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Ich schlief so tief und fest, wie ich es schon seit Wochen nicht mehr getan hatte.

Harolds Anwesenheit verlieh mir eine gewisse Sicherheit und mit seinem Arm um meine Hüfte geschlungen und immer noch vernebelten Gedanken wegen des Kusses lag ich regungslos da.

Mein Herz pumpte immer noch schnell in meiner Brust, allerdings nicht mehr so kräftig wie es das anfangs noch getan hatte. Ich spürte, dass es mir und meinem Herzen immer schlechter ging, und da es ein inneres Organ war, war ich mir sicher, dass Harold nicht dazu imstande sein würde, es wieder herzurichten.

Mein Herzschlag stotterte kurz, meine Hände zuckten ab dem kurzen Blutstau und ich spürte, wie sich Harolds Griff um mich verstärkte, als mir ein gepresster Atemzug entwich.

Schweiss trat auf meine Stirn und ich kniff die Augen fest zusammen, um mich besser darauf konzentrieren zu können, endlich einzuschlafen und es funktionierte.

Ich wusste nicht, wie lange es ging, aber nach einer gefühlten Ewigkeit breitete sich die Müdigkeit wie ein lähmendes Gift in meinem Körper aus und entriss mich nach und nach meinem Bewusstsein.

Einige Augenblicke lang trieb ich in unermesslich tiefen, endlosen Dunkelheit umher. Es fühlte sich an, als wäre ich schwerelos, während mein Gehirn immer tauber wurde und als ich schliesslich wieder etwas erkennen konnte, lag ich in derselben Position da, wie ich eingeschlafen war.

Harolds Arm war immer noch um mich geschlungen, doch ich wusste, dass dies bloss ein Traum war; ich träumte oft in schwarz-weiss.

Als ich spürte, dass sich sein Griff um mich verstärkte, setzte mein Herz einen Schlag aus und ich drehte mich so, dass ich ihn sehen konnte. Ein Adrenalinstoss durchfuhr mich, als ich ihn sah.

Harold lag neben mir, die Augen geschlossen. sein Atem ging regelmässig, sein Mund war leicht geöffnet und sein Arm war um mich gelegt, fast so, als hätte er mich umarmt, bevor er eingeschlafen war.

Ich wusste nicht, dass er schlafen konnte; hatte er nicht in seinem Tagebuch niedergeschrieben, dass er in einem dauerhaften Wachzustand war? Hatte sich dies im Laufe der Zeit verändert oder schlief er gar nicht? Oder lag dies bloss an meiner blühenden Fantasie? Ich beugte mich vor, meine Augen scannten den wunderschönen Jungen und meine Hände, die nun auf seiner nackten Brust lagen, verkrampften sich.

Die Locken, die sein Gesicht umrahmten und die porzellanartige Haut liessen ihn so unschuldig und rein wirken. Er strahlte geradezu, nicht fest, doch es sah beinahe so aus, als würde ein schwaches Licht ihn von innen heraus beleuchten und seiner Haut einen sanften Schimmer verleihen.

Ich entspannte mich wieder ein wenig und sanft, zögernd, fuhr ich mit einem Finger die perfekte Kontur seiner Brust nach. Ich zeichnete unsichtbare Muster auf seinen Bauch, auf seine Brust und ich sah, wie sich seine perfekt geformten Lippen kaum merklich zu einem Lächeln verzogen.

„Harold", flüsterte ich, bevor meine Lippen sanft über seine strichen, doch er tat nichts dergleichen. Ich küsste ihn auf die Wange und auf die Stirn bevor meine Lippen schlussendlich die seinen erneut kurz trafen, dann rollte ich mich zur Seite und stieg aus dem Bett.

Als ich an mir heruntersah, stellte ich verwundert fest, dass ich einen seidenen Morgenmantel trug, der mir durch den Windstoss, der durch das Fenster hineinkam, sanft um die nackten Füsse spielte.

Nun wusste ich definitiv, dass es ein Traum war und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen ging ich hinüber zu Harolds Bücherregal. Meine Finger strichen kaum merklich über die alten, verwitterten Umschläge, bis ich auf eine Lücke stiess und stutzte.

Ein Buch fehlte.

Ich drehte mich nochmals um, betrachtete Harold, der immer noch regungslos auf dem Bett in sich zusammengerollt da lag, die Augen fest geschlossen. Er war so schön.

PhantomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt