ich. „Ich mich auch. Bis später" Ich verabschiede mich noch, bevor sie auflegt und ich mich auf den Weg zum Konferenzraum mache.

Not all good girls are good girlsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt