Kapitel 6

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Eine Woche später stand ich verzweifelt vor meinem Kleiderschrank und fand schlicht und ergreifend nichts Passendes zum Anziehen. Heute war die Hochzeit von Lukas' bestem Freund Michael. Lukas und ich waren selbstverständlich eingeladen.

Es war schon eine Weile her gewesen, seit ich Michael das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte. Mit unserem letzten Aufeinandertreffen verband ich zudem keinerlei schöne Erinnerungen. Denn dabei handelte es sich um den verhängnisvollen Tag in Tante Carolyns Wohnung. Der Tag, an dem Adam versucht hatte mich erneut anzufassen und Logan vollkommen die Kontrolle verlor. Er hatte Adam krankenhausreif geprügelt. Michael war derjenige gewesen, der sofort gewusst hatte was zu tun war und Logan aus dem Gefecht riss.

Er und Logan waren seit dem College befreundet. Ich ging also davon aus, dass Logan auch auf der Hochzeit sein würde. Einzig und Allein dieser Gedanke bereitete mir Angst und Freude zugleich. Einerseits war ich aufgeregt und mein Herz sehnte sich danach, ihn wieder zu sehen. Andererseits aber wusste ich, dass es mir nicht gut tat. Jede einzelne Sekunde, in der ich mich in seiner Nähe befand, fühlte sich an wie Gift für meine Seele.

So vieles hatte ich in den letzten Monaten durchmachen müssen. Doch ich musste das Positive aus diesen Rückschlägen mitnehmen. Sie stärkten mich. Und egal wie sehr es schmerzen würde Logan heute gegenübertreten zu müssen, ich würde es überleben.

Seufzend wandte ich mich wieder meinen Kleidern zu. Nach Ewigkeiten des Suchens wurde ich endlich fündig. Ich entschied mich für ein dunkelblaues luftiges Kleid. Der Rock fiel mir in Falten über die Oberschenkel und endete kurz über den Knien. Es war langärmlig und die Vorderseite am Bauchbereich war freigelegt.

Ich entledigte mich meines Bademantels und schlüpfte in das Kleid hinein. Das ganze rundete ich mit meinen schwarzen Peeptoas ab. Ich hatte sie vorher noch nicht allzu oft angehabt. Hohe Schuhe trug ich lediglich zu besonderen Anlässen wie Schulbälle oder in diesem Fall Hochzeiten.

Ich legte noch etwas Makup auf, schlicht, aber dennoch ausdrucksvoll. Dann ließ ich mein Smartphone, Portemonnaie, sowie auch meinen Lippenstift in meine Clutch gleiten, als Lukas auch schon an die Tür klopfte.

Er trug einen dunklen Smoking, der seinem Körper schmeichelhaft gut stand. Beim Eintreten fuchtelte er fluchend an seiner Fliege herum.

»Brauchst du Hilfe?«,fragte ich schmunzelnd und ging ihm zur Hand.

»Ich hasse diese Dinger.« Erwiderte er grimmig und ließ sich nur zu gern von mir helfen.

»So, bitteschön«, ich trat einen Schritt zurück und betrachtete meinen Bruder. »Du siehst toll aus, Luke.«

»Ja, mit dir kann man sich auch sehen lassen.« Er grinste.

»Idiot.« Ich hob eine Braue und schlug ihm spielerisch auf die Brust, konnte mir ein Schmunzeln allerdings nicht verkneifen.

»Bereit?« Lukas bot mir seinen Arm an. Ich hakte mich bei ihm ein.

»Bereit.«

***

Die Trauung fand in einer Kirche, ganz in der Nähe unseres Wohnortes statt. Die anschließende Feier dagegen in einem Hotel. Da Lukas Michaels Trauzeuge war, mussten wir etwas früher dort sein.

Eigentlich wäre Poppy als Lukas' Begleitung mitgekommen. Aufgrund ihres Streites jedoch hatten Lukas und Poppy sich darauf geeinigt, dass Lukas ohne sie ging. Ich wäre froh darüber gewesen, wenn meine beste Freundin hier wäre. Ein bisschen seelische und moralische Unterstützung hätte ich gut gebrauchen können.

Please don't leave meWhere stories live. Discover now