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Die Stimme liess mir das Blut in den Adern gefrieren.

Nein. Bitte nicht. Harolds belustigter Blick war auf mich geheftet, als ich mir zitternd mein Shirt überstreifte und zur Tür ging.

Ein lautes Klopfen war abermals zu hören, und wieder hörte ich die Stimme. „Ryanne, bist du da drin?"

Zitternd öffnete ich die Tür und betete, dass es nicht die Person war, die ich dachte, dass es war, doch ich lag richtig. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ich sie erblickte.

Sie schien gerade von der Arbeit zu kommen; in der einen Hand hatte sie ihre Handtasche und sie trug einen Blazer.

„Ryanne! Gott sei Dank! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!" Meine Mutter fiel mir um den Hals, als ich wie versteinert in der Tür stand und es gerade noch fertigbrachte, ihre Umarmung halbherzig zu erwidern.

Als sich meine Mutter von mir löste, packte sie mein Handgelenk und ihr Lächeln verwandelte sich zu einem ernsten Gesichtsausdruck. „Komm, wir müssen hier weg."

„Mama..."

Plötzlich schoss Harold an mir vorbei.

„NEIN! HAROLD! BITTE!" Mein Schrei gellte durch die Nacht als ich entsetzt zusah wie er das Gesicht meiner Mutter in die Hände nahm, welche wie hypnotisiert in seine weissen Augen sah. „BITTE, ICH WERDE ALLES TUN WAS DU VERLANGST. Bitte. Tu ihr nichts, bitte", hauchte ich, „bitte. Bitte, tu ihr nichts, Harold... bitte..."

Keine Worte konnten das Gefühl beschreiben das in dem Moment voll und ganz von mir Besitz ergriff. Der meist geliebte Mensch auf dieser Welt in den Fängen dieses Monsters.

*Lass sie gehen", flüsterte ich. „Bitte, ich werde alles tun." Ihre Augen, welche dieselbe Farbe wie meine hatten, waren starr vor Angst.

„Durch ihre Adern fliesst nicht dasselbe Blut wie durch Eure, Miss", stellte Harold fest und ich blinzelte einmal. „Ich verstehe nicht."

„Sie ist keine echte O'Donnell. Sie verdient es nicht, zu leiden." Es dauerte eine Weile, bis ich realisierte, was er da sagte, und mein Gesichtsausdruck sich von verwirrt zu erleichtert verwandelte.

„Danke, Harold... ich-"

„Ihr jedoch... Ihr verdient es." Er grinste böse und entblösste seine scharfen Zähne, als er sich wieder meiner Mutter zuwandte, und bevor ich es richtig realisierte, krallten sich seine Finger in ihr Gesicht, während seine Stimme erschallte. Ich schüttelte den Kopf.

„Nein", murmelte ich, leise und bittend.

„Ich will dass Ihr loslässt", hauchte Harold, und der Blick meiner Mutter wurde plötzlich leer.

„Nein!", sagte ich etwas lauter, seinen Wortschwall unterbrechend, doch er fuhr geflissentlich fort.

„Vergesst, dass Ihr eine Tochter hattet. Ich will, dass ihr jedes kleine Detail über Ryanne hinter Euch lässt."

„Nein", sagte ich abermals und meine Stimme brach weg. „Nein, nein, Harold, bitte nicht... Harold... Nein", hauchte ich, während ich fassungslos den Kopf schüttelte. „Bitte... tu mir das nicht an. Das ist meine Mutter... Nimm sie mir nicht weg. Harold..."

Harolds Augen wurden wieder grün, und als meine Mutter blinzelte, sah sie uns verwirrt an. „Wo bin ich?", murmelte sie leise und sah sich um. Ich schüttelte den Kopf und presste die Lippen fest zusammen, während ich spürte, wie mir heisse Tränen die Wangen hinabflossen. Es hatte funktioniert. Ihre Erinnerung an mich war gelöscht.

Das war spätestens dann bewiesen, als sich ihre Augen emotionslos auf mich richteten. „Wer sind Sie?"

Wer sind Sie. Die Worte hallten in meinem Kopf wider, schienen mit jedem Mal lauter zu werden, bis ich es schliesslich nicht mehr aushielt. Ich sackte zu Boden.

PhantomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt