Kapitel 2

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Jeden Tag vermisste ich alles mehr und mehr, jeden Tag vermisste ich meine Familie mehr, jeden Tag vermisste ich meine Freunde mehr, aber mir wurde alles genommen. In dem Kinderheim zog ich mich immer weiter zurück, denn mit Freunden durfte ich keinen Kontakt aufbauen. Komplett von allem abgegrenzt saß ich auf meinem weißen Bett und starrte die weiße Wand in Gedanken vertieft an. „ I want you forever, forever and always. Through the good and the bad and the ugly. We’ll grow old together. Forever and always.”, sang ich vor mich hin und starrte weiter an die Wand. Schon Wochen war ich hier und sah bestimmt schrecklich aus. „Cassia?“, sagte ein Mädchen, dass in meinem Zimmer mit mir lebte. „Cassia, unten ist jemand zu Besuch für dich.“ Zu Besuch? Ich hatte nie Besuch, nicht einmal Frau Miller kam her. Dachte ich und sah zu dem Mädchen, dass scharf die Luft einzog. „Schick sie hoch.“, sprach ich kalt und emotionslos. Eingeschüchtert verschwand das Mädchen und kurz nach ihr kam jemand in den Raum. „Du weißt, eigentlich würde ich nie was Gemeines sagen, aber du siehst schrecklich aus! Hast du nicht immer gesagt du würdest dich nie so gehen lassen?“, sprach mir eine viel zu bekannte Mädchen Stimme. Tränen sammelten sich in meinen Augen, ich drehte mich im Bett um und sprang auf. „Almira!“, schrie ich und fiel meiner besten Freundin weinend in die Arme. „Pscht! Nicht so laut, niemand weiß meinen echten Namen!“, sagte sie und strich mir über den Rücken. „Du darfst keinen Besuch bekommen von uns. Die Therapeutin meinte das würde dich für immer aus der Bahn werfen.“ – „Was meinte sie damit?“, fragte ich nach und sah sie fragend an. „Sie denkt, dass du zusammenbrichst, sobald du eine Verbindung zu jemanden aus deiner Familie aufbaust.“, flüsterte sie mir zu, aber schüttelte dabei lächelnd den Kopf. „Die haben doch keine Ahnung! Dir geht es nur so scheiße, weil du hier eingesperrt bist!“, lachte sie und ich lächelte. „Eine 16 Jährige ein zu sperren ist doch nur dumm!“, lachte sie weiter. Deshalb war sie meine beste Freundin. Sie redete wie immer mit mir, selbst nachdem meine gesamte Familie tot war, ich im Heim feststeckte und nichts mitbekam. „Ich muss dir das neuste von One Direction erzählen!“, quiekte sie aufgeregt los und ich lachte auf. „Harrys Tattoos sehen auf seinem gebräunten nackten Oberkörper so perfekt aus!“, schwärmte sie und zeigte mir Bilder, bei denen ich hyperventilierte. „Oh man oh man Zayn hat sich Perries tätowieren lassen!“ – „Was? Das ist voll süß! Aber irgendwie auch seltsam.“, meinte ich und Almira grinste mich an. „Ich liebe dich Cassia.“, meinte sie und ich lächelte sie an. „Ich dich auch.“, meinte ich zurück und wir umarmten uns. „Ich muss jetzt gehen… Und ich glaube ich kann nicht zurück kommen…“, erzählte sie und wir wurden beide traurig. „Du kommst hier raus, das verspreche ich dir!“, flüsterte sie noch und verschwand dann wieder aus meinem Leben. Wieder wurde ich alleine gelassen, mit meiner Trauer, meiner Angst, meinen Schuldgefühlen und mit diesen leisen Stimmen in meinem Kopf die, die ganze Zeit Lieder sangen, die meine kleine Schwester so gern hatte. Ausgerechnet diese Lieder sollten alles verändern.

Kurz vor Neujahr:
Seit Sommer war ich im Heim und wir hatten kurz vor Neujahr. Also war ich schon Monate dort gefangen. Keiner meldete sich, niemand sah nach mir, nichts. Einfach nichts, und ich fiel immer weiter in diese kleine schwarze Welt. Doch dieser eine Tag kurz vor Weihnachten änderte mein Leben.

„Cassia, pack deine Sachen!“, sprach eine Frau die im Heim arbeitete. „Wieso?“, flüsterte ich und sah weiter an die Decke. „Du gehst hier weg. Jemand hat dich adoptiert.“ Jemand hat MICH adoptiert? Ich wurde nie jemanden vorgestellt! Vielleicht ist das auch nur Hollywoodfilm quatsch. Dachte ich mir und fing an meine wenigen Besitztümer zusammen zu packen. Alles passte in einen mittleren braunen Lederkoffer, mit dem ich dann die Treppen hinab stieg. „Cassia liebes, du wirst deinen neuen Adaptiv Vater erst kennenlernen. Er wartet im Wohnzimmer.“, meinte eine Frau und nahm meinen Koffer ab. Ein Mann in einem schwarzen Anzug kam die Tür rein, er trug noch eine schwarze Sonnenbrille und einen Hut. (Ab hier ist die Wörtliche Rede auf Englisch, nur halt übersetzt ins Deutsche aufgeschrieben. Muss ja logisch sein.) „Sind Sie Miss Harris?“, fragte er an mich gewandt, doch bevor ich antworten konnte, kamen ein paar Kinder angerannt und versuchten uns zu beobachten, bis ein Mädchen anfing irgendwas zu rufen, was man erst beim dritten Mal verstand. „Ja, das ist diese Cassia!“, rief sie und alle drückten sie auf den Boden. Eigentlich wollten sie unentdeckt bleiben, doch das Mädchen wollte sich anscheinend einmischen. „Christina! Wir haben dir tausend Mal gesagt, dass man sich nicht in Fremde Gespräche einmischt! Und jetzt verschwindet hier!“, schrie die Frau mit meinem Koffer, gab meinen Koffer dem Mann im Anzug und rannte den kleinen hinterher.

Mein Blick glitt zurück zu dem Mann der mich anlächelte. „Schön Sie kennen zu lernen Miss. Ich bin Paul.“, lächelte er und reichte mir seine freie Hand. Paul… spuckte es in meinem Kopf, da ich den Namen schon mal gehört hatte. Nach kurzem zögern nahm ich die Hand des Mannes an und schüttelte sie kurz. Danach atmete ich tief ein und lief auf die, noch geschlossene, Wohnzimmertür zu, doch blieb kurz vor ihr stehen, in der Position die Klinke hinunter zu drücken. Bin ich überhaupt schon bereit in eine neue Familie zu treten? Was heißt hier Familie es ist anscheinend nur ein Mann. Was ist wenn er ein Vergewaltiger ist? Ich schüttelte bei diesem Gedanken meinen Kopf, da ich mir dumm vorkam. Die Behörden hatten diesen Mann mehrmals geprüft, er MUSSTE einfach sauber sein.

„Sie sollten langsam rein gehen.“, sagte die Stimme von Paul hinter mir und ich zuckte leicht zusammen. Nervös fing ich an mit meinen Händen zu spielen und auf die Tür zu starren. „Mein Chef ist ein toller Mann, geh ruhig rein!“, sagte er sanft und ich zuckte zusammen. Wenn der Kerl, der mich adoptiert hat, der Chef von Paul ist, muss er eine Menge Geld besitzen! Wer ist das bloß?! Meine Neugier gewann die Oberhand und ich öffnete die Tür. Der Mann, der meine neue Familie sein sollte, saß mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa und trank Tee. Tee? Fragte ich in meinem Kopf und sah auf die Uhr. Vom weiten erkannte man ein paar graue Haare auf dem Kopf des Mannes, doch nichts anderes. Vorsichtig lief ich zum Sofa um mich, ihm gegenüber, hinzusetzten. Als ich endlich auf dem zweiten Sofa saß, in dem viel zu leeren Raum in diesem Heim, sah ich auf und direkt in das Gesicht meines neuen ‚Vaters‘. Sobald er bemerkte dass ich ihn ansah lächelte er mir zu und legte die Tasse auf den Tisch. „Überrascht?“, fragte er lachend, doch ich sah ihn verwirrt an. Ich war noch nie gut darin gewesen mir Gesichter zu merken, aber sein Gesicht kam mit irgendwie bekannt vor. „Worüber?“, fragte ich leise und legte meinen Kopf schief. „Weißt du nicht wer ich bin?“, fragte er und runzelte die Stirn. Kopfschüttelnd sah ich ihn weiter an. „Ich bin Simon. Simon Cowell.“, sagte er und sah mich fragend an. „Ich weiß nicht wer sie sind.“, meinte ich noch. Simon ließ die Luft raus und lehnte sie nach hinten. „Ich bin ein britischer Musikproduzent.“ Und nach diesen Worten machte es endlich klick bei mir. „Sie sind der Mann, der in der Jury von The x-Factor sitzt!“, sagte ich und sah ihn mit großen Augen an und er nickte zustimmend. Also wurde ich: Cassia Harris, die einzige Überlebende eines tragischen Flugzeug Absturzes, das Mädchen das alles verlor und im Heim landete, von DEM Simon Cowell adoptiert.

Ein paar Tage später waren Simon und ich auf dem Weg zu einer Fähre, da Simon wegen mir lieber nicht fliegen wollte. „Du redest kaum. Darauf haben die Ärzte mich schon hingewiesen.“, sprach er, doch ich schaute weiter auf das ruhige Wasser. „In den letzten Tagen hast du kein Wort gesagt. Die Leute im Heim meinten auch, dass du in den ganzen Monaten nie geredet hast, außer einmal, als dich jemand unerlaubt besuchen kam. Die Person wurde auch nicht mehr gesehen.“, erzählte er weiter und ich wunderte mich, was die Behörden alles preis gaben. Immer dachte ich es gäbe sowas wie Datenrecht. „Du musst nicht reden. Keiner wird dich zwingen. Alle wissen wie schwer das für dich ist, das ist auch der Grund wieso du hier bei mir bist. Rede erst, wenn du so weit bist, Cassia.“

An der Seite ein wunderschönes Bild von Crystal Reed/ Cassia

The end before the beginning (One Direction FF)Where stories live. Discover now