Kapitel 18

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Es war Montagmorgen Punkt sieben Uhr. Ich saß auf dem Beifahrersitz in Poppys Opel und ließ mich von ihren R n B Beats berieseln. Wir waren wieder einmal viel zu spät dran, was jedoch nicht auf meinen Mist gewachsen war.

Poppy war bis spät in die Nacht wach gewesen und als ich sie heute Morgen erwartete – wir hatten ausgemacht gemeinsam zur Schule zu fahren - war sie gefühlte dreißig Minuten zu spät.

            Als sie jedoch eingestiegen war und ich ihre geröteten Augen und das blasse Gesicht sah, musste ich erst gar nicht fragen, um zu erfahren was passiert war.

            Lukas hatte mit ihr gesprochen.

            Das erste, was ich tat, war Poppy in den Arm zu nehmen. Ich schlang die Arme um sie und rieb ihr mitfühlend über den Rücken. Für ein paar Sekunden verharrten wir einfach in dieser Position, bis Poppy schließlich zu sprechen begann.

            »Er hat Joanna geküsst«, murmelte sie an meiner Schulter. »Er hat Mr. Blacks Schwester geküsst.«

Poppy zog sich zurück und sie ließ bedrückt den Kopf hängen.

»Oh Poppy, es tut mir so wahnsinnig leid.« Mitfühlend legte ich meine Hand auf ihre. Ich wünschte ich hätte ihr irgendwie helfen können. Doch ich sprach aus Erfahrung, wenn ich behauptete, dass einem niemand diesen Schmerz nehmen konnte.

Liebeskummer. Ein stummer Schmerz, der dich von innen heraus ausbrannte, bis die Seele nur noch aus dunkler, grauer Asche bestand. Man fühlte sich nicht mehr als Mensch, nicht mehr lebendig. Mehr wie eine menschliche Hülle, in deren Mitte eine gähnende Leere herrschte.

Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass all das ausgerechnet jetzt passierte, genau passend zu unserem Trip nach Mount Rainier. Es war die Abschlussfahrt der Senior Class. Die Fahrt, auf die man schon seit Ende der Middle School hin fieberte. Und Poppy startete den Trip mit einer gewaltigen Portion Liebeskummer. So hatte sie es sich sicherlich nicht vorgestellt.

Es war seltsam, wenn ich daran zurückdachte, wie wir in die High School gestartet hatten. Poppy, Timmy, Danny und ich. Wir waren unzertrennlich gewesen. Und nun?

Es waren gerade mal zwei Jahre vergangen und doch hatte sich so vieles geändert.

Danny und ich hatten uns getrennt. Ich verliebte mich in meinen Englischlehrer. Poppy und mein Bruder wurden ein Paar. Und gerade als ich dachte, wir würden alle wieder zueinander finden, gestand Timmy Poppy seine Gefühle, was in einem absoluten Chaos endete. Ja, die High School war in der Tat ein Auf und Ab der Gefühle.

Und nun saßen wir hier, in Poppys altem Opel und redeten in aller Ruhe über ihr Gefühlschaos, obwohl wir bereits viel zu spät dran waren für die Abfahrt an der Schule.

»Ich habe ihm gesagt er soll sich zum Teufel scheren«, hörte ich Poppy schließlich sagen.

»Du hast was?«, erschrocken riss ich die Augen auf.

»Ich habe Lukas gesagt, dass er sich zum Teufel scheren soll«, wiederholte sie ihre Worte und schaltete einen Gang runter. Das Auto machte einen kräftigen Ruck und preschte nach vorn. Meine Hand um den Haltegriff an der Decke verstärkte sich und instinktiv hielt ich die Luft an, als Poppy auf die Gegenfahrbahn wechselte, um einen Pkw vor uns zu überholen. Poppy war ohnehin schon eine aggressive Autofahrerin. Doch wenn sie mies gelaunt war, konnte man meinen sie würde gerade eine Szene für den Film Fast and Furious abdrehen.

Ihr Blick war stoisch auf die Straße gerichtet und sie begann laut zu fluchen, als die Ampel vor uns auf Rot umsprang. Erst als wir nach einer Vollbremsung wieder zum Stehen kamen, traute ich mich schließlich etwas zu erwidern.

Please don't leave meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt