Kapitel 4

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Es war Donnerstagmorgen und schulfrei. Gelangweilt saß ich an unserem Küchentresen und beobachtete Timmy und Poppy dabei, wie sie wie die Verrückten Kürbisse aushöhlten. Poppy war wieder einmal auf eine ihrer glorreichen Idee gekommen; Wer zuerst den Kürbis bearbeitet hatte, bekam fünf Dollar. Wir drei trafen uns jährlich zu Thanksgiving und bereiteten für unsere Familien Kürbiskuchen zu.

                »Ich bin mir nicht sicher, ob man mit den Kürbissen nachher noch etwas anfangen kann«, sprach Ruby den Gedanken aus, der mir ebenfalls durch den Kopf geschossen war. Ich warf ihr einen zustimmenden Blick zu. Ruby und ich hatten uns vor zwei Monaten auf Timmys Geburtstag kennen gelernt. Sie lebte noch nicht sehr lange in Seattle und besuchte auch erst seit kurzem die Garfield High. Timmy hatte sie gleich unter seine Fittiche genommen.

                Wie immer trug Ruby ihre langen blonden Haare zu zwei französischen Zöpfen geflochten. Ich schätzte, das war wohl ihr Markenzeichen. Sie sah unter ihren falschen Wimpern auf und ihre grünen Augen,  blitzten amüsiert, als sie Poppys Blick auffing.

»Das hab ich gehört Ruby. Pass auf was du sagst, sonst kannst du dich von deinen schönen blonden Zöpfen verabschieden.« Knurrte Poppy unter Anstrengung und warf immer wieder gehetzte Blicke auf Timmys Kürbis, um zu sehen wie weit er bereits war.

                »Das klingt interessant«, Timmy grinste. »Aber wenn ihr euch schon prügelt, dann bitte im Bikini.«

Poppy verdrehte die Augen. »Wir wissen alle, dass du eher auf alte Männer in knappen Badehöschen stehst. Du brauchst uns nichts vorzumachen.«

                »Hör auf zu quatschen und konzentrier dich auf deinen Kürbis, Whitehill. Du liegst weit zurück.« Keine Minute später warf Timmy auch schon siegessicher die Hände in die Luft. »Erster.«

                Poppy ließ von ihrem Tun ab und warf einen kritischen Blick auf Timmys Kürbis. Beleidigt donnerte sie ihren Schaber auf den Tisch. »Das ist total unfair. Du hast die größeren Hände und mehr Kraft als ich.«

                »Ich bin eben ein echter Mann.« Entgegnete Timmy grinsend und zeigte Poppy seinen angespannten Bizeps. Poppy ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken und hob lediglich eine Braue.

»Timmy, du bist alles, aber ein Mann bist du nicht.«

                Ruby begann laut zu lachen und Timmys Gesicht verfinsterte sich. »Na warte, das bekommst du zurück.« Er machte einen Hechtsprung auf Poppy zu. Die erkannte sein teuflisches Vorhaben allerdings und nahm die Beine in die Hand. »Du bist viel zu langsam, Timothy Moreau.« Im nächsten Moment war Poppy schon durch die Tür verschwunden und sprintete durchs Haus, Timmy selbstverständlich hinterher.

                Kopfschüttelnd über die beiden ging ich um den Tresen herum und begann Poppys angefangenen Kürbis fertig auszuhölen. Ruby kam mir zur Hilfe.

                »Also«, begann Ruby zu sprechen. »Wie lange ist Timmy schon in Poppy verliebt?«

Ich hielt mitten in der Bewegung inne.

»Was? Wie kommst du denn darauf?« Entgeistert sah ich von dem Kürbis auf und direkt in Rubys scharfsinnige Augen. Woher wusste sie von Timmys Gefühlen? Ich war mir unschlüssig, was ich Ruby antworten sollte.

»Ach komm schon«, sie hob eine Braue und fegte sich einen Krümel von ihrer Latzhose. »Das sieht doch jeder Blinde, oder willst du mir etwa weismachen, du wüsstest es nicht?«

Seufzend gab ich nach. »Doch, aber auch erst seit ein paar Wochen.«

                »Wie? Du bist schon Ewigkeiten mit den beiden befreundet und hast es nicht gemerkt?« Erstaunt sah Ruby mich an. Ich verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern.

Please don't leave meWhere stories live. Discover now