Kapitel 26

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Liedempfehlung: Khalid - Better

Verliebtheit. Ein Gefühl von Zuneigung und Euphorie. Ein Gefühl, das man mit Worten nur schwer beschreiben konnte. Manche Leute erklärten es damit, Schmetterlinge im Bauch zu haben, oder ein Kribbeln in der Magengrube zu verspüren, wenn man der auserwählten Person begegnete. Man sagte, dass man weiche Knie bekam und schwitzige Hände. Dass man versuchte, sich nur von seiner besten Seite zu zeigen.

    Andere wiederum bezeichneten die Verliebtheit als einen physiologisch erklärbaren Zustand. Eine chemische Reaktion mit messbaren Veränderungen im Bezug auf die Blutwerte, Hormone und den Kreislauf. Ein temporärer Ausnahmezustand.

    Meistens passierte es genau dann, wenn es uns am wenigsten in den Kram passte, wenn wir uns fest vorgenommen hatten, erst einmal Abstand von Liebesbeziehungen zu nehmen.

    Vor ein paar Monaten war das mein Gedankengang gewesen. Und nach allem, was ich im vergangenen Jahr hatte durchmachen müssen, war eine neue Liebe das Letzte, das ich hätte gebrauchen können. Besonders dann nicht, wenn es sich dabei auch noch um den neuen Englischlehrer handelte. Völlig ausgeschlossen. Völlig unvernünftig.

    Doch es war geschehen. Wahrhaftig. Denn manchmal war man machtlos gegen seine Gefühle. Uns waren die Hände gebunden. Dagegen anzukämpfen glich dem Versuch eine zentimeterdicke Betonmauer zu durchbrechen. Vollkommen unmöglich.

    Es war ein Moment gewesen, ein einziger Moment, der alles veränderte. Ein kurzer Augenblick, in dem die Welt sich einfach aufhörte zu drehen. Das Leben um uns herum hörte auf zu existieren und wir nahmen nur noch diese eine Person wahr. Dieser eine Mensch, den wir gar nicht kannten und dennoch fühlten wir uns ihm so nahe und verbunden, wie noch nie jemandem zuvor.

    Genau so hatte ich empfunden, als ich Logan zum ersten Mal sah. Es waren seine blaue Augen, sein Lächeln und die Art wie er mich ansah, die mich verzauberten. Doch es war seine Seele, in die ich mich verliebt hatte.

    Es schien, als hätte Logan bei unserer ersten Begegnung gespürt, dass ich dabei gewesen war, zu zerbrechen. Er war derjenige gewesen, der mich rettete, als ich am Rande einer Klippe stand. Kurz davor, abzuspringen. Und während er mir dabei half, wieder in die richtige Spur zu kommen, war es geschehen. Unbeabsichtigt. Unvorhersehbar. Ich hatte mich verliebt.

    Es war wider jeglicher Vernunft. Es verstieß gegen Moral und Ethik. Es widersprach allem, was Logan sich geschworen hatte zu tun; seiner Berufung und seinem Eid.

    Doch Gefühle waren nicht kontrollierbar. Sie kamen und gingen. Ohne Einverständnis. Sie klopften nicht einfach an die Tür und baten höflich darum, eintreten zu dürfen. Nein, sie überrollten dich und schlugen wie ein Tsnumi über deinem Kopf zusammen. Und je mehr man sie unterdrückte, desto eher bahnten sie sich einen Weg an die Oberfläche, drohten dich von innen heraus aufzufressen.

    Ja, lieben war nicht einfach. Es war eine der schönsten und zugleich schmerzhaftesten Erfahrungen, die das Leben für einen bereit hielt. Denn man konnte sich nicht aussuchen, für wen sein Herz irgendwann einmal schlug.

    Und so stand ich nun hier. Mit vor Aufregung zitternden Knie und einem klopfenden Herzen, das meinen Brustkorb fast zu sprengen schien. Es fühlte sich an, als würden meine Füße jeden Moment vom Boden abheben.

    Logan drückte seine Lippen auf meine, als wäre heute unser letzter Tag auf Erden.

    Dieser Kuss war anders. Es war der Kuss der Erkenntnis. Der Kuss der Wahrheit. Ein stummes Versprechen auf eine gemeinsame Zukunft. All diese Gedanken und Gefühle lagen in dieser einen Berührung. Ich spürte sie, konnte sie beinahe schon schmecken. Oh und ich wollte mehr davon. Viel mehr. Mehr, als Logan bereit war, mir in diesem Moment zu geben. Viel mehr, als er bereit war, mir in den nächsten fünf Monaten zu geben.

Please don't leave meWhere stories live. Discover now