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Irgendwann mussten die Tränen versiegt und ich musste eingeschlafen sein, denn ich wachte gegen 16 Uhr auf. Grund dafür war ein Geräusch direkt neben mir, und als das Rascheln noch einmal ertönte, schreckte ich hoch.

Das wenige Licht, das durch die Luke im Dach strömte, tauchte den Keller in sanftes Licht, und als ich merkte, dass niemand ausser mir im Raum war, liess ich mich in die Kissen zurückfallen.

Gemächlich repetierte ich alles, was gestern passiert war, und ich schloss die Augen. Mein Rücken schmerzte jetzt noch ein bisschen mehr. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sich die Wunden entzündet hätten.

Weisse Augen, psychopathisches Grinsen, scharfe Reisszähne, alles in einem das einem wunderschönen, schrecklichem Engel glich. Mein Herz begann fester zu klopfen, als ich an Harold dachte; meine Angst vor ihm war in den vergangenen Tagen kein bisschen geschrumpft.

Doch; musste nicht dieser junge, verletzliche Mann, von dem ich in dem Tagebuch gelesen hatte, noch irgendwo in ihm stecken?

Ich stöhnte, drehte mich auf die andere Seite und atmete aus. Die Matte war unbequem und bei dem Chaos in meinen Gedanken war an Schlaf nicht mehr zu denken, weswegen ich mich aufrappelte und zur Tür ging. Mit jedem Schritt schmerzte mein Rücken etwas mehr, doch ich versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren.

Ich schleppte mich mehr schlecht als recht die Treppe hoch und blieb erst mal stehen, als ich oben angekommen war, um meinen Herzschlag etwas zu beruhigen.

Die letzten Strahlen des Tageslichts fielen durch die hohen Fenster in das blitzblank geputzte Wohnzimmer, übeall flackerten Kerzen und die Strahlen wurden vom schwarzen Lack des Flügels reflektiert, welcher immer noch in der Mitte des Zimmers stand.

Als meine Finger über die Elfenbeintastatur glitten, flammte ein schmerzhaftes Gefühl in meinem Magen auf und ich spürte wie meine Augen nass wurden. Es erinnerte mich an zu Hause.

Als ich zögerlich und so leise wie möglich einen Dreiklang spielte, schloss ich die Augen und stellte mir vor, was wohl zu Hause gerade passierte.

Wie ging es meiner Mutter? Hatte sie vom Tod der beiden Polizisten erfahren?

Natürlich hatte sie das. In Red Valley kam wirklich alles in der Zeitung, sogar dass der Gewinner der Schachmeisterschaft aus unserem Dorf war. Das war so etwas wie ein Highlight gewesen, und es war das zweitgrösste Angebot das Red Valley den Touristen zu bieten hatte. Das erstgrösste Angebot war natürlich die verfluchte Styles Villa.

„Ihr seid wach."

Mein Herz machte einen Hüpfer als ich realisierte, dass ich doch nicht alleine war und ich öffnete die Augen um mich umzusehen.

In der Tür lehnte Harold und beobachtete mich aufmerksam. Seine Miene war nun wieder blank, beinahe emotionslos, was mich einschüchterte, jedoch nicht so sehr wie mir sein wütendes Ich Angst eingejagt hatte.

Seine grünen Augen bohrten sich in meine und ich setzte mich auf den Hocker vor dem Klavier. Mein Blick war auf die Tastatur geheftet und ich versuchte Harold auszublenden.

„Ein wunderschönes Instrument, nicht wahr?"

Ich nickte zögerlich.

„Ihr könnt ruhig spielen."

Ich schüttelte den Kopf und spürte wie mir das Blut in den Kopf stieg. Mein Herz klopfte fest als ich hoch in seine immer noch grünen Augen sah, die nun belustigt glitzerten. „Ich würde mich freuen, wenn Ihr spielen würdet. Schon zu lange hat keine Musik mehr diese Räume erfüllt."

In seinem Blick lag etwas, das mir klar machte, dass ich besser tat was er sagte, also gehorchte ich.

Es wunderte mich, dass das Klavier nicht stärker verstimmt war; schliesslich war es seit 120 Jahren nicht mehr benutzt worden. Obwohl der Klang ein wenig schepperte und nicht so stark und schön war wie bei einem brandneuen Flügel, erfüllte die Symphonie den Raum mit Tönen, die mein Herz erwärmten. Für einen Moment befand ich mich zu Hause. Bis seine Stimme über die Melodie hinwegtönte.

PhantomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt