Kapitel 9

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Überrascht zuckte ich zusammen, als der Strauß in meinen Armen landete. Ungläubig senkte ich den Blick und starrte hinab auf die weißen Rosen. Hinter mir hörte ich das leise Murmeln und die Flüche der anderen Frauen, die ihr Glück ebenfalls versucht hatten – vergebens. Denn ich, Drea Dupree, mit meinen gerade mal achtzehn Jahren und meinem noch nicht erreichten High School Abschluss, hielt nun die Vorhersage meiner Zukunft in den Händen.

Nahm man diesen Aberglauben für bare Münze, bedeutete dies, dass ich die Nächste in diesem Raum sein würde, die heiratete. Für den Bruchteil einer Sekunde begann mein Herz zu rasen. Glücksgefühle breiteten sich in der Nähe meines Magens aus. Unwillkürlich und ohne es verhindern zu können, flackerte ein Bild von Logan vor meinem inneren Auge auf.

Doch ehe ich diese Fantasie weiterspinnen konnte, verdrängte ich diesen Gedanken. Ich erinnerte mich an die unabwendbare nackte Wahrheit, an das Hier und Jetzt. An eine Wahrheit, in der Logan mein Lehrer war. Eine Wahrheit, in der die Liebe zwischen ihm und mir wider jeglicher Moral stand.

Es wäre lächerlich und naiv zugleich diesem Brauch des Brautstraußwerfens Glauben zu schenken. Die Tatsache, dass ich ihn gefangen hatte war nur Beweis dafür, dass dieser Kult einer Lüge entsprach. Ich war gerade einmal achtzehn Jahre alt und hatte weder meinen High School Abschluss in der Tasche, noch einen festen Freund. Es stand völlig außer Frage und war vollkommen absurd, dass in naher Zukunft die Hochzeitsglocken läuten würden.

Das entfernte Applaudieren der Menge riss mich aus meinen Gedanken. Ich hob den Kopf und sah über die Menschenmasse hinweg. Lächelnde Gesichter blickten mir entgegen. Begeistert klatschten sie mir Beifall, freuten sich für mich. Dabei kannten sie mich doch überhaupt nicht, hatten keine Ahnung was in meinem Leben so vor sich ging.

Mein Cousin war ein perverses Schwein, das versucht hatte mich zu vergewaltigen, meine Mum kam bei einem Autounfall ums Leben, meine zweijährige Beziehung war in die Brüche gegangen und als wäre das nicht schon genug, hatte ich mich in meinen Lehrer verliebt. Nein, eine Heirat war absolut das Letzte, das mir vorschwebte. Mal ganz abgesehen davon, dass ich noch viel zu jung dafür war und leider ohne Mann.

Logan Black war der einzige Mann, der mein Interesse weckte und wiederum der Einzige, den ich niemals würde haben können. In dieser Welt würde es kein Wir geben.

Joannas Jubel an meinem Ohr beendete meine Gedanken abrupt. Sie legte einen Arm um meine Schulter und grinste mich breit an. Ich rang mir ein Lächeln ab. So richtig wollte es mir allerdings nicht gelingen. Verstohlen wanderte mein Blick zu Logans Tisch. Sein Platz war leer.

***

Es war ein Uhr Nachts, als Lukas und ich uns von der Hochzeit verabschiedeten. Wir waren gerade dabei unsere Mäntel anzuziehen, als Joanna an unseren Tisch gelaufen kam. Auch sie hatte sich bereits ihre Jacke übergeworfen und schien in den Startlöchern zu sein, die Feierlichkeiten zu verlassen.

»Hey ihr beiden, ihr geht?«, fragend deutete sie mit einem Nicken auf unsere Jacken.

»Ja«, stimmte ich zu. »Du auch wie es aussieht.«

»Wenn Logan endlich mal fertig damit ist, sich von allen zu verabschieden.« Joanna verdrehte seufzend die Augen. Ich schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. Dann informierte ich Lukas darüber, dass er schon mal zum Auto vorgehen und draußen auf mich warten sollte, da ich noch kurz zur Damentoilette musste.

Zum Abschied nahm Joanna mich in den Arm.

»Denk dran, falls du jemanden zum Reden brauchst weißt du wo du mich findest.« Flüsterte sie mir so leise ins Ohr, dass nur ich es hören konnte.

Please don't leave meWhere stories live. Discover now