Kapitel 2

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Der restliche Tag verlief ereignislos und schmerzhaft. Andauernd begegnete ich Logan auf den Schulfluren. Entweder wollte mir das Schicksal tatsächlich eins reinwürgen, oder aber seine Anwesenheit fiel mir nur deshalb so sehr auf, weil ich unterbewusst Ausschau nach ihm hielt. Gedanklich versuchte ich mir zu untersagen an seine eisblauen Augen und das wunderschöne Lächeln zu denken. In der Praxis allerdings war dies ein schier unmögliches Unterfangen.

                Als der Schultag endlich ein Ende fand, schlenderte ich gedankenverloren mit Poppy über den Parkplatz. Sie schnatterte ununterbrochen über Lukas und erzählte mir Dinge, die ich über meinen eigenen Bruder lieber nicht wissen wollte. Also schaltete ich irgendwann ab und hing meinen eigenen Grübeleien nach.

                »Also, was sagst du dazu?« Am Rande vernahm ich, dass Poppy mich erwartungsvoll ansah. Offenbar hatte sie mir eine Frage gestellt.

»Tut mir leid, was hast du gesagt?« Ertappt zog ich die Brauen hoch und presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Poppy dagegen rollte nur genervt mit den Augen.

                »Du hast mir mal wieder nicht zugehört.«

»Sorry«, betreten kratzte ich mich am Hinterkopf. »Weißt du, es gibt Dinge über meinen Bruder, die ich lieber nicht wissen möchte.«

»Ich weiß, Drea«, Poppy seufzte resigniert. »Trotzdem brauche ich deinen Rat! Ich meine, Lukas und ich sind noch nicht über diese Grenze hinaus, wenn du weißt was ich meine«, sie wackelte verschwörerisch mit den Brauen. »Aber diesen Freitag ist es so weit, das habe ich im Gefühl! Und es soll perfekt werden! Also brauche ich eben ein paar Tipps von dir! Du bist seine Schwester, du musst mir sagen worauf er bei Frauen steht! Dessous, Vorspiel, Sexstellungen, oder vielleicht...«

»Gott Poppy!« Empört blieb ich stehen und rümpfte angeekelt die Nase. »Hör auf damit! Woher soll ich das bitte wissen? Ich bin zwar seine Schwester, aber ich spioniere ganz sicher nicht sein Sexleben aus. Igitt.« Allein der Gedanken daran, mir meinen Bruder bei gewissen Dingen vorzustellen, bereitete mir einen Würgereiz.

                »Ach komm schon, Drea, das ein oder andere weißt du bestimmt, denk nach!« Drängte sie quengelnd und sah mich mit ihrem berühmten Hundeblick an, dem man nichts ausschlagen konnte. Doch es schüttelte mich schon vor Ekel, einzig und allein auf diese Art und Weise über Lukas nachzudenken.

»Poppy, es gibt auch für mich Grenzen. Und genau hier ziehe ich meine. Punkt.«

                »Drea, bitte! Verrat mir nur eine kleine Kleinigkeit.«

Gequält schloss ich die Augen und seufzte laut.

»Na schön! Wenn du dann endlich Ruhe gibst«, Ich warf ihr einen bösen Blick zu. »Lass mich kurz nachdenken.« In Gedanken ging ich Szenarien durch, in denen Lukas sich mit seinen Freunden unterhalten hatte. Da fiel mir plötzlich etwas ein. David war einmal zu Besuch gewesen und die beiden hatten sich über ihre Eroberungen unterhalten, als ich plötzlich in die Küche geplatzt war.

»Er hat mal erwähnt, dass er es mag, wenn Frauen den ersten Schritt machen und, ich zitiere, die Zügel in die Hand nehmen.« Innerlich musste ich mich bei diesem Kopfkino förmlich übergeben. Nichts dagegen, dass mein Bruder wie jeder andere Mensch ein Sexualleben führte. Allerdings wollte ich darüber nicht bis ins kleinste Detail aufgeklärt sein.

                »Du bist die Beste!« Poppy grinste breit wie ein Honigkuchenpferd und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

»Ja und wegen dir bekomme ich Kopfschmerzen.« Klagte ich. Poppy dagegen lachte lediglich laut auf und verabschiedete sich mit einer Umarmung von mir.

Please don't leave meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt