Kapitel 16

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Für ein paar Sekunden herrschte Stillschweigen im Raum. Lediglich das gleichmäßige Ticken der Uhr brachte Leben in das Zimmer. Mein Gehirn benötigte ein paar Sekunden bis es wieder anfing zu arbeiten und das eben Gesagte realisierte.

            »Du hast was?«, wiederholte ich Lukes Worte, da ich schlicht nicht fassen konnte, was soeben über seine Lippen gekommen war. Hatte ich mich verhört?

            »Ich habe Joanna geküsst«, gab Luke erneut wider und ließ das Gesicht in beide Hände sinken. Verdutzt starrte ich auf ihn herab.

Er hatte Joanna geküsst? Logans Schwester.

Mir fehlten für einen kurzen Augenblick die Worte. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich auf sein Geständnis reagieren sollte. Und was mir schließlich über die Lippen kam, zeugte nicht gerade von Intelligenz.

            »Warum?«, zu mehr war ich nicht imstande. Meine Gedanken überschlugen sich. Seit wann hatte Luke überhaupt näheren Kontakt zu Joanna? Und wie zum Henker kam es dazu? Vor allem aber was war mit Poppy?

            In genau diesem Moment begann Lukes Handy auf dem Schreibtisch zu vibrieren. Ein Ton, der das gesamte Holz zum Beben brachte. Selbst von meinem Standpunkt an der Tür aus konnte ich Poppys Bild darauf erkennen. Für ein paar Sekunden war die Spannung in dem totenstillen Raum nahezu mit den Händen greifbar.

Luke nahm sein Telefon in die Hand und starrte wie in Trance auf Poppys Lächeln. Ich erinnerte mich daran, dass sie mir vorhin am Telefon davon erzählte, dass sie Luke anrufen wollte. Als der Ton verebbte, schloss Luke gequält die Augen. Allein an seinem Gesichtsausdruck konnte man die pure Verzweiflung, die in ihm wütete, ablesen.

            Im nächsten Moment stand er auf und donnerte das Handy mit Schwung gegen die Wand. Ich erschrak so heftig, dass ich zusammenzuckte. Der dumpfe Aufprall und das Zerbrechen von Glas waren zu hören.

            Das letzte Mal, als ich Luke derart ausflippen sah, war als er von Logan und mir erfuhr. Er hatte Logan eine riesen Szene auf unserer Veranda gemacht. Zu allem Übel hatte Adam es mitbekommen.

            »Lukas, beruhige dich erst mal«, beschwichtigend hob ich die Hände. »Wieso setzt du dich nicht wieder und erzählst mir, was genau passiert ist?«

            Luke raufte sich mit beiden Händen durch sein Haar.

            »Verdammt! Was soll ich dir erzählen? Es gibt nicht viel zu sagen. Ich war mit Joanna unterwegs. Wir waren etwas trinken und als ich sie nach Hause brachte, haben wir uns geküsst. Ich weiß nicht wie das passieren konnte«, er schüttelte fassungslos den Kopf.

            »Was ist mit Poppy?«, wagte ich mich langsam heran. Luke sog scharf den Atem ein und starrte mich aus verzweifelten Augen aus an.

            »Ich weiß es nicht. Ich bin völlig durcheinander.«

            »Empfindest du denn nichts mehr für sie?«, wollte ich wissen.

            »Drea, herrgott, ich weiß es nicht.«

            Wieder herrschte eine Zeit lang Ruhe im Raum. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Ich versuchte zu verstehen, was wohl in meinem Bruder vorging, wie er sich fühlte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass Luke ebenfalls darüber nachdachte. In Gedanken war er wohl bei Poppy und Joanna, dachte darüber nach, was dieser Kuss mit Joanna zu bedeuten hatte.

            Entweder war es Ablenkung für Lukas, da Poppy Lukes' Stolz gekränkt und ihn verletzt hatte, durch ihr Gefühlschaos wegen Timmy. Oder aber Luke empfand tatsächlich etwas für Joanna.

Please don't leave meWhere stories live. Discover now