16.

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Annemarie

In den Momenten, in denen ich zu Atem kam, den kalten Wind spürte, der um Harrys und meine nassen Körper zog, spürte ich zu viel, aber auch nichts.

Ich vergaß die Tatsache, wer Harry war und ließ einfach zu, dass mein Körper sich an ihn schmiegte. Ich wollte nicht, dass er mich gehen ließ und ich wollte nicht, dass er mich nun alleine ließ. Das Adrenalin, das in mir pumpte, war zu heftig, um alleine damit klarzukommen. Jetzt gerade brauchte ich jemanden wie ihn einfach bei mir, es schien, als wäre es das Einzige, das mir übrig blieb.

Und ich wusste, er würde mich nicht gehen lassen.

„Annemarie", holte mich eine tiefe Stimme aus einer Starre, in der ich heftig zitterte und mit den Zähnen klappert, Harrys kalte Hände auf meinen Armen spürte. Liam kniete sich neben uns und hielt eine Decke unter seinem Arm. Neben ihm war ein weiterer Mann, der ebenso ein rotes Kreuz auf seinem Helm hatte. „Komm, du musst ins Warme."

Ich nickte frierend, begriff die ganze Situation noch nicht und nahm die vielen Männer um uns herum kaum war.

„Liam", säuselte Harry, dessen Griff um meinen Körper schwächer wurde. Er starrte erschöpft auf einen Fleck in der Wiese unter uns. „Es gibt ... ein Problem."

Liam runzelte die Stirn, während der andere Mann mich vorsichtig von Harrys Beinen hob und mir die Decke um die Schultern warf. Mein Blick jedoch blieb auf Harry, der wie erstarrt sitzen blieb und sich mit dem rechten Arm abstützte. Etwas stimmte nicht, es schien, als hätte er Schmerzen.

Und plötzlich sprang Liam auf. „Verdammt!", fluchte er und drehte sich zu den Männern, die verteilt umherliefen. „Baut ein Zelt auf! Und mein Rucksack! Ich brauche meinen Rucksack!"

Als er sich wieder neben Harry kniete und dieser sich auf den Rücken fallen ließ, stach es mir erst ins Auge.

Ein riesiger Blutfleck bildete sich auf der rechten Seite seiner Hose.

„Du kannst laufen, richtig?", fragte Liam Harry, der die Augen schloss und nickte.

„Raste nicht aus", brummte Harry und stemmte sich hoch, hielt sich dabei die Hand über den Blutfleck, worauf diese sofort rot wurde. „Es ist nur-"

„Nein, es ist nicht nur", unterbrach Liam ihn harsch und half ihm hoch. Er stützte Harry und wand sich an mich und den anderen Sanitäter. „Ich kümmere mich um ihn, hilf erst ihr und der Kleinen, dann kommst du zu mir."

Der Mann neben mir nickte und schon wurde ich von Harry und Liam weggezogen, die zwischen den anderen verschwanden.

Ich hatte nicht gemerkt, dass Harry so stark im Fluss verletzt wurde. Wieso hatte er nichts gesagt?

Hieß das, dass es meine Schuld war, dass er nun blutete?

Mir schossen tausend Gedanken in den Kopf. Ich wollte wissen, was mit ihm passiert war und ob es schlimm war oder nicht.

War es wirklich meinetwegen?

Doch viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht, denn ich wurde von dem Sanitäter auf einen Hocker gesetzt, Annel saß neben mir in der Wiese. Sie hatte keine Decke um die Schulter, weswegen sie zitternd ihre Hände an ihre Arme rieb. Wieso gaben sie ihr keine Decke? Wollten sie, dass sie erfror?

„Hier", sagte ich deswegen leise zu ihr und legte ihr meine braune Decke um die Schultern. Das Klappern meiner Zähne konnte ich leider trotzdem nicht unterdrücken. „D-Damit du es warm hast."

„D-Du s-sollst es wa-warm haben", bibberte sie und wollte die Decke ablehnen, doch ich legte sie bereits auf sie. „A-Anne, du fr-frierst."

Ich versuchte für sie zu lächeln. „Ich habe mein Band gerettet, ich friere nicht mehr."

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt