64.

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Oh god bless me.

Annemarie

Ich zuckte nicht einmal auf, als Niall losschoss. Für mich war es nicht das Zeichen, in den nächsten Momenten entsetzt zu sein, sondern zu überlegen, ob es mir besser gefallen würde, in diesem Kampf zu sterben oder nach ein paar Stunden weitermachen zu können.

Niall lud sofort nach und setzte wieder an. Dann schoss er erneut. Und dann wieder.

„Gut gemacht", lobte Harry ihn. „Sie werden sich beschleunigen, jetzt, da sie wissen, wir sind hier. Ich hoffe, du hast ein volles Magazin."

„Es ist mehr als genug für sie da", säuselte Niall konzentriert und visierte den nächsten deutschen Soldaten an.

Man hörte, wie die Männer, die im unteren Teil des Gebäude waren, mit ihren Scharfschützengewehren schossen. Es regnete noch keine Schüsse. Noch schrie niemand.

Und ich blickte zu Harry und Niall, weil plötzlich keine Schüsse mehr fielen. Beide standen mit gerunzelter Stirn vor dem Fenster.

„Was zur verfickten Hölle?", fluchte Niall. „Was tun sie da?"

Ich wurde nervös. Nialls Ton verriet, dass etwas Schlimmes passieren könnte.

Nach ein paar ruhigen Augenblicken, sagte Harry: „Rauchbomben. Sie haben Rauchbomben geworfen, um uns die Sicht zu erschweren." Seine Unruhe machte mich nervös. Er war derjenige, der die Fassung behielt. Wenn er nervös wurde, dann war es Zeit, mit Grauenvollem zu rechnen.

Alles wurde still.

William und Louis hielten nervenschwach ihre Waffen vor ihre Brust. Sie hatten mindestens so viel Angst wie ich und ...

Ich hob den Kopf.

Annel.

Sie saß eingekauert in der Ecke und presste ihre Beine an ihre Brust. Dennoch wunderte es mich, dass sie nicht weinte. Sie erschien mir so schwach.

„Was haben diese Wichser vor?", flüsterte Niall und hob wieder sein Gewehr an. Er suchte das Gebiet ab. „Ich sehe absolut nichts."

„Horan", sagte Harry und ging einen halben Schritt zurück. „Geh von dem Fenster weg."

„Einen Scheiß werde ich tun. Ich werde das erste Nazi-Arschloch erschießen, das ich finde, sobald sie herausgekrochen kommen."

Meine letzten Gedanken, die ich hatte, bevor es losging, galten meiner Mutter.

Und dann fing es an.

„Niall, weg da!", schrie Harry und riss Niall von dem Fenster weg.

Der heftige Knall und die bebenden Wände zwangen die Beiden, sich in die Mitte des Zimmers zu schmeißen.

Es war unverkennbar, dass ein Panzer gegen die Hauswand geschossen haben muss.

Der Boden unter uns vibrierte, die Wand hatte Risse und das Fenster war komplett zersprungen.

Ich kreischte mit den Händen über den Ohren auf, als sie ein zweites Mal auf uns schossen. Diesmal näher an unserem Zimmer.

Steinchen bröckelten von der Decke, auf unsere Köpfe.

„William!", rief Harry, als er sich mit Niall aufrappelte. „So dicht an die Wände, wie ihr könnt!"

Noch bevor ich verstand, was passierte, riss der kräftige William mich auf die Beine und drückte mich zu Annel an die gegenüberliegende Wand.

Ich nahm Annel sofort behutsam in den Arm, weil sie begann zu weinen.

Es knallte ein drittes Mal, als William sich duckend vor uns kniete. „Habt keine Angst", sprach er uns zu, auch wenn er selbst klang, als müsse er sich anstrengen, nicht selbst in Tränen auszubrechen. „Das Haus ist stabil und ..."

My Own LiberatorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt