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Seine langen Finger strichen mir über den Rücken, und die ganze Wut auf ihn brach aus mir heraus.

„Finger weg!", schrie ich ihn an, rappelte mich hoch und rannte so schnell wie möglich zum Haus zurück, doch gerade als ich halbwegs bei der Tür war, wurde ich zu Boden geschmissen und seine Hände schlangen sich um meine Knöchel.

Ich wurde über den Boden geschleift, bevor er mich grob um die Hüfte packte und mich hochzog.

„Lass mich verdammt noch mal los!", kreischte ich und schlug auf ihn ein. Meine Fäuste hämmerten auf alles ein, was ich von ihm erreichen konnte und es war mir scheissegal, dass ich womöglich dafür bestraft werden würde. Ich würde so oder so sterben, das bisschen Schmerz machte auch keinen Unterschied mehr.

Was für einen Sinn hatte mein Leben denn jetzt noch?

Gar keinen.

Tränen strömten mein Gesicht hinunter während ich Harold meinen Ellbogen in die Brust rammte und so seinen Atem für kurze Zeit unterbrach, bevor er mich in einen Würgegriff nahm und sich sein Mund meinem Ohr näherte.

„Ich habe Euch einen Gefallen getan."

„Du Arsch", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und sein Griff um meine Kehle verstärkte sich.

„Es wird Euch niemand mehr vermissen. Gar niemand. Es gibt keinen Grund mehr für Euch, nach Hause zurückzukehren. Weil niemand dort auf Euch wartet."

„HALT ENDLICH DIE KLAPPE!", brüllte ich voller Schmerz. Seine Worte schlitzten mich auf und quälten mich, weil ich wusste, dass er Recht hatte. Seit mein Vater uns verlassen hatte, hatten meine Mutter und ich uns alleine durchgeschlagen und es immer irgendwie geschafft.

Zusammen.

Und jetzt war sie alleine.

„Bitte... mach es rückgängig", flüsterte ich heiser und hörte auf zu treten.

Harold lachte. „Das werde ich nicht tun."

„Warum nicht?"

„Weil es mir zu viel Freude bereitet, Euch leiden zu sehen."

„Ich hoffe du erstickst an deiner Arroganz", zischte ich hasserfüllt.

Überraschung blitzte in seinen Augen auf, und ich nutzte den Moment von Schwäche, um mich seinem Griff zu entwinden.

Ich sprintete rein ins Haus, immer weiter, bis ich mich schliesslich in der Küche wiederfand. Der Raum war dunkel und die hohen Schränke aus Holz wirkten bedrohlich auf mich. Nur mein gehetzter Atem war zu hören, während ich mich um mich drehte, um den Jungen mit dem braunen Locken irgendwo zu erspähen.

Als ich mich versichert hatte, dass Harold mich nicht verfolgte, lehnte ich mich schwer atmend gegen die Theke und krallte meine Finger zitternd in das alte Holz. Meine Unterlippe begann zu zittern und schliesslich liess ich meinen Tränen freien Lauf.

Ich würde nie mehr in mein altes Leben zurückkehren können.

Mir wurde mein Zuhause genommen. Die Person, die mich von Geburt an geliebt hatte, immer für mich da war und die ich immer lieben würde. Ganz egal was passierte.

Ich wollte nicht mehr leben.

Zitternd öffnete ich eine Schublade nach der anderen, suchte und suchte, und wurde schliesslich fündig. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch, bevor ich erneut einen Blick darauf warf.

Die Klinge glänzte mir gefährlich entgegen, als ich die Schublade öffnete und meine Finger schlossen sich vorsichtig um den Griff des Steakmessers, welcher aus dunklem, edlem Holz war. Ich spürte Tränen in meinen Augen, als ich mit einer Hand über die Klinge strich, während ich mir vorstellte, wie es sein würde.

PhantomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt